CDU/CSU-Fraktionssitzung:Seehofer demonstriert Einigkeit mit "Profi" Merkel

Lesezeit: 3 min

Seehofer und Merkel vor der Sitzung der Unionsfraktion. (Foto: dpa)
  • CSU-Chef Horst Seehofer nimmt an der Unions-Fraktionssitzung teil.
  • Er demonstriert Einigkeit mit Angela Merkel - dabei ist ihr Streit über die Asylpolitik noch keine Woche her.
  • Es gibt diesmal keine offenen Angriffe auf Merkel. Seehofer spottet über SPD-Chef Gabriel.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell dieser Mann von Attacke auf Kuscheln umschalten kann. Es ist noch keine Woche her, dass Horst Seehofer seinem Unmut über die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin freien Lauf gelassen hat. Nicht einmal einen Zeitungsbericht, wonach er den Rückzug der CSU-Minister aus der Bundesregierung erwäge, wollte er dementieren. Mehr Eskalation unter Schwesterparteien geht eigentlich nicht. Und jetzt sitzt er da und schwärmt von Angela Merkel. "Sie ist ein totaler Profi", sagt Seehofer. Die Kanzlerin sei erstaunlich sportlich im Umgang mit Kritik. Zehn Stunden habe man am Wochenende über die Flüchtlingspolitik verhandelt - und sei sich jetzt "einig, total einig".

In Spielwaren-Geschäften füllen "Transformers" die Regale - Actionfiguren, die sich mit wenigen Handgriffen verwandeln lassen. Seehofer scheint so ein Transformer zu sein. Aus dem brüllenden Löwen wird schwuppdiwupp ein schnurrendes Kätzchen.

Gemeinsam Sigmar Gabriel in die Defensive bringen

Der bayerische Ministerpräsident ist noch einmal nach Berlin gekommen. In der Hauptstadt ist gerade Zwischen-Gipfel-Zeit. Am vergangenen Sonntag hatten sich Merkel, Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel im Kanzleramt getroffen, um Wege aus der Flüchtlingskrise zu beschließen. Doch das Treffen endete ergebnislos, am Donnerstag wollen es die drei noch einmal versuchen. In solchen Zwischenzeiten tobt immer ein Kampf um die Deutungshoheit, ein jeder versucht, sich bestmöglich in Stellung zu bringen. Und genau deshalb ist Seehofer jetzt schon wieder in Berlin.

Merkel und Seehofer haben sich am Wochenende in langen Verhandlungen auf ein gemeinsames Papier zur Flüchtlingskrise verständigen können. Jetzt wollen sie diese neue Einigkeit auch öffentlich zelebrieren, um Gabriel vor dem Treffen am Donnerstag in die Defensive zu bringen.

In den vergangenen Wochen hatten es sich die Sozialdemokraten ja als Zuschauer des unionsinternen Streits bequem machen können. Damit soll es jetzt vorbei sein. Und weil in der Politik nur wenig so stark ist, wie die Kraft von Bildern, hat Merkel Seehofer eingeladen, an der Sitzung der Unionsfraktion am Dienstagnachmittag teilzunehmen. So etwas hat es seit Jahren nicht mehr gegeben.

In der letzten Fraktionssitzung vor drei Wochen hatte sich Merkel gewaltig für ihren Kurs rechtfertigen müssen. Auch CDU-Abgeordnete widersprachen der Kanzlerin vehement. Anschließend drohte der Parlamentskreis Mittelstand, die mit Abstand größte Gruppe in der Fraktion, sogar mit einem Antrag gegen Merkels Asyl-Politik. Ein großer Teil der Unionsabgeordneten sympathisiert eher mit dem restriktiven Kurs Seehofers als mit der Keine-Obergrenzen-Kanzlerin.

Vor diesem Hintergrund ist Seehofers Besuch auch für Merkel Labsal. Der gemeinsame Auftritt garantiert ihr zumindest an diesem Tag Ruhe in der Unionsfraktion - und schöne Bilder der Eintracht im Fernsehen.

Genau deshalb stellen sich Merkel und Seehofer schon vor Beginn der Sitzung gemeinsam vor die Kameras. "CDU und CSU haben sich am Wochenende sehr intensiv miteinander ausgetauscht und Positionen entwickelt, die eine Agenda darstellen für die Bewältigung dieser Situation", beginnt Merkel dann aber ziemlich ungelenk. Am Ende wird sie ihre Botschaft doch noch fernsehtauglich los: "Insgesamt wünsche ich mir, dass die Menschen in ein paar Jahren sagen können, das haben die damals gut gemacht - und wir haben das schaffen können."

Auch Seehofer lobt das Unionspapier vom Wochenende. Es garantiere nicht nur Hilfe für Menschen in Not, Bayern habe hierbei in den vergangenen Wochen ja bereits "eine Visitenkarte der Humanität für ganz Deutschland abgegeben". Das Unionspapier verlange auch eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen und enthalte "13 konkrete Punkte" dazu. Die Menschen würden darauf warten, dass diese jetzt umgesetzt werden. Er hoffe deshalb auf eine Einigung mit Gabriel am Donnerstag, sagt Seehofer. Dann verschwindet er zusammen mit der Kanzlerin in den Fraktionssaal der Union.

Seehofer spottet über Gabriel

Drinnen im Saal geht es dann tatsächlich erstaunlich friedfertig zu. Fraktionschef Volker Kauder, Merkel und Seehofer sprechen zum Auftakt. Merkel referiert im Wesentlichen noch einmal die Inhalte der Einigung mit der CSU - und verweist auf die bereits verabschiedete Asylrechtsreform, die jetzt aber auch schnell umgesetzt werden müsse. Einzelne Bundesländer wie Rheinland-Pfalz würden hier noch nicht ausreichend mitziehen.

Seehofer preist auch in der Fraktion die neue Harmonie mit der Kanzlerin. Er vermeidet die Forderung nach einer konkreten Obergrenze bei der Flüchtlingszahl, macht aber deutlich, dass es Grenzen der Belastbarkeit gebe. Anders als bei der letzten Fraktionssitzung gibt es diesmal keine offenen Angriffe auf Merkel. Es melden sich lediglich fünf Abgeordnete zu Wort. Sie haben mehr oder minder kritische Nachfragen zu dem Fortbestand des Schengen-Systems, dem Umgang mit der Türkei, der Höhe der Hilfen für die Flüchtlingslager im Nahen Osten sowie den Regelungen zum Familiennachzug. Insgesamt dauert die Debatte über die Flüchtlingspolitik nur eine gute Stunde.

Vor der Fraktionssitzung hatte sich Seehofer bereits in der Bayerischen Landesvertretung mit Journalisten getroffen. Dabei lobte er nicht nur Merkel, sondern spottete auch über Gabriel. Beim Dreier-Treffen am Sonntag sei es "um die informative Aufrüstung des SPD-Vorsitzenden" gegangen, ätzte Seehofer. Gabriel habe wohl geglaubt, er könne bei dem Treffen als eine Art Ringrichter zwischen zerstrittenen Unionisten auftreten, sei dann aber von der neuen Einigkeit zwischen CDU und CSU überrascht gewesen. "Nicht jeder kann sich dann sofort auf neue Positionen einstellen", sagte der CSU-Vorsitzende. Der Transformer Seehofer hätte mit so einer Wendung vermutlich nicht so ein großes Problem gehabt.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SPD-Chef Gabriel
:"Unsinnig, vermutlich rechtswidrig und auch noch unnötig"

Die Union einigt sich auf Transitzonen für Flüchtlinge. Der SPD-Chef hält davon nichts. Er will nicht nur zustimmen, damit "Seehofer eine Trophäe mit nach München nehmen kann".

Von Christoph Hickmann und Daniela Kuhr

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: