China:Peking empfängt Aung San Suu Kyi

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Aung San Suu Kyi wird feierlich am Yangon International Airport in China empfangen. (Foto: AP)
  • Die Regierung in Peking empfängt die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi aus Myanmar.
  • China trägt damit dem politischen Wandel in dem südostasiatischen Land Rechnung und erkennt die wachsende Bedeutung der Oppositionsführerin an.
  • Jahrzehntelang hatte Peking die Militärjunta in Myanmar gestützt, mittlerweile ist das Verhältnis zum dem Regime angespannt.
  • Dahinter stecken handfeste wirtschaftliche Interessen: China ist vor allem an Rohstoffen in dem südlichen Nachbarland interessiert.

Von Kai Strittmatter, Peking

Bei Pekings Staatsführern geben sich Besucher die Klinke in die Hand, aber dieser Besuch ist doch eine Überraschung. Gleich "doppelt ungewöhnlich" sei er, hieß es in einem Kommentar auf einem WeChat-Konto des Parteiblattes Volkszeitung: Da komme "eine ungewöhnliche Politikerin" zu einem "ungewöhnlichen Zeitpunkt". Tatsächlich. Aung San Suu Kyi besucht China auf Einladung der Kommunistischen Partei. Die Oppositionsführerin von Myanmar beim Tête-à-tête mit Chinas Präsident Xi Jinping und Premier Li Keqiang. Das war bis vor Kurzem noch ein kaum vorstellbares Bild.

Und jetzt rollt China gleich für fünf Tage den roten Teppich aus, vom 10. bis 14. Juni. Für eine Frau, die als Vorkämpferin für Demokratie gilt. Suu Kyi nennt die These asiatischer Autokraten absurd, wonach Asien für Freiheit und Demokratie ungeeignet sei. Für ihren Kampf erhielt sie im Jahr 1991 den Friedensnobelpreis.

"China hegt keinen Groll wegen vergangener Unfreundlichkeiten"

Bislang war von Pekings Herz für Demokraten und Friedensnobelpreisträger eher wenig bekannt: Der Autor Liu Xiaobo, als Preisträger seit 2010 Suu Kyis Kollege, sitzt bis heute in einem Gefängnis bei Peking. Aber, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua: "China heißt jeden willkommen, der gute Absichten hat und hegt keinen Groll wegen vergangener Unfreundlichkeiten."

Wie das mit dem Groll auf Seiten Suu Kyis aussieht, ist nicht bekannt, in den beinahe zwei Jahrzehnten jedenfalls, in denen die Militärjunta sie ihrer Freiheit beraubte, war es die Regierung in Peking, die eben diese international isolierte Junta unterstützte und finanzierte. Noch 2012 wurde ein Kinofilm über das Leben Suu Kyis in China von der Zensur verboten.

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Das Bild, das die Öffentlichkeit von Myanmars Friedens-Ikone Aung San Suu Kyi hatte, war von Opferbereitschaft und weisen Worten geprägt. Für die unterdrückte muslimische Minderheit der Rohingyas aber hat sie kein gutes Wort übrig.

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Die Dinge aber haben sich gewandelt, seit die Regierung von Myanmar vor mehr als vier Jahren mit einem Mal eine vorsichtige Liberalisierung einleitete, Aung San Suu Kyi die Freiheit schenkte und die Fühler zu Ländern wie den USA und Indien ausstreckte - eine Kehrtwende, die die Machthaber in Peking offenbar kalt erwischte.

Die Kontaktaufnahme nun entspringt wohl nüchternem, realpolitischem Kalkül auf beiden Seiten: Aung San Suu Kyi ist dabei, von einer zur Passivität verurteilten Ikone zur aktiven Politikerin zu werden. Dem Wandel ist wahrscheinlich auch ihr stark kritisiertes Schweigen zur Verfolgung der muslimischen Rohingya in ihrer Heimat geschuldet.

