CDU:Volkes Volker

Volker Bouffier empfängt Sternsinger

Volker Bouffier mit einer Gruppe Sternsinger in der Staatskanzlei in Wiesbaden.

(Foto: Alexander Heinl/dpa )

Hessens Ministerpräsident Bouffier gab früher den Scharfmacher, heute gilt er als Vermittler. Seit genau zwei Jahren führt er die schwarz-grüne Koalition.

Von Susanne Höll, Wiesbaden

Der Salon im ersten Stock der hessischen Staatskanzlei in ist kein sonderlich guter Ort für anheimelnde Konversationen. Viel Stein, viel Glas, in der Höhe blinkt ein Kronleuchter, darunter Ledermöbel. Auf einem hat der Hausherr Platz genommen, an diesem trüben Januartag. Volker Bouffier (CDU) ist der wohl außergewöhnlichste deutsche Ministerpräsident - nicht etwa, weil er einen Hang zu exzentrischen Auftritten hätte oder das Rampenlicht sucht. Aber kein anderer deutscher Spitzenpolitiker hat zuletzt einen solchen Imagewechsel erlebt wie Bouffier.

Bis vor genau zwei Jahren galt der langjährige Landes-Innenminister vielen als harter Hund, als Scharfmacher, als "Schwarzer Sheriff". Er war ein Gefährte des Ex-Regierungschefs Roland Koch, der politisch skrupellos sein konnte. Inzwischen ist Bouffier ein Avantgardist. Geräuschlos führt er seit dem 18. Januar 2014 die Koalition mit den Grünen - denjenigen also, welche die hessischen Christdemokraten einst als Gefahr für die abendländische politische Kultur ansahen. Nun hält der Ministerpräsident keine Hau-drauf-Reden mehr, er schätzt Kompromiss und Ausgleich. Wenn es eines Tages eine schwarz-grüne Bundesregierung geben sollte, wäre das sicher auch sein Verdienst. Die Bilder mögen sich nicht zusammenfügen. Sitzt da ein Hardliner alter Sorte im Lederfauteuil? Ein jovialer Landesvater? Oder womöglich ein begnadeter Opportunist, der in jede Rolle schlüpfen kann? Bouffier nestelt ein wenig an seiner Brille. Er sagt: "In der Politik ist, wie überall, die Zahl der Heiligen überschaubar.'' Das stimmt wohl, aber es hilft bei der Spurensuche nicht wirklich weiter. Kurze Pause. "Ich glaube nicht, dass ich mich verändert habe."

Seit zwei Jahren führt er die Koalition mit den Grünen - das Modell könnte Zukunft haben

Bouffier ist, wie die allermeisten Politiker, kein Freund von Introspektion und redet lieber über den Finanzausgleich und die Forschungsförderung als über sich selbst. Das kann man ihm nicht verdenken, wer zeichnet schon gern in aller Öffentlichkeit sein eigenes Psychogramm? Aber Bouffier weiß natürlich um die Macht der Imagination. Ja, sagt er, natürlich entstünden in den Köpfen der Menschen immer wieder Bilder von Politikern. "