China:Erzwungene Rückreise

China: Joshua Wong ist erst 19 Jahre alt, hat sich in China aber schon viele Feinde gemacht. Am Flughafen Hongkong berichtete er von seiner Abschiebung aus Bangkok, wo er einen Vortrag halten wollte.

Joshua Wong ist erst 19 Jahre alt, hat sich in China aber schon viele Feinde gemacht. Am Flughafen Hongkong berichtete er von seiner Abschiebung aus Bangkok, wo er einen Vortrag halten wollte.

(Foto: Anthony Wallace/AFP)

Der junge Hongkonger Demokratie-Aktivist Joshua Wong soll in Bangkok einen Vortrag halten, scheitert aber bei der Einreise am Flughafen. Thailands Militärjunta will es sich offenbar mit der chinesischen Regierung nicht verscherzen.

Von Kai Strittmatter, Peking

Im Vorgehen gegen politisch missliebige Stimmen reicht Chinas Arm mittlerweile weit über die eigenen Grenzen hinaus. Die Hongkonger mussten dies erneut am Dienstag und Mittwoch feststellen: Da fand sich einer ihrer prominentesten Bürger, der 19-jährige Studentenführer Joshua Wong, für fast zwölf Stunden in einer Zelle der thailändischen Polizei wieder. Sie verwehrte ihm die Einreise offenbar auf Wunsch Pekings. Die thailändische Zeitung The Nation zitierte den stellvertretenden Kommandanten des Grenzschutzes am Flughafen Suvarnabhumi, man habe Wong "auf Verlangen Chinas" auf die schwarze Liste gesetzt, eingesperrt und zurück nach Hongkong deportiert.

Wong ist das bekannteste Gesicht der Hongkonger Regenschirmbewegung von 2014. Damals hatten Hunderttausende Demonstranten Teile der Innenstadt Hongkongs besetzt und von Peking ein Ende der zunehmenden Einmischung in die Autonomie der Stadt verlangt. Die Proteste brachten keinerlei Entgegenkommen Chinas, schufen aber in den Reihen der Hongkonger Jugend neue politische Kräfte. Joshua Wong ist heute Vorsitzender der jungen Partei Demosisto. Er war auf Einladung von Studenten nach Bangkok gereist, um an der Chulalongkorn-Universität einen Vortrag zu halten. Nach der Landung in der Nacht auf Mittwoch nahmen ihn offenbar mehr als zehn Polizeibeamte fest und erlaubten ihm bis zum Morgen keinen Kontakt zu einem Anwalt oder der Familie.

Am Mittwochnachmittag, unmittelbar nach seiner Abschiebung nach Hongkong, beschuldigte Joshua Wong Reportern gegenüber die Militärregierung von Thailand der politischen "Unterdrückung" und nannte seine Festnahme "illegal". 28 neue Abgeordnete des neugewählten Hongkonger Parlaments veröffentlichten am Mittwoch eine Erklärung, in der sie die thailändische Regierung verurteilten. Wong sei im Besitz gültiger Reisedokumente gewesen, habe nie thailändische Gesetze gebrochen. Sophie Richardson, die China-Expertin der Gruppe Human Rights Watch, sagte, der Zwischenfall lege nahe, dass "Bangkok traurigerweise bereit ist, Pekings Geschäfte zu erledigen." China habe offenbar Angst, dass Wong "seinen Einfluss in andere Länder trage", sagte Nathan Law. Der 26-Jährige war 2014 ebenfalls Studentenführer und wurde für Wongs Partei als jüngster Abgeordneter in das Parlament gewählt.

Die Militärjunta, die Thailand seit einem Putsch 2014 regiert, sucht mehr und mehr die Nähe Chinas. Die Abschiebung Wongs ist nur der jüngste Zwischenfall: Seit 2014 wurden auf Verlangen Pekings eine ganze Reihe chinesischer Dissidenten und uigurischer Flüchtlinge aus Thailand nach China zurückgeschickt. Der spektakulärste Fall war jener des Hongkonger Verlegers und Buchhändlers Gui Minhai, der vergangenen Oktober aus seinem Appartement im thailändischen Strandressort Pattaya verschwand und später in der Obhut des Sicherheitsapparates in China wieder auftauchte - allem Anschein nach von Agenten entführt. Auch aus Myanmar sind ähnliche Fälle bekannt. Und Joshua Wong selbst wurde schon einmal im Mai 2015 die Einreise nach Malaysia verwehrt. Damals erklärte ein malaysischer Regierungsvertreter, seine Land wolle "die Beziehungen zu China nicht aufs Spiel setzen."

In Hongkong haben die Fälle Sorge im Lager der Demokraten ausgelöst, die verlangen, dass Peking die bis 2047 zugesagte Autonomie der Stadt respektiert. "Das ist undenkbar, abscheulich", sagte Claudia Mo, langjährige Abgeordnete der Civic Party und eine der prominentesten Demokratinnen Hongkongs über Wongs Deportation. Wenn das Beispiel Schule mache, könne es bald jeden treffen: "Dich oder mich, falls Peking irgendwie auf die Idee kommt, wir seien gefährliche, nicht willkommene Individuen."

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