China:Respekt und Liebe

China: Vorsitzender von allem: Straßenarbeiter lauschen einer Rede von Xi Jinping, die über einen Bildschirm übertragen wird.

Vorsitzender von allem: Straßenarbeiter lauschen einer Rede von Xi Jinping, die über einen Bildschirm übertragen wird.

(Foto: Chinatopix via AP)

Enthusiasmus für einen starken Mann: Chinas Parteichef Xi Jinping wird in der KP verehrt wie kein Anführer seit Mao Zedong. Doch Peking beteuert, mit Personenkult habe das rein gar nichts zu tun.

Von Kai Strittmatter, Peking

Wenn es etwas gibt, worauf die Vertreter des offiziellen China allergisch reagieren, dann ist das der Befund von Beobachtern, um Parteichef Xi Jinping entstehe ein Personenkult. Niemals werde China das erlauben, versicherte kurz nach dem großen Parteitag der Kommunistischen Partei im vergangenen Oktober Xie Chuntao, einer der Leiter der Zentralen Parteischule. China, sagte er unter Anspielung auf den Personenkult um Mao Zedong und dessen verheerende Folgen, habe aus der Geschichte gelernt. "So etwas wird sich nicht wiederholen." Was im Moment zu beobachten sei, das seien vielmehr "Respekt und Liebe" der Chinesen für Xi, beides sei "natürlich" und komme "aus dem Herzen". Mit Personenkult habe das nichts zu tun.

Dass die KP sich seit dem 19. Parteitag zu solchen Klarstellungen bemüßigt fühlt, ist kein Zufall. Auf dem Parteitag hatte Xi Jinping eine Erhöhung sondergleichen erfahren: Die Partei nahm ihn aufgrund einer nach ihm benannten Theorie in den Pantheon ihrer Denker auf - so etwas war zu Lebzeiten nur Mao Zedong widerfahren. Der Wortbandwurm "Xi-Jinping-Denken über den Sozialismus chinesischer Prägung in der neuen Ära", kurz "Xi-Jinping-Denken" wurde in die Parteistatuten aufgenommen. Er soll demnächst auch in die Verfassung Chinas eingehen.

Xi-Gedanken werden an der Universität gelehrt und demnächst in die Verfassung aufgenommen

Nach dem Ende des Kongresses verging kein Tag, da hatte schon die erste Hochschule des Landes, Pekings Volksuniversität, die Eröffnung eines Forschungszentrums für die Xi-Gedanken verkündet. Dutzende Universitäten zogen nach. Der Direktor des neuen Instituts an der Volksuniversität, Liu Wei, sagte, es gehe darum, die Xi-Gedanken nun "in den Lehrplänen, in den Klassenzimmern und in den Gehirnen" der Studenten zu verankern.

Ebenfalls an einem Abend kurz nach dem Parteitag begann der Staatssender CCTV seine Nachrichten mit denkwürdigen vier Minuten ununterbrochenen Applauses verdienter Genossen für Xi Jinping. Die Parteiführer der Provinz Henan machten von sich reden, als sie zu einer Pilgerfahrt aufbrachen in den Landkreis Lankao, um dort einen Baum zu besuchen. Genauer: einen Blauglockenbaum, und zwar einen, den Parteichef Xi acht Jahre zuvor mit eigenen Händen gepflanzt hatte. Auf der Webseite ihrer Parteizelle war hernach zu lesen, wie die Gruppe in meditativer Ehrfurcht den Baum angestarrt und gleichzeitig "sorgfältig über die Mission der Kommunistischen Partei" reflektiert habe.

So viel Enthusiasmus für einen starken Mann war lange nicht mehr. Es war auch schon lange nicht mehr so viel starker Mann. Um genau zu sein: seit Maos Tod nicht mehr. Nach dem 19. Parteitag schrieb der Chinawissenschaftler Geremie Barmé in Anspielung auf die Machtkonzentration bei Xi Jinping, dieser sei jetzt "nicht mehr nur der Vorsitzende von allem und der Vorsitzende auf Lebenszeit, er ist jetzt auch noch der Vorsitzende von allen und der Vorsitzende von überall". Für einen echten Führerkult allerdings braucht es wohl auch einen "Führer" (chinesisch: lingxiu), und den Titel trug Xi da noch nicht. Das Wort bezeichne nämlich mehr als nur einen gewöhnlichen Führer, zitiert die Pekinger Global Times den Professor einer Parteischule in Chongqing: Tragen dürfe es nur "der mit dem größten Charisma, der Fähigste; der, zu dem die ganze Partei aufschaut". Gefragt ist ein Ausweis historischer Einzigartigkeit also - die blieb in der Parteigeschichte bislang Mao Zedong vorbehalten, dem "großen Führer", der daneben auch noch die Titel "großer Steuermann", "großer Oberbefehlshaber" und "großer Lehrer" trug.

Es hatte schon vergangenes Jahr vorsichtige Anläufe einiger Getreuer gegeben, die Xi Jinping ihren "Führer" nannten. Das Magazin der Parteihochschule, genannt die Wahrheitssuche, tat dies erstmals im August. "Auserwählt von der Geschichte, auserwählt vom Volk" sei Xi, schrieb das Magazin. In der Propaganda aber blieb Xi weiter nur "Kern" der vor nicht langer Zeit noch kollektiven Führung. Erst in den vergangenen Wochen und Tagen bekam Xi Jinping die Führerweihen offiziell verliehen: Am 17. Januar nannte ihn erstmals das Parteiblatt Volkszeitung lingxiu. Seit Freitag kursiert ein von der Volkszeitung und dem Staatssender CCTV gemeinsam produziertes Video, das dem "Führer des Volkes" huldigt. Der Clip zeigt, teils mit sphärischen Chorklängen unterlegt, wie Xi mit einfachen Bauern isst und den Spaten schwingt, wie er die Armut bekämpft und China wieder groß macht.

"Er kam aus dem Volk, er sorgte sich stets um das Volk", heißt es am Ende. "Und jetzt führt er uns in eine neue Ära." Die Volkszeitung betont in ihrem Artikel von Mitte Januar ausdrücklich, dass Xi auch deshalb den Ausnahme-Titel "Führer" verdient, weil er Chinas Sozialismus zum Modell für die Welt macht, weil er "die Gelegenheit beim Schopf packt" und das Land an die Spitze einer neuen globalen Ordnung hievt. "Die Welt braucht China", schreibt die Zeitung. Und da schwang mit, wenn auch unausgesprochen: Die Welt braucht einen solchen Führer.

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