China:Die Taufe einer Seemacht

Die Volksrepublik präsentiert ihren ersten selbstgebauten Flugzeugträger. Präsident Xi möchte die Vormachtstellung im Süd- und Ostchinesischen Meer ausbauen. Die Nachbarländer beobachten dies mit Sorge.

Von Kai Strittmatter, Peking

China hat am Mittwoch in der Hafenstadt Dalian in Shandong seinen ersten selbstgebauten Flugzeugträger ins Wasser gelassen. Staatsmedien feierten den Stapellauf schon seit Tagen als großen Schritt der Nation auf dem von Partei- und Staatschef Xi Jinping vorgegebenen Weg zur Hochseemacht. China will nicht länger nur seine eigenen Küsten verteidigen, es will seine Interessen auch im Süd- und Ostchinesischen Meer, im Westpazifik und im Indischen Ozean sichern. China ist damit das siebte Land, das seine eigenen Flugzeugträger bauen kann, nach den USA, Russland, England, Frankreich, Italien und Spanien. Chinas Verteidigungsministerium nannte den Stapellauf in einer Erklärung einen "Schlüsselmoment" und einen "bedeutenden Markstein" für die Entwicklung der Marine. Das noch namenlose Schiff der Bauweise 001A wird wohl erst in drei Jahren voll einsatzbereit sein. Es ähnelt in Art und Ausstattung der Liaoning, dem ersten Flugzeugträger Chinas, der seit 2012 im Dienst der chinesischen Marine steht. Die Liaoning war allerdings kein chinesischer Eigenbau - China hatte das damals unfertige Schiff mithilfe einer Tarnfirma der Ukraine abgekauft und hernach umgebaut. Mit 315 Metern Länge und 70 000 Tonnen Verdrängung ist der neue Flugzeugträger ein wenig größer als die Liaoning, der er Experten zufolge ansonsten sehr ähnelt. Allerdings ist er moderner ausgerüstet und kann mehr von den chinesischen J-15-Kampfjets tragen. Von der Größe und Technik der zehn amerikanischen Flugzeugträger sind die chinesischen bislang weit entfernt. Der noch im Bau befindliche Flugzeugträger Gerald R. Ford, den die US-Marine bald in Dienst stellen wird, ist noch größer als Chinas neuer. Auch sind Chinas Flugzeugträger nicht nuklear, sondern konventionell betrieben. Chinas Kampfflieger müssen noch über einen "Ski-jump" starten, eine schanzenähnliche Rampe, während die USA dazu Katapulte benutzen. Das wird sich auch bei der nächsten Generation chinesischer Flugzeugträger nicht ändern, ein Schiff des Typs 002 soll 2021 in Shanghai vom Stapel laufen.

Die Zahl der Marineinfanteristen soll nun verfünffacht werden, von 20 000 auf 100 000

China arbeitet seit vielen Jahren an der Modernisierung seiner Armee, im Mittelpunkt steht dabei die Marine. Vor Kurzem meldete die Hongkonger South China Morning Post, die Zahl der Marineinfanteristen solle nun verfünffacht werden, von 20 000 auf 100 000. Und während auch chinesische Experten öffentlich kundtun, von einem Aufschließen zu den USA könne auf Jahre hinaus noch nicht die Rede sein, so ist das unmittelbare Ziel Chinas ein anderes: Das Land will die Vormachtstellung in der eigenen Region ausbauen. Hier ist das Land vor allem im Süd- und im Ostchinesischen Meer mit Nachbarn wie Vietnam, den Philippinen, Malaysia oder Japan in Territorialstreitigkeiten verwickelt. Unter Parteichef Xi Jinping schafft China dabei zunehmend Fakten, indem es Riffe zu Inseln aufschüttet und umstrittene Inseln zu Stützpunkten ausbaut, die auch militärisch genutzt werden können.

Die Pekinger Zeitung Global Times zitierte diese Woche einen Vertreter der Marine, der sagte, China brauche künftig je zwei Flugzeugträgergruppen im Westpazifik und im Indischen Ozean, "um Chinas Territorien und Interessen in Übersee zu schützen". Das mache insgesamt fünf bis sechs Flugzeugträger erforderlich. Die Presse des alten chinesischen Rivalen Indien läutete diese Woche schon die Alarmglocken. Von einer "neuen Bedrohung im Indischen Ozean" sprach etwa die indische Zeitung Economic Times. Indien brauche sich nicht zu fürchten, versuchte daraufhin ein chinesischer Rüstungsexperte in der Global Times zu beschwichtigen: "China sieht in Indien mehr einen Freund als einen Feind, weil die beiden keine maritimen Konflikte haben."

Der Stapellauf kommt zudem zu einem Zeitpunkt, da die Spannungen um die koreanische Halbinsel sich verschärfen. Um Nordkoreas Diktator Kim Jong-un einzuschüchtern und von einem weiteren Test einer Atomwaffe oder einer Interkontinentalrakete abzuhalten, hatte US-Präsident Donald Trump verkündet, er habe den amerikanischen Flugzeugträger Carl Vinson Richtung Nordkorea geschickt - später stellte sich allerdings heraus, dass das Schiff in Wirklichkeit noch Tausende Meilen entfernt war.

Gleichzeitig begannen die USA und Südkorea nun früher als erwartet mit dem Aufbau des sogenannten THAAD-Raketenschutzschirms in Südkorea. China protestierte am Mittwoch gegen diesen Schritt. Man habe "ernste Bedenken" gegen THAAD und diese den USA mitgeteilt, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. Die USA und Südkorea beteuern, THAAD sei nur eine Antwort auf die Bedrohung durch das nordkoreanische Regime. China sieht den Raketenabwehrschirm jedoch auch gegen sich gerichtet.

Der Chinaexperte an der Seekriegsakademie der US-Marine, Andrew S. Erickson, sieht im Umbau von Chinas Marine und im Schritt der traditionellen Landmacht hinaus auf die Meere "eine der wichtigsten Entwicklungen des Jahrhunderts". In einem Aufsatz auf seiner Webseite schätzt er, dass Chinas Marine schon 2020 die zweitgrößte der Erde sein wird. Die chinesische Kampfflotte könne bereits 2030 "quantitativ und vielleicht sogar qualitativ auf einer Ebene mit der US-Marine stehen".

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