Charlottesville:Rassisten-Aufmarsch endet in Chaos und Gewalt

  • Bei einem Aufmarsch ultrarechter Gruppen in Charlottesville, Virginia, sind Rechtsextremisten und Gegendemonstranten aneinandergeraten.
  • Ein Auto raste in eine Menschenmenge, eine Frau kam dabei ums Leben. Beim Absturz eines Polizeihubschraubers starben zwei Polizisten. 33 Menschen wurden bei den Kämpfen verletzt.
  • Präsident Trump verurteite die Gewalt von "beiden Seiten". Kritik wurde laut, weil er die Taten nicht ausdrücklich als rassistische Terrorattacken bezeichnen wollte.

Von Beate Wild

Ein Aufmarsch von Hunderten Rechtsradikalen, Neonazis und Ku-Klux-Klan-Anhängern ist am Samstag im US-amerikanischen Charlottesville, Virginia, in Chaos und Gewalt ausgeartet. Eine 32-jährige Frau kam ums Leben, nachdem ein Auto in eine Menge von Gegendemonstranten in einer Fußgängerzone raste. Mindestens 33 Personen wurden verletzt, fünf davon schwer. In der Nähe des Demonstrationsortes stürzte außerdem ein Polizeihubschrauber ab, der wegen der Unruhen im Einsatz war. Zwei Polizisten starben.

Der mutmaßliche Angriff mit dem Auto ereignete sich am frühen Nachmittag, nachdem die Polizei die Demonstration offiziell bereits abgebrochen hatte. Zuvor hatten sich die Rechtsradikalen mit den Gegendemonstranten - unter ihnen Religionsführer, Aktivisten der Organisation "Black Lives Matter" und Antifa-Gruppen - heftige Kämpfe geliefert.

Die Rechtsextremen waren an diesem Wochenende nach Charlottesville gekommen, um gegen den von der Stadt beschlossenen Abbau einer Statue von Robert E. Lee, dem General einer Südstaaten-Armeen im Bürgerkrieg, aus dem Stadtpark zu protestieren. Bereits am Freitagabend waren mehrere Hundert weiße Nationalisten und Rechtsradikale mit Fackeln in altbekannter Ku-Klux-Klan-Manier auf dem Uni-Gelände aufmarschiert und hatten "Juden werden uns nicht ersetzen" skandiert.

Politiker beider Parteien verurteilten die Unruhen und gaben den weißen Rassisten und Rechtsextremen die Schuld an der Eskalation. Paul Ryan, Sprecher des Abgeordnetenhauses, nannte die Vorkommnisse in Charlottesville "widerwärtig". Ex-Präsident Barack Obama zitierte Nelson Mandela: "Niemand wird so geboren, dass er eine andere Person wegen seiner Hautfarbe, seines Hintergrunds oder seiner Religion hasst ..."

Präsident Donald Trump konnte sich nicht dazu durchringen, die Taten als Anschlag der Rechten zu verurteilen. In einer Pressekonferenz sagte er, er verdamme Hass, Fanatismus und Gewalt von "beiden Seiten". Auf Twitter rief er zur Einheit der Amerikaner auf: "Wir alle müssen vereint sein und den Hass verurteilen. Es gibt keinen Platz für diese Gewalt in Amerika. Lasst uns zusammenkommen als eins!"

"Tat als Terrorattacke von weißen Rassisten verurteilen"

David Duke, früherer Anführer des Ku-Klux-Klans und Trump-Unterstützer, der am Samstag ebenfalls in Charlottesville war, antwortete ihm daraufhin auf Twitter: "Ich würde dir raten, einen guten Blick in den Spiegel zu werfen und dich daran zu erinnern, dass es die weißen Amerikaner waren, die dir zur Präsidentschaft verholfen haben, nicht die radikalen Linken."

