China:Selektive Schließung

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Polizei in Peking: Die Sicherheit geht der Regierung über alles. (Foto: Mark Ralston/AFP)

Die Regierung in Peking will ausländische regierungsunabhängige Organisationen künftig per neuem Gesetz scharf kontrollieren.

Von Kai Strittmatter, Peking

China hat am Donnerstag ein neues Gesetz zur Kontrolle ausländischer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) verabschiedet. Das Gesetz stellt die regierungsunabhängigen Organisationen unter Aufsicht der Polizei und gibt dem Sicherheitsapparat weitreichende Befugnisse zur Kontrolle und Einschränkung all ihrer Operationen. Betroffen sind mehr als 7000 Organisationen im Land. Das Gesetz kommt im Zuge einer weiter gefassten Kampagne der KP Chinas gegen vermeintlich "feindliche ausländische Einflüsse".

Die NGOs und westliche Regierungen, darunter die deutsche, haben mehrfach gegen vorherige Fassungen des Gesetzes protestiert. Am Donnerstag teilte der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses mit, das Gesetz sei in dritter Lesung verabschiedet worden.

Bislang hatte es in China keine Regelung gegeben für die Arbeit von NGOs, die Gruppen bewegten sich in einer Grauzone, manche waren als Unternehmen registriert. Die Nachrichtenagentur Xinhua schrieb am Donnerstag, das neue Gesetz diene dazu, die "Rechte und Interessen der NGOs zu schützen". Unter den betroffenen Gruppen indes herrschen schon seit Monaten Unruhe und Angst vor den geplanten Maßnahmen. "Dieses Gesetz ist wie so viele andere aus der Ära von Parteichef Xi Jinping eine noch stärkere Waffe, um Chinas Menschenrechtsverletzungen einen legalen Anstrich zu geben", warnt Sophie Richardson, die China-Expertin der in New York beheimateten Gruppe Human Rights Watch.

China ist nicht das erste Land, das im Namen der nationalen Sicherheit die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen einschränkt. Länder wie Malaysia, Marokko oder Äthiopien haben ähnliche Gesetze. Indien untersagte mehr als 9000 Wohlfahrtsorganisationen im vergangenen Jahr die Annahme ausländischen Geldes und entzog der Umweltorganisation Greenpeace die Lizenz. In Russland müssen sich NGOs, die Geld aus dem Ausland erhalten, als "ausländische Agenten" registrieren lassen. China ist also ein Nachzügler, und doch beurteilen Beobachter das Gesetz hier als besonders drakonisch.

Unter Partei- und Staatschef Xi Jinping hat der Sicherheitsapparat seit 2013 verstärkt Chinas Zivilgesellschaft ins Visier genommen. Führende Parteifunktionäre wiederholen regelmäßig das Mantra von "feindlichen ausländischen Kräften", die daran arbeiteten, die Herrschaft der KP zu unterwandern. Die Regenschirmbewegung in Hongkong 2014 oder Proteste in Tibet dienen als Beleg dafür. "Westliche Werte" als solches stehen auf der schwarzen Liste: Das bekannte Dokument Nummer neun - ein parteiinterner Kampfaufruf an alle KP-Kader - nennt ausdrücklich die Zivilgesellschaft als eine zu bekämpfende Idee. Im Januar war erstmals der Chef einer ausländischen NGO, der Schwede Peter Dahlin, festgenommen worden, er wurde dem Volk im Staatsfernsehen als Werkzeug "fremder Mächte" präsentiert und später deportiert. Dahlins Gruppe hatte Weiterbildung für Bürgerrechtsanwälte organisiert. Das jetzt verabschiedete Gesetz weist einige Änderungen zu früheren Versionen auf. So sollen nun offenbar Krankenhäuser, Schulen und der akademische Austausch ausgenommen werden von den verschärften Bestimmungen. Auch verfällt die Registrierung einer Gruppe nicht mehr automatisch nach fünf Jahren, zudem darf eine NGO mehr als nur ein Büro in China aufmachen. "Die Regierung hat offenbar auch die Kritik gehört, sie hat einen Lernprozess durchgemacht", sagt Jia Xijin, eine NGO-Forscherin an der Pekinger Tsinghua-Universität. "Das ändert nichts an der Tatsache, dass das Gesetz vor allem der nationalen Sicherheit dienen soll." Manchen NGOs werde in Zukunft der Weg nach China versperrt sein, glaubt sie.

Kristin Shi Kupfer von der Berliner China-Denkfabrik Merics beobachtet eine "selektive Schließung" Chinas: Während zum Beispiel naturwissenschaftliches Know- how aus dem Ausland und karitative Aktivitäten zur Entlastung des Staates weiter erwünscht seien, würden gleichzeitig "alle Werte und politischen Ordnungsvorstellungen bekämpft, die eine politische Liberalisierung vorantreiben könnten". Die keimende Zivilgesellschaft sei eine der wenigen Bürgerrechts-Erfolgsgeschichten im China der letzten Jahre, sagt Sophie Richardson von HRW. Ihr Überleben sei "von entscheidender Bedeutung für die Zukunft Chinas".

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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