China:Die Hacker von Einheit 61398

Chinese President Xi Jinping and First Lady Peng Liyuan arrive at Paine Field in Everett, Washington

Gut Wetter machen in Amerika: Xi Jinping mit seiner Frau Peng Liyuan bei ihrer Ankunft in den USA.

(Foto: David Ryder/Reuters)

Chinas Staatschef verurteilt in Seattle Cyberspionage - doch Washington reicht das nicht.

Von Kai Strittmatter, Peking

Die letzte große Cyberattacke auf die USA wurde erst diesen Sommer öffentlich: Hacker hatten sich Zugang zur Personalverwaltung der US-Regierung verschafft und die Daten von mehr als 20 Millionen Regierungsangestellten abgegriffen - Adressen, Sozialversicherungsnummern, Finanzstatus, von manchen sogar die Fingerabdrücke. Wahrscheinlich war es der größte Hackerangriff, den die USA bis heute erlebt hatten. Die Hintermänner des Angriffs vermuten die US-Behörden in China. Peking spricht bis heute von "grundlosen Anschuldigungen".

Wenn Chinas Staatspräsident Xi Jinping am Donnerstag in Washington eintrifft, dann weiß er, dass sein Gastgeber Barack Obama beim Staatsbankett nicht nur höflichen Smalltalk führen wird. Die Hackerangriffe aus China sind für die US-Regierung Top-Thema. Der Zorn auf Seiten Washingtons wächst. Auch deshalb sprach Xi Jinping bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in den USA das Thema direkt an. Allerdings blieb er im Defensivmodus, wiederholte das altbekannte Argument, wonach China selbst Opfer solcher Angriffe sei, und stritt jede Beteiligung seines Staates ab: Chinas Regierung werde sich niemals am "Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen oder am Eindringen in Regierungsnetzwerke beteiligen", sagte Xi bei einem Abendessen mit Geschäftsleuten in Seattle. Das seien vielmehr "Verbrechen, die bestraft werden müssen".

Gleichzeitig erklärte er seine Bereitschaft, "gemeinsam mit den USA einen hochrangigen gemeinsamen Dialogmechanismus einzurichten, um Cyberverbrechen zu bekämpfen". Das wird den USA nicht reichen. Spätestens seit dem Frühjahr 2013 halten Experten, Politiker und Öffentlichkeit die Beteiligung staatlich unterstützter Hintermänner an den Angriffen für erwiesen. Damals veröffentlichte die Computer-Sicherheitsfirma Mandiant einen Bericht über eine Hackergruppe, die über Jahre hinweg in die Netzwerke von mindestens 141 Unternehmen wie Coca-Cola und Lockheed eingebrochen war. Rüstung, Chemie, Telekommunikation - mehr als 20 Industriezweige waren offenbar systematisch ausgespäht worden.

Von besonderer Brisanz war der Mandiant-Bericht deshalb, weil er den Ort genau lokalisierte, von dem aus die Angriffe lanciert worden waren: ein unscheinbares Bürogebäude in Shanghai, in dem die auf Cyber-Kriegsführung spezialisierte Einheit 61398 der Volksbefreiungsarmee logierte.

Jahrelang hielt sich die Regierung Obama aus Rücksicht auf das Verhältnis zu China mit öffentlichen Schuldzuweisungen zurück. "Selbstgefällig und faul" nannte die Washington Post deshalb die Cyber-Sicherheitspolitik Obamas. Mittlerweile aber hat die Geduld ein Ende. Im vorigen Jahr berichtete das FBI von einem Anstieg der Zahl der chinesischen Hackerangriffe auf US-Firmen um 53 Prozent. Obama nahm gleich zwei Mal in den letzten Wochen Stellung. Er wisse, dass alle Regierungen versuchten, einander auszuspionieren, sagte er vor einer Woche; aber was chinesische Hackergruppen täten, sei etwas völlig anderes. Es gehe um Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen, Patientendaten und Industriespionage in historisch ungekanntem Ausmaß. Das sei eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit" und "ein Akt der Aggression, der aufhören muss".

US-Medien berichteten, ihre Regierung erwäge erstmals Sanktionen gegen China, eine Drohung, die ihre Wirkung nicht verfehlte: Zwei Wochen vor dem Gipfel von Xi und Obama reiste überraschend Meng Jianzhu nach Washington, enger Berater des chinesischen Partei- und Staatschefs. Der Sprecher des Weißen Hauses erklärte hernach, man habe dem Pekinger Emissär vier volle Tage lang "ziemlich unverblümt" die Verärgerung der US-Regierung auseinandergesetzt.

Mit Erfolg? Das wird sich zeigen. Die New York Times berichtete von Verhandlungen hinter den Kulissen, die zum weltweit ersten Rüstungskontrollabkommen im Cyberspace führen könnten: Demnach wollten sich beide Länder verpflichten, nicht in einem Erstschlag Cyberwaffen einzusetzen, welche die kritische Infrastruktur des jeweils anderen Landes, also Energieversorgung oder Telekommunikation, ausschalten könnte. Ob ein solches Abkommen zustande kommt, ist noch nicht klar. Klar ist allerdings, dass es den größten Streitpunkt - nämlich die Wirtschaftsspionage - ausklammert. So aber, schreibt im Portal ChinaFile der Chinabeobachter Rogier Creemers von der Universität Oxford, wäre ein eventuelles Abkommen "nur eine leere Geste". Die schlechte Nachricht sei, so sein Fazit: "Irritationen und Spannungen werden in dem Verhältnis erhalten bleiben.

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