Chaos in der CSU:Beten und putschen

Ein solcher Aufstieg ist selbst der CSU zuviel. Wie ein Stadtrat die Regensburger Christsozialen in die Spaltung treibt.

Rudolf Neumaier

Die Idee mit dem Beten war bizarr. Doch es war klar, dass irgendwann auch dieser Vorschlag kommen musste, in Regensburg blüht nämlich noch die Gottesfurcht, und der Konflikt hatte eine Eskalationsstufe erreicht, auf der irdische Kräfte wie ein CSU-Generalsekretär ihn nicht mehr zu lösen vermochten.

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Der Herausforderer: Thomas Fürst.

(Foto: Foto: dpa)

Also verfasste die Mittelbayerische Zeitung einen Kommentar: Darin beschwor sie Oberbürgermeister Hans Schaidinger und den Stadtrat Thomas Fürst, gemeinsam zu beten. Bislang haben die beiden den Appell ausgeschlagen.

Und sie werden sich alsbald auch sonst nicht zusammenfinden, denn das wäre in etwa so wundersam wie eine weinende Madonna mit echten Tränen, und an solche Wunder glauben nicht einmal die Regensburger.

Eine Stadt, in der es vor ehrwürdiger Geistlichkeit nur so wimmelt, ist ein ideales Biotop für einen Mann wie Thomas Fürst, 35. Schon vor zehn Jahren, als Vorsitzender der Jungen Union, hat er den Klerus für sich gewonnen: Vor den Weihnachtsfeiern, die regelmäßig in Gelage ausarteten, beorderte er seine Entourage zum Gottesdienst beim Prälaten - und er selbst stand als Messdiener vor dem Altar.

Horst-Wessel-Lied und Porno-Film

Fürst ist sehr katholisch, einerseits. Andererseits haftet ihm seit dieser Zeit auch ein rechtsradikales Image an, weil er als 23-Jähriger in seinem Partykeller neben einer Hakenkreuz-Fahne das Horst-Wessel-Lied gegrölt haben soll, während ein Porno-Film lief. Heute spricht er über frühere Eskapaden, als handle es sich um lässliche Jugendsünden.

Dieser Thomas Fürst hat die Regensburger CSU in zwei Lager zersetzt und damit einen Streit entfacht, der so einzigartig ist, dass er die Christsozialen weit über die Stadt hinaus erschüttert. In Regensburg spricht man nur noch vom Fürst-Lager und vom Schaidinger-Lager. Und vom Showdown. Damit ist der Tag gemeint, an dem sich die beiden Gruppen mit offenem Visier begegneten: Bei der Versammlung der Kreisdelegierten eine Woche vor Ostern hatten 122 Parteimitglieder einen neuen Vorstand zu wählen.

Der Mann des Fürst-Lagers, der 47-jährige Rechtsanwalt Franz Rieger, gewann mit vier Stimmen Mehrheit. Hätte der Schaidinger-Kandidat gewonnen, wäre vermutlich schnell Ruhe eingekehrt. Nun aber ist mit allem zu rechnen - sogar damit, dass der Großteil der CSU-Stadträte und der Oberbürgermeister im März 2008 auf einer separaten Liste in die Kommunalwahl gehen. Auf einer Liste ohne Fürst.

Das wäre ziemlich verheerend für die CSU, die noch die absolute Mehrheit im Regensburger Stadtrat innehat. Wie der neue Kreisvorsitzende Rieger die Lager vereinen will, bleibt sein Geheimnis.

Prachtexemplar von Rathauschef

Regensburg ist eigentlich eine Stadt, wie sie CSU-Chef Edmund Stoiber liebt. Sie gehört zu den zehn florierendsten Industriestandorten in Deutschland. Was sich die CSU-Fraktion selbstbewusst als ihre Errungenschaft, aber vor allem als Erfolg ihres Oberbürgermeisters auf die Fahne heftet.

Die Parteileitung in München feiert Schaidinger, 58, als Helden in der Provinz, als Prachtexemplar von Rathauschef. "Der Schaidinger ist unser Mann", sagt Generalsekretär Markus Söder und bedauert, dass die CSU in München, Nürnberg oder Augsburg keine Politiker mit ähnlichem Format hat. Dort regieren SPD-Männer.

Für Joachim Graf verkörpern Schaidinger und Fürst zwei unterschiedliche Bedeutungen des C in der CSU. Graf ist Stadtrat der kleinen ÖDP, nicht ohne Stolz aber erwähnt er, sein Vater habe zur Gründerriege der CSU gezählt. "Bei der Fürst-Gruppe", sagt Graf, "steht das C für ein Christentum mittelalterlicher Prägung. Das geht in Richtung Inquisition."

Schaidinger hingegen sieht er als einen Verfechter des Kapitalismus. "Hier heißt das C cash." Und seine Ausrichtung auf das Wirtschaftswachstum verfolge Schaidinger, der auch Präsident des Bayerischen Städtetages ist, unerbittlich.

Viele sagen, wenn der Oberbürgermeister jovialer wäre, böte er keine Angriffsfläche. Der Betriebswirt Schaidinger ist ein Mann, der schnell denkt und konsequent handelt. Ein Autokrat - ein Überbürgermeister. Sobald er aber behelligt wird von Leuten, die seinen Plänen nicht folgen können oder wollen, büßt er seine Souveränität ein.

Ein seltsames Sammelsurium

Andere Meinungen fasst er als Affront auf, und gerade über ältere Mitglieder des Fürst-Lagers gibt es Geschichten, wie Schaidinger sie in aller Öffentlichkeit bloßstellte, weil sie Einwände zu äußern gewagt hatten. Fürst tröstete die Düpierten dankbar, nun zahlen sie Schaidinger seine Arroganz heim.