In einem halben Jahr wird gewählt in Myanmar, es sind die ersten freien Wahlen nach der Diktatur, Suu Kyis Nationaler Liga für Demokratie wird ein Erfolg vorhergesagt. Und selbst wenn die von den Militärs diktierte Verfassung sie zunächst für die Präsidentschaft disqualifiziert, weil ihre Kinder britische Staatsbürger sind, so wissen auch die Führer in Peking, dass Suu Kyi im künftigen Myanmar eine der einflussreichsten Stimmen sein wird.

Suu Kyi selbst sprach in letzter Zeit oft von dem "wichtigen, mächtigen Nachbarn" China. Chinas Agentur Xinhua zitierte wohlwollend ihren Spruch, wonach die Geografie bei solchen Nachbarn, selbst wenn sie sich zankten wie ein altes Ehepaar, Scheidung als Option schlicht ausschließe.

Kampfflieger und Kriegsschiffe im Tausch für Straßen, Gold und Jade

Für China wiederum steht zu viel auf dem Spiel im kleinen, aber strategisch wichtigen Myanmar, als dass man das Land einfach den Rivalen als Spielfeld überließe. In den letzten Jahrzehnten finanzierte Peking das Regime in Rangun, gab Kredite, lieferte Kampfflieger und Kriegsschiffe, baute Straßen, Brücken, Pipelines und Häfen, und behandelte das Land dafür wie seinen Hinterhof: Nicht nur das Gold, die Jade und die Edelsteine Myanmars flossen zum größten Teil nach Norden über die Grenze, der Wirtschafts- und Bauboom in China schluckte auch sämtlichen Kautschuk und sämtliches Holz, das das Land zu liefern imstande war.

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Chinesische Firmen brachten ihre Arbeiter meist gleich selbst mit, die Entwaldung großer Teile des Nordens sind nur eine Folge davon. Öl- und Gaspipelines hoch in die Provinz Yunnan sollen Chinas Energiehunger stillen, dazu dient auch der von den Chinesen gebaute Tiefseehafen Kyaukpyu. Abhörstationen des chinesischen Militärs auf Inseln Myanmars im Indischen Ozean helfen China im Wettstreit mit Indien.

Angespannte Beziehungen zwischen China und Myanmars Regierung

Die ökologische Zerstörung vielerorts und die Tatsache, dass korrupte Juntamitglieder ihre Geschäfte mit China über die Köpfe des Volkes hinweg machten, sorgten dafür, dass China ein denkbar schlechtes Image hat bei den Menschen in Myanmar. Als die Regierung in Myanmar 2011 den Bau des Myitsone-Dammes im Norden, ein 3,6-Milliarden-Dollar-Projekt der Chinesen, über Nacht stoppte, war bei der Bevölkerung der Gegend die Freude so groß wie die Überraschung in Peking. Aung San Suu Kyi war eine der stärksten Gegnerinnen des Projekts.

Aber schon zwei Jahre später trat Suu Kyi in einer neuen Rolle auf: Im erbitterten Streit um die Letpadaung-Kupfermine trat sie als Vermittlerin auf zwischen verbitterten heimischen Bauern auf der einen Seite und der Betreiberfirma auf der anderen, ein Joint Venture von Myanmars Armee mit einer chinesischen Rüstungsfirma. Und im vergangenen Jahr wurden Abgesandte von Chinas KP mehrmals bei der Nationalen Liga für Demokratie vorstellig. "China schlägt in seinen Beziehungen zur Opposition von Myanmar ein neues Kapitel auf", sagte damals der NLD-Funktionär U Nyein Thint.

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Von Kai Strittmatter

Nicht zuletzt ist der Empfang in Peking nun ein Signal an Myanmars Präsidenten Thein Sein. Seit Myanmars Armee im März im Kampf gegen Kokang-Rebellen im Norden versehentlich Bomben auf der chinesischen Seite abwarf und fünf Menschen tötete, sind die Beziehungen noch ein wenig angespannter als zuletzt ohnehin.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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