Duke sagte in Charlottesville zu Reportern: "Das repräsentiert einen Wendepunkt für unsere Leute in diesem Land. Wir sind entschlossen, uns unser Land zurückzuholen. Wir werden die Versprechen von Donald Trump erfüllen. Das ist, an was wir glauben. Das ist, warum wir Donald Trump gewählt haben. Weil er gesagt hat, dass er uns unser Land zurückgibt."

"Bedrohung unserer Demokratie"

Die republikanischen Senatoren Marco Rubio (Florida) und Cory Gardner (Colorado) forderten, der Präsident müsse die Ausschreitungen deutlich als Werk der Rechten verurteilen: "Es ist sehr wichtig für die Nation zu hören, dass der Präsident die Ereignisse in Charlottesville als das beschreibt, was sie sind, eine Terrorattacke von weißen Rassisten", sagte Rubio. Und Gardner betonte: "Mr. President - wir müssen das Böse bei seinem Namen nennen. Das waren weiße Rassisten und das war heimischer Terrorismus."

Trump würde die Bedrohung durch weiße, rassistische Gewalt herunterspielen, sagte Richard Cohen, Präsident der Bürgerrechtsorganisation "Southern Poverty Law Center". "Diese faschistische Bewegung bedroht uns nicht nur mit extremer Gewalt, sie bedroht auch unsere Demokratie", so Cohen weiter. Auch wenn Trump das Land zur Einheit aufrufe, wolle er nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass er an seiner Spaltung mit Schuld sei.

In Charlottesville trugen Dutzende Rechtsextreme rote Baseballkappen mit Trumps Wahlkampfslogan "Make Amerika Great Again". Als er bei der Pressekonferenz, die er auf seinem Golfplatz in New Jersey hielt, von einem Reporter gefragt wurde, ob er die Unterstützung von weißen Nationalisten wolle, gab Trump keine Antwort.

Videoaufnahmen zeigen, wie das Auto in Charlottesville in die Menschengruppe fährt. Zu sehen ist, wie sich nach der Auflösung der Demo Gegendemonstranten offenbar auf den Heimweg machen. Drei Autos versuchen die Menschenmenge zu durchqueren, als plötzlich eines von ihnen stark beschleunigt und in die Fußgänger rast. Angefahrene Menschen werden durch die Luft geschleudert und stürzen zu Boden. Andere versuchen zu fliehen, Panik bricht aus.

Als das Auto mit hoher Geschwindigkeit zurücksetzt, trifft es noch mehr Menschen. Zeugen berichten, das Auto sei augenscheinlich absichtlich in die Menge mit den Demonstranten gefahren. Der Fahrer des Wagens, der 20-jährige James Alex Fields Jr. aus Ohio, wurde festgenommen. Inzwischen hat die US-Bundespolizei FBI den Fall von der örtlichen Polizei übernommen und ermittelt wegen möglicher Verstoße gegen Bürgerrechtsgesetze. Justizminister Jeff Sessions sagte die volle Unterstützung seines Ministerium zu.

Die Nachrichtenseite ProPublica gibt auch der Polizei Schuld an der Gewalteskalation in Charlottesville. Sie sei zu lange nicht eingeschritten. Die Beamten seien in Kampfmontur schweigend daneben gestanden und hätten lange nur zugesehen, wie die beiden Gruppen aneinander gerieten.

"Geht heim. Ihr seid hier unerwünscht"

Virginias demokratischer Gouverneur Terry McAuliffe rief bereits am Samstagvormittag den Notstand aus. Er sagte, er sei "abgestoßen von dem Hass, dem Fanatismus und der Gewalt". McAuliffe zufolge waren die meisten gewalttätigen Demonstranten extra von auswärts angereist. "An alle weißen Rassisten und Nazis, die heute nach Charlottesville gekommen sind: Geht heim. Ihr seid hier in dieser großartigen Gemeinschaft nicht erwünscht", sagte McAuliffe.

In vielen US-Städten wie New York und Atlanta trafen sich am Samstagabend Menschen, um der Toten und Verletzten von Charlottesville zu gedenken. Zudem wurden vielerorts Spenden gesammelt, um die medizinischen Kosten der Opfer zu decken.

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