Chinas Präsident Xi bei Bundespräsident Gauck:Freundlich, aber distanziert

Chinas Präsident Xi zu Staatsbesuch in Deutschland

Chinas Präsident Xi Jinping (l.) zu Besuch bei Bundespräsident Joachim Gauck.

(Foto: dpa)

Die Wirtschaft beider Länder ist eng verflochten, doch politisch trennen China und Deutschland Welten. Das macht das Treffen der beiden Präsidenten Xi und Gauck zu einem schwierigen Balanceakt.

Von Stefan Braun und Constanze von Bullion

Es ist nicht allzu lange her, da fremdelte Joachim Gauck noch mit militärischen Zeremonien. An diesem Vormittag aber kann man studieren, wie sich der frühere Pfarrer auch beim "Empfang mit militärischen Ehren" zum Profi entwickelt. Xi Jinping ist mit seiner Frau ins Schloss Bellevue gekommen. Chinas Staatspräsident gehört zu den mächtigsten und umstrittensten Menschen auf diesem Planeten, und draußen vor dem Schloss wird kräftig getrommelt. Uiguren, Tibeter und Menschenrechtsgruppen demonstrieren gegen Unterdrückung.

Doch Gauck schaut weder besonders grimmig noch besonders herzlich zu seinen Gästen. Er begrüßt sie mit einem ebenso freundlichen wie nüchternen Lächeln. Dann präsentieren die Soldaten die Gewehre, Gauck und Xi Jinping schreiten die Ehrengarde ab. Und am Ende des roten Teppichs warten Schulkinder, um Hände zu schütteln. Nett ist das und schützt doch vor falschen Tonlagen. Und als den Gästen im Schloss Kraftbrühe mit Kalbsbäckchen serviert wird, bleibt der Bundespräsident bei einem umgänglichen Ton, der leise mit Piment gewürzt ist.

Einerseits lobt der Deutsche die Chinesen für ihren wirtschaftlichen Aufstieg. "Chinas Wandel verändert die Welt. Deshalb blickt die Welt heute gespannt auf die neuen Reformen", sagt er in seiner Tischrede und lobt "Kreativität und Können" der Menschen. Zugleich allerdings lässt er keinen Zweifel an seiner kritischen Haltung zur Menschenrechtslage in China - auch wenn er das während des Mittagessens vor Dutzenden Gästen an keiner Stelle wörtlich ausdrückt. Stattdessen zitiert er Konfuzius: "Ohne das Vertrauen des Volkes kann kein Staat bestehen."

Alle Macht in Xi Jinpings Hand

Im Übrigen sei Vertrauen etwas Wechselseitiges, und Bürger sein heiße auch, die Gesellschaft verantwortlich mitzugestalten. "Ich bin sicher: China hat hier großes Potenzial." Das klang vor allem anspornend, im persönlichen Gespräch wurde es dann konkreter. Wie es später heißt, hätten Gauck und Xi hinter verschlossenen Türen auch über einige konkrete Fälle und Menschenrechtsverletzungen gesprochen.

Dass Xi Jinping an diesem Tag von Gauck begrüßt wird, lässt sich als nützliche Fügung beschreiben. Gauck ist mit seinen Botschaften zwischen den Zeilen so etwas wie das fein austarierte Vorprogramm für diesen chinesischen Staatspräsidenten, der in China so viel Macht auf sich vereinigt wie kaum einer seiner Vorgänger.

Xi Jinping ist nicht nur Staatsoberhaupt, er ist auch Generalsekretär der Kommunistischen Partei und Vorsitzender der Militärkommission, also Oberster Befehlshaber. Und als ob das nicht ausreichte, führt er in allen wichtigen Reformkommissionen den Vorsitz. Alle Macht in einer Hand - selten ist das derart zutreffend wie bei Xi Jinping.

"Füreinander unverzichtbar"

Entsprechend wichtig ist dieser Besuch auch diesmal wieder, nicht nur beim Austausch freundlich-diplomatischer Botschaften. Er ist für beide Länder von strategischer Bedeutung, wirtschaftlich wie politisch. Seit vielen Jahren ist Deutschland für China der wichtigste Markt und der wichtigste politische Ansprechpartner in Europa.

Die vor Kurzem noch hoch gefährliche Euro-Krise hat das in den Augen der Führung in Peking aufs Deutlichste historisch bestätigt. Peking hatte immer gehofft, dass Deutschland gut aus der Euro-Krise kommen würde. Dass die Deutschen im Zuge der Krise aber ihren Einfluss und ihre wirtschaftliche Stärke in Europa wie in der Welt ausbauen konnten, ist selbst für die an Deutschland interessierte chinesische Führung überraschend gekommen.

Kein Wunder, dass Xi Jinping schon im Vorfeld seines dreitägigen Besuches massiv dafür geworben hat, die ökonomische Zusammenarbeit weiter auszubauen. Beide seien längst "füreinander unverzichtbar". So ist es nur logisch, dass auch am Freitag im Berliner Kanzleramt wieder zahlreiche bilaterale Abkommen unterzeichnet wurden. Dazu zählen konkrete Wirtschaftskooperationen, allein Daimler-Benz hat ein Abkommen zum Ausbau der Motorenproduktion über eine Milliarde Euro geschlossen.

Politische Fragen im Vordergrund

Und nicht minder wichtig ist die Frage, an welchem Finanzplatz in Europa künftig der chinesische Yuan gehandelt werden könnte. China möchte seine Währung zu einer starken internationalen Währung neben dem US-Dollar und dem Euro ausbauen. Nun ringen in Europa vor allem London und Frankfurt um die dafür besten Startplätze. Eine Absichtserklärung zwischen der Bundesbank und ihrem chinesischen Pendant dürfte die Chancen Frankfurts erhöht haben.

Daneben rücken gerade bei diesem Besuch politische Fragen in den Vordergrund. Dabei wäre es aus Berliner Sicht am schönsten, wenn es gelänge, China für eine Verurteilung Russlands zu gewinnen. In einer gemeinsamen Erklärung, die am Freitag verabschiedet wurde, heißt es nun, beide Staaten setzten bei internationalen Konflikten auf eine friedliche Lösung "auf der Basis internationalen Rechts, das auf der Charta der Vereinten Nationen basiert". Was etwas verschwurbelt daherkommt, liest die Bundesregierung mit Blick auf die Ukraine als Teilerfolg gegenüber Putin.

Deutsche Diplomaten warnen allerdings davor, zu viel zu erwarten. "Peking kann die Krim-Annexion nicht gefallen", sagt ein hoher Regierungsbeamter, "aber deswegen ist es noch lange nicht auf der Seite des Westens."

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