China:Gauck muss in China deutliche Worte finden

Bundespräsident Gauck besucht China

Bundespräsident Gauck geht auf dem Flughafen von Peking an einem Ehrenspalier chinesischer Soldaten vorbei.

(Foto: dpa)

Kaum ein Staatsgast traut sich noch, die Führung in Peking zu kritisieren. Doch der Bundespräsident ist bekannt dafür, dass er das gut kann.

Kommentar von Kai Strittmatter

Manche Staatsbesuche sind spannender als andere. Dieser hier zum Beispiel: Bundespräsident Joachim Gauck besucht China, zum ersten Mal. Der ehemalige Bürgerrechtler und Opponent einer sozialistischen Regierung zu Gast bei einer sozialistischen Regierung, welche die Bürgerrechte gerade in den Schwitzkasten nimmt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Gaucks Gastgeber, Chinas Staatspräsident Xi Jinping, ist nun ziemlich genau drei Jahre im Amt. Das China von heute ist ein anderes als das vor Xis Amtsantritt: ein verschlosseneres, ein repressiveres Land.

China 2012, kurz vor Xis Machtübernahme, das war das offenste, lebendigste, debattierfreudigste China seit dem Frühjahr 1989. Es war gleichzeitig gepackt von einem alles durchdringenden Gefühl der Unsicherheit und Krise. Heute, drei Jahre später, herrschen an vielen Orten Stille und Furcht: an den Universitäten, in den Think-Tanks, in den Redaktionen und im Internet, aber auch in der Partei selbst. Die Verfolgung von Andersdenkenden wird unter Xi Jinping betrieben mit einer Verve wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Das Gefühl von Unsicherheit und Krise ist gleichwohl geblieben, bei manchen hat es sich verstärkt.

Gerade jetzt ist es wichtig, dass Gauck klare Worte findet

Dass Xi Jinping gerade jetzt die Schrauben anzieht, da die Wirtschaft lahmt, ist kein Zufall. Xi schließt die Burgtore und lässt neue Wehre errichten, weil er bald, wohl zu Recht, stürmischere Zeiten für seine KP vermutet. Um nichts anderes geht es ihm: den Erhalt der Parteiherrschaft. Im Zweifel opfert er dafür auch Reformen, die für das Land wichtig sind.

Überhaupt brach er zum Erstaunen vieler in den vergangenen drei Jahren mit bislang ehernen Regeln, die Deng Xiaoping der Partei und dem Land nach dem Chaos der Herrschaft Mao Zedongs verordnet hatte. Deng, der Architekt der Reform- und Öffnungspolitik, hatte einst gesagt, wenn man die Fenster öffne, dann müsse man in Kauf nehmen, dass auch ein paar Fliegen hereinschwirrten.

Xi scheint mittlerweile selbst die kleinsten Fliegen zu fürchten, lieber schließt er Fenster reihenweise. Das von Deng eingerichtete Prinzip der kollektiven Führung hat er ausgehebelt, Xi Jinping zieht alle Macht an sich und lässt sich als neuer "Kern" der Partei feiern.

Auf dem Volkskongress war die Zensur so erstickend wir lange nicht mehr

Die Partei hat unter Xi Reformen versprochen, die die Wirtschaft neu beleben sollen, gerade erst wieder beim vorige Woche zu Ende gegangenen Volkskongress. Dort war viel von Innovation die Rede, die China unbedingt brauche. Stimmt, nur wird das mit den Methoden Xis nicht funktionieren. Die versprochenen Reformen stecken fest - außer beim Umbau des chinesischen Fußballs.

Stattdessen mischt sich die Partei vielerorts wieder mehr ein als zuvor. Der Volkskongress war eine Illustration des neuen Klimas: Die Zensur war so erstickend wie nie in den vergangenen Jahren. Unzählige Male hat Xi dort den "Rechtsstaat" beschworen. Er meint damit aber etwas anderes als Gauck. Einmal sagte Xi - Mao zitierend -, das Recht müsse der "Schaft des Dolches in den Händen der Partei" sein. Etliche von Chinas Bürgerrechtsanwälten sitzen seit vergangenem Jahr im Gefängnis.

Gauck ist bekannt dafür, dass er im Umgang mit autoritären Herrschern klare Worte findet. In China ist jetzt der rechte Ort und der rechte Zeitpunkt hierfür. Es geht darum, den von der Willkür Verfolgten im Land, egal ob Anwälten, Journalisten oder Christen, den Rücken zu stärken. Aber auch Ausländer geraten zunehmend ins Visier des Sicherheitsapparates. Die neuen restriktiven Gesetzesentwürfe zur nationalen Sicherheit, zum Cyberspace und zu den NGOs haben Erschrecken und Proteste ausgelöst unter westlichen Unternehmern und Diplomaten.

China hat sich das Schweigen europäischer Länder erkauft

Deutliche Worte im Angesicht der Pekinger Führung sind umso wichtiger, da sie in China immer seltener ausgesprochen werden. Chinas Führung hat es geschafft, sich mit dem Lockruf großer Geschäfte das Stillschweigen vieler auch europäischer Länder zu erkaufen. Die Regierung in London ist dafür vielleicht das beschämendste, aber bei Weitem nicht das einzige Beispiel.

Umso mehr Gewicht haben die Stimmen, die sich noch trauen. Ja, China ist auf vielen Feldern - etwa im Fall Nordkorea oder beim Klimaschutz - Partner des Westens. Und doch geht es in Peking auch um die neue Unberechenbarkeit einer nationalistischen Politik, die zum Beispiel im südchinesischen Meer aus Sicht der Nachbarn zunehmend auch aggressive Züge trägt.

Und es geht darum, Chinas Führern zu zeigen, dass sie nicht recht haben mit ihrer zynischen Unterstellung, wonach das Interesse des Westens an Menschenrechten ohnehin nur behauptet, aber nicht echt sei. Ein Interesse, das man als Joker bei Geschäftsverhandlungen und im geostrategischen Pingpong einsetze, das aber jederzeit zum Verkauf stehe.

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