Chinesische Marine:Großmacht zu Wasser

In einem Jahresbericht entdecken japanische Reporter ein chinesisches Programm zum Bau von Flugzeugträgern - in Tokio ist die Aufregung groß. Dabei haben die strategischen Ziele der Chinesen wenig mit Japan zu tun.

Stefan Kornelius

Eigentlich sollte es Satellitenkameras und Spionen nicht verborgen bleiben, wenn eine Werft einen Flugzeugträger baut. Besonders, wenn das Stahlungetüm in China im Dock liegt. Diesmal aber stammt die vermeintliche strategische Sensationsmeldung aus einem Buch. Der Jahresbericht der ozeanischen Staatsverwaltung Chinas verkündet in einem simplen Satz, dass "China im Jahre 2009 einen Plan und ein Programm aufgelegt hat, um einen Flugzeugträger zu bauen".

Members of the PLA Navy march in formation during training session on outskirts of Beijing

Was die Zahl der Soldaten angeht, ist die Marine der chinesischen Volksbefreiungsarmee eine Großmacht - was fehlt, ist jedoch eine Flotte von Flugzeugträgern.

(Foto: REUTERS)

Den Jahresbericht, der bereits im Mai veröffentlicht wurde, hat nun die japanische Zeitung Asahi Shimbun ans Licht gebracht. Ein Zufall ist das wohl nicht, denn Japan hat gerade eine neue Verteidigungsdoktrin vorgelegt, in der China als größte Bedrohung identifiziert wird. Offenbar fühlte sich die Regierung in Tokio bemüßigt, ihre militärische Neuausrichtung mit Fakten zu begründen. Seit wenigen Wochen verdichten sich Gerüchte, wonach der Träger auf einer traditionellen Marine-Werft in Shanghai auf Kiel gelegt wurde. Bis 2014 soll das Schiff mit dem Namen Peking 1 fertig sein, 2020 soll ein zweiter, diesmal atomgetriebener Träger folgen.

Ob die Information zutrifft, ist fast schon Nebensache. Bestätigung lässt sich keine finden in Peking. Aber China will seine maritimen Ambitionen seit Jahren kaum verhehlen, und offenbar ist es nur einem Disput zwischen Militär und ziviler Staatsmacht geschuldet, dass die Botschaft vom Flugzeugträgerbau bisher nicht kommuniziert wurde. Die Marineführung jedenfalls hat aus ihrem Stolz keinen Hehl gemacht. Im Umfeld eines Streitkräfte-Jubiläums im April 2009 sagte der Verteidigungsminister zu seinem japanischen Kollegen, China werde auf Dauer nicht die einzige Großmacht ohne Flugzeugträger bleiben. Und vor zwei Jahren ließ ein Offizieller über die Financial Times verkünden, man solle nicht erstaunt sein, wenn China einen Träger baue.

Pekings Interessen liegen im Indischen Ozean

Ein Flugzeugträger alleine würde Chinas militärische Macht allerdings nicht nachhaltig steigern. Dazu sind mindestens drei Träger-Verbände nötig, also der Flugzeugträger selbst plus Versorgungsschiffe, Fregatten, Schnellboote, Hubschrauberträger und U-Boote zum Schutz. Die USA unterhalten zurzeit elf einsatzfähige Verbände.

China hat in der Vergangenheit vier ausgemusterte Flugzeugträger aus Australien, Russland und der Ukraine gekauft. Einer davon, die Minsk, liegt als Amüsierpark vor Anker, die Melbourne wurde nach intensiven Baustudien verschrottet, die Kiew wird in einem Marinepark zur Schau gestellt, und die ukrainische Warjag liegt zurzeit in einer Werft, wo sie Spekulationen zufolge zu einem Trainingsschiff für chinesische Piloten umgebaut wird. Nachbauten eines Flugdecks aus Beton wurden bereits vor Jahren von Satelliten entdeckt, im Jahr 2004 etablierte die Marine ein Piloten-Programm, aus dem bereits mehrere Absolventen-Jahrgänge hervorgegangen sein sollen. Was also fehlt, ist der Träger.

Chinas strategisches Interesse gilt dabei weniger Japan als dem Indischen Ozean, über den die Rohstoffe aus der arabischen Welt und aus Afrika nach Ostasien kommen. Misstrauisch beäugt Peking die Ambitionen Indiens, das bis zum Jahr 2020 drei Flugzeugträger-Verbände in Dienst gestellt haben will. Für Hafen-Stützpunkte entlang der Versorgungsroute hat Peking jedenfalls schon gesorgt. Entsprechende Abkommen wurden mit Birma, Pakistan und Sri Lanka geschlossen.

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