Das Fürst-Lager ist ein seltsames Sammelsurium. Ihm gehören Schaidinger-Opfer an, Studenten, Wirte von Szenelokalen, aber auch Mitglieder von Studentenverbindungen und der erzkatholischen Marianischen Männercongregation.

Beten und putschen

Fürst ließ sich schon lange keine rechtsradikalen Torheiten mehr zuschulden kommen. Er distanziert sich von der NPD, was die Rechtsextremen nicht davon abhält, ihn, gemeinsamer Ziele wegen, zu unterstützen. Allerdings umgibt er sich seit seiner Zeit in der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Rupertia immer wieder mit Anhängern extremer Anschauungen.

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Der Titelverteidiger: Hans Schaidinger.

(Foto: Foto: ddp)

Ein enger Weggefährte forderte Parteikollegen zufolge über Jahre hinweg, den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider als Redner einzuladen. Ein anderer Freund soll JU-Neumitgliedern wärmstens die Junge Freiheit empfohlen haben, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird - sein Name steht auch im Internet auf einer Unterstützer-Liste der Zeitung.

Der Geist, der in der lange Jahre von Fürst geführten Jungen Union herrscht, manifestiert sich dann auch durch E-Mails, in denen sich Mitglieder mit den Kürzeln BVS und RJF anreden. BVS steht für Baldur von Schirach, RJF für Reichsjugendführer. Die jungen Männer, die Hitlers Reichsjugendführer gedachten, gehören heute Fürsts Lager an.

Die Etablierten übertölpelt

Und Fürsts Leibvater in der Studentenverbindung, der Regensburger Stadtrat Gero Kollmer, 35, wird mit der Einlassung zitiert, Menschen schwarzer Hautfarbe seien wie Tiere. Fürst ist mit Kollmer so eng befreundet, dass er mit ihm Segelausflüge unternimmt. Für den Kreisvorstand hat er ihn allerdings nicht mehr vorgeschlagen - was viele in der Regensburger CSU als indirektes Eingeständnis der Vorwürfe gegen Kollmer werten. Kollmer bestreitet die Äußerungen und gibt inzwischen keine Interviews mehr.

Oberbürgermeister Schaidinger räumt ein, es sei ein Fehler gewesen, nicht viel früher etwas unternommen zu haben gegen Fürst. Der Kreisvorstand hat über Jahre hinweg einschlägige Hinweise bekommen, aber sie wurden ignoriert.

Also spann Fürst in aller Ruhe sein Netzwerk, bis die Etablierten in der CSU feststellten, dass er sie alsbald übertölpeln würde, weil er dazu überging, altgediente Parteigrößen als Delegierte abwählen zu lassen und durch willfährige Kräfte zu ersetzen.

Beten und putschen

In der Münchner Parteizentrale ist Fürst als "kleiner Hinterzimmer-Stratege" bekannt. Vor allem habe er sachpolitisch noch nie etwas zuwege gebracht, sagt ein CSU-Grande und bestätigt die Beobachtungen, die in Regensburg viele machen.

Fürst, der Empordrängling

ÖDP-Stadtrat Graf kann sich ebenso an keinen einzigen Beitrag Fürsts erinnern wie Manfred Weber. Unter Weber war Fürst stellvertretender JU-Landesvorsitzender. Für politische Arbeit sei Fürst nie zu haben gewesen, er habe mit dem Mobiltelefon seine Seilschaften geknüpft und seine Karriere auf diese Weise vorangetrieben, während die anderen über Sachthemen diskutierten.

Auch bei der entscheidenden Sitzung des Kreisvorstandes war Thomas Fürst fleißig mit seinem Handy beschäftigt, mit dem Empfangen und Senden von Kurzmitteilungen, während der scheidende Vorsitzende über maßlosen persönlichen Ehrgeiz schwadronierte.

Fürst, der Empordrängling, hat alle Gruppen seines Lagers unter Kontrolle. Fragen nach Rechtsradikalen in seinem Umfeld pariert er freundlich. "Davon weiß ich nichts" und "Damit habe ich nichts zu tun", lauten Standardantworten. Dass er Parteiämter anstrebe, mein Gott, sagt er, was sei so schlimm daran - schließlich habe er sich "20 Jahre den Arsch aufgerissen".

Einer seiner treuesten Gefährten ist Markus Spitzer, Präses der Marianischen Männercongregation. Damit er Fürst im politischen Kampf gegen die Schwangerschaftsberatung Donum Vitae unter die Arme greifen kann, hat er eigens sein Heimatdorf im Landkreis verlassen und ein Zimmer beim Prälaten Heinrich Wachter in der Stadt bezogen.

Newsletter aus dem Vatikan

Der Prälat, so Spitzer, stehe auf ihrer Seite, für Fürst ringe sich der Kirchenmann sogar dazu durch, die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten am Sonntag gutzuheißen, er poche aber andererseits darauf, dass Fürst die "gschlamperte Beziehung" mit seiner Lebensgefährtin bald durch die Eheschließung beende.

Am Tag, als sich Fundamentalkatholizismus und Kapitalismus bei der Kreisversammlung in einem Wirtshaussaal begegneten, hatte Spitzer frühmorgens einen Gottesdienst organisiert. Der innere Kreis des Fürst-Lagers begab sich in eine Kapelle, um mit dem Prälaten Wachter und dem Domkapellmeister Georg Ratzinger die Messe zu feiern.

Grund für diese Morgenandacht war, wie Spitzer sagt, ein Newsletter aus dem Vatikan. Darin hieß es: Menschen, die in ein politisches Amt streben, sollen sich vor dem Altar prüfen.

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