China:Verleger lobt "glückliches Leben" im Hausarrest

China Schweden

Der Fall des Buchhändlers Gui Minhai sorgt seit Monaten für Verstimmung zwischen China und Schweden. Bereits kurz nach Guis erster Festnahme im Jahr 2016 kam es zu Protesten in Hongkong, wo der 53-Jährige einen Buchladen betreibt.

(Foto: Vincent Yu/AP)
  • Der schwedische Verleger Gui Minhai ist Ende Januar von chinesischen Sicherheitskräften aus einem Zug in Richtung Peking verschleppt worden.
  • Nun beschuldigt er Schweden, ihn in eine Falle gelockt zu haben.
  • Menschenrechtler gehen davon aus, dass Chinas Regierung ihn dazu gezwungen hat, dieses Statement abzugeben.

Von Kai Strittmatter, Peking

Ende Januar war der schwedische Staatsbürger und Verleger Gui Minhai unter den Augen schwedischer Diplomaten von chinesischen Sicherheitskräften aus einem Zug Richtung Peking verschleppt worden. Jetzt ist Gui im Gewahrsam der Polizei wieder aufgetaucht - und beschuldigt Schweden, ihn als "Schachfigur" zu missbrauchen, um "Chinas Regierung Schwierigkeiten zu bereiten". Am Wochenende kursierten Videos und Berichte von einem vom Ministerium für öffentliche Sicherheit arrangierten Treffen Guis mit handverlesenen Medien aus China und Hongkong. Gui, der auf Fotos von dem "Interview" zeitweise von zwei Polizisten flankiert wird, beschuldigte darin schwedische Diplomaten, ihn "hereingelegt" und gegen seinen Willen auf die Zugfahrt nach Peking gelockt zu haben. "Ich bin darauf hereingefallen", sagte Gui Minhai. "Mein wunderschönes Leben wurde ruiniert." Und zwar von Schweden.

Diplomaten in Peking und Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International gehen davon aus, dass der 53-Jährige - wie auch schon zweimal im Jahr 2016 - gezwungen wurde, vor die Kameras zu treten. "Es ist ziemlich sicher ein erzwungenes Geständnis", sagte William Nee, Chinaexperte bei Amnesty, dem Hongkonger Radiosender RTHK. Die Behörden hielten ihn abgeschottet von der Außenwelt gefangen, er habe keinen Zugang zu Anwälten. "Und er wiederholt all die Argumente, die die chinesische Regierung in die Welt setzen will."

Guis bizarre Pressekonferenz ist nur die letzte Wendung in der Saga der fünf entführten Hongkonger Buchhändler. Gui Minhai, der nach seinem Studium in Schweden die Staatsbürgerschaft annahm, lebte und arbeitete seit einigen Jahren als Verleger und Chef einer Buchhandlung in Hongkong. Im Oktober 2015 dann machte seine "Causeway Bay Books" weltweit Schlagzeilen, als nacheinander Gui und vier weitere dort arbeitende Buchhändler verschwanden - und in chinesischen Gefängnissen wieder auftauchten. Sein Verlag hatte Bücher vertrieben, die oft Klatsch und Tratsch über Chinas Führung verkauften.

Gui Minhai selbst, immerhin ein EU-Bürger, wurde offenbar von chinesischen Agenten aus seinem Apartment im thailändischen Ferienort Pattaya entführt. 2016 wurde der Verleger dann schon einmal im chinesischen Staatsfernsehen CCTV vorgeführt als reuiger Sünder. Er sei "freiwillig" nach China zurückgekehrt, sagte Gui damals in einem Interview aus seiner Gefängniszelle, um sich "zu stellen", wegen eines tödlich verlaufenen Verkehrsunfalls im Jahr 2003. Gui saß dann zwei Jahre Haft ab, im Oktober letzten Jahres dann wurde seiner Familie mitgeteilt, Gui sei nun entlassen und lebe in Ningbo.

Es war allerdings eine Entlassung in eine Art überwachten Hausarrest. Freunde durften Gui nicht kontaktieren, allerdings reiste er drei Mal zum schwedischen Konsulat in Shanghai. Am 20. Januar dann befand er sich gemeinsam mit zwei schwedischen Diplomaten im Zug nach Peking, als zehn chinesische Beamte das Abteil stürmten und Gui vor den Augen der Schweden abführten. Der Vorfall führte zu einem diplomatischen Eklat und schweren Vorwürfen gegen China: Das Land verstoße gegen internationale Regeln, es habe sich Gui, so Schwedens Außenministerium "brutal" geschnappt.

Minhai soll Staatsgeheimnisse verraten haben, schreibt die Parteipresse

"Dieses Video ändert nichts", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag eine Stellungnahme Stockholms: "Wir verlangen weiterhin, dass unser Bürger die Möglichkeit erhält, sich mit schwedischen Diplomaten und Ärzten zu treffen."

Die chinesische Parteipresse warf am Sonntag Gui Minhai zudem vor, er habe "Staatsgeheimnisse ausländischen Gruppen zuspielen wollen". Die Polizei habe bei seiner Festnahme geheime Dokumente sichergestellt. Wie Gui allerdings in seinen zwei Jahren Haft und seinem monatelangen überwachten Hausarrest in Ningbo an diese hochgeheimen Papiere gekommen sein soll, das verrieten die Berichte nicht.

In dem von der chinesischen Polizei arrangierten Interview am Freitag erklärte Gui Minhai, er selbst habe "die Polizei um ein Treffen mit den Medien gebeten, um die Wahrheit zu erzählen." Schwedische Diplomaten, sagte er, hätten ihn heimlich nach Schweden bringen wollen. Als Vorwand habe man eine ärztliche Untersuchung in Peking vorgeschoben. Chinesische Polizisten hätten ihn dann am 20. Januar "in Übereinstimmung mit dem Gesetz aus dem Zug abgeholt".

Ebenfalls am Wochenende veröffentlicht wurde ein Brief Gui Minhais an die schwedische Botschafterin in Peking. Darin gibt er Schweden die Schuld an seiner Festnahme und beschreibt das "glückliche und würdevolle Leben", das er in den Monaten vor dem Zwischenfall im Zug nach Peking in seiner alten Heimatstadt Ningbo nahe seiner Mutter gelebt habe: "Ich habe viele Gedichte geschrieben in diesen behaglichen Lebensumständen."

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