Serbengeneral vor UN-Tribunal:Ankläger geißeln Mladics "Handwerk des Mordens"

Mehrere Stunden dauert alleine die Verlesung der Anklageschrift: In Den Haag muss sich der ehemalige Serbengeneral Ratko Mladic für die schlimmsten Gräueltaten in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg verantworten. Der Angeklagte verfolgt den Prozessauftakt gelassen. Gleich zu Beginn der Verhandlung wirft der Richter der Anklage Fehler vor.

Als der "Schlächter von Srebrenica" den Gerichtssaal betritt, reckt er die Daumen in die Höhe, dann klatscht er in die Hände. Nahezu regungslos hört der 70-Jährige (Das Kriegsverbrechertribunal gibt Mladics Geburtstag mit dem 12. März 1942 an; er selbst nennt als sein Geburtsjahr allerdings 1943) später zu, wie Verbrechen geschildert werden, für die er in diesem Prozess zur Rechenschaft gezogen werden soll. Von Zeit zu Zeit verzieht er geringschätzig den Mund und spielt mit seiner Lesebrille, die er pausenlos auf- und absetzt.

Radko Mladic, dem früheren Armeechef der bosnischen Serben, wird von diesem Mittwoch an vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien der Prozess gemacht. Er muss sich für die schlimmsten Gräueltaten in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg verantworten. Er ist in elf Punkten wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeklagt. Unter anderem soll er eine zentrale Rolle bei dem Massaker von Srebrenica 1995 mit etwa 8000 Toten und der jahrelangen Belagerung von Sarajevo mit Tausenden Opfern während des Bosnienkriegs gespielt haben. Unter den Zuhörern im Saal sind auch Angehörige der Opfer von Srebrenica.

"Als Mladic und seine Soldaten Tausende in Srebrenica ermordeten, waren sie im Handwerk des Mordens gut geübt", sagt Ankläger Dermot Groome zu Beginn. Er zeigt Videoaufnahmen von einem Markt auf dem Markale-Platz in Sarajevo nach einem Beschuss, bei dem Dutzende Menschen ums Leben kamen. Alle Angriffe seien Teil des Plans gewesen, aus Teilen von Bosnien alle Nichtserben zu vertreiben, erklärt der Ankläger.

Mladic, der einen dunklen Anzug und ein helles Hemd mit dunkel gemusterter Krawatte trägt, macht sich bei Groomes Vortrag immer wieder Notizen. Zum Auftakt des Verfahrens wird die Anklageschrift verlesen, dafür sind sechs Stunden eingeplant. Von Mladic oder seinen Anwälten werden am ersten Tag keine Stellungnahmen erwartet.

Bei seiner Verhaftung vor einem Jahr war Mladic schwer krank. Nun wirkt er körperlich gesund und ausgeruht. Bei Anhörungen vor dem Prozess hatte er sich nicht ausführlich zur Anklage geäußert, diese aber als "monströs und ekelhaft" bezeichnet. Mladic geht als letzte Führungsfigur der bosnischen Serben aus der Zeit der Balkankriege vor Gericht, obwohl er 1995 als einer der Ersten angeklagt wurde. Er lebte jahrelang unbehelligt in Belgrad und wurde erst im vergangenen Jahr im Norden Serbiens festgenommen.

Fehler der Anklage sorgen für Verzögerung

Gleich zu Beginn der Verhandlung hat der Vorsitzende Richter Alphons Orie erklärt, das Gericht erwäge eine Verschiebung der Beweisaufnahme, die eigentlich am 29. Mai beginnen sollte. Zur Begründung nannte er Fehler der Anklage bei der Offenlegung von Beweisen gegenüber der Verteidigung.

Ankläger Groome legte keinen Widerspruch ein, auch wenn die Zeit drängt: Am 1. Juli 2013 läuft das Mandat des UN-Tribunals aus. Der Mladic-Prozess soll zwar noch länger fortgesetzt werden, bis etwa 2015, doch es fließt dann deutlich weniger Geld. Außerdem befürchten die Ankläger, dass Mladic den ohnehin komplexen Prozess unnötig verzögert. Kurz vor Prozessbeginn hatte er beantragt, dass der Vorsitzende Richter ausgewechselt wird, das Gesuch wurde aber abgelehnt.

Slobodan Milosevic, der frühere jugoslawische und serbische Machthaber, der ebenfalls für die willkürlichen Hinrichtungen in Srebrenica verantwortlich gemacht wurde, starb 2006 vor dem Ende seines Prozesses.

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