China:Sorge im Perlflussdelta

Workers are seen at a steel mill of Dongbei Special Steel in Dalian

Arbeiter wie diese Stahlkocher in Dalian hätten unter US-Zöllen am meisten zu leiden.

(Foto: Reuters)

Peking bangt: Wird Donald Trump den Handelskrieg erklären? Die Exportabhängigkeit ist noch immer groß.

Von Christoph Giesen, Peking

Die Unruhe in China war groß. Seit Wochen schon hat in den Ministerien und im Parteiapparat das große Psychologisieren begonnen. Wird der amerikanische Präsident Donald Trump China den Handelskrieg erklären, mit allen Konsequenzen? Lange glaubte man in Peking es sei Show. Damit ist es nun vorbei. Die USA wollen ihren Rivalen mit milliardenschweren Strafzöllen belegen. Trump sprach bei der Unterzeichnung der Anordnung von Zöllen auf Waren im Wert von bis zu 60 Milliarden Dollar. Vor vier Wochen schickte Staatschef Xi Jinping noch seinen treuen Berater Liu He nach Washington - dieser reiste unverrichteter Dinge wieder ab. Liu, der Anfang der Woche zum Vizepremierminister aufgestiegen ist, war mit dem Auftrag unterwegs, eine gesichtswahrende Lösung zu finden. Doch statt über den allgegenwärtigen Zwang zu Joint Ventures oder die Öffnung des Finanzmarktes zu debattieren, beschied man Liu in den USA: Es gibt keine Verhandlungen mehr.

Noch sind die Reaktionen aus Peking eher allgemein gehalten. Die amtliche China Daily forderte am Donnerstag den Rest der Welt dazu auf, sich Washington entgegenzustellen. "Da die Vereinigten Staaten ihren Kurs nicht zu korrigieren scheinen, sollten andere Länder aufhören zu hoffen, dass ihnen protektionistische Schüsse erspart bleiben." Und eine Sprecherin des Außenamtes sekundierte: "China wird sich nicht einfach zurücklehnen und ignorieren, dass seine legitimen Rechte und Interessen verletzt werden."

Wie eine konkrete Gegenmaßnahme aussehen kann, hatte das chinesische Parteiblatt Global Times schon kurz nach Donald Trumps Wahlsieg skizziert: "Eine Charge von Boeing-Aufträgen würde durch Airbus ersetzt, amerikanische Autos und iPhones hätten es schwer in China, die Importe von Sojabohnen und Mais würden gestoppt." Der Staat und vor allem die Kommunistische Partei haben fast unbegrenzten Durchgriff in der Volksrepublik.

Welche Auswirkungen haben Trumps Zölle? So exportabhängig wie noch vor einigen Jahren ist Chinas Volkswirtschaft längst nicht mehr. Etwa 20 Prozent der Wirtschaftsleistung werden noch durch Ausfuhren gedeckt. "Die meisten chinesischen Unternehmen dürften im Falle eines Handelskrieges recht widerstandsfähig sein, aufgrund des hohen Anteils von inländischen Einnahmen", so urteilen die Analysten der französischen Investmentbank Natixis. Doch sie sagten auch: "Es gibt jedoch bestimmte Sektoren, die stärker betroffen sein werden, wie die Informationstechnologie und Gebrauchsgüter."

Betroffen dürften vor allem Unternehmen sein, die Handys, Kameras oder Kühlschränke produzieren. Beim Haushaltsgerätehersteller Midea liegt der Exportanteil bei 40 Prozent, bei Elektronikfirma TCL gehen sogar 44 Prozent der Waren ins Ausland. Was die meisten Firmen gemeinsam haben: Sie produzieren in Südchina, im Perlflussdelta. Die Sorge dort ist vor allem eine soziale: Hundertausende Wanderarbeiter könnten plötzlich arbeitslos werden.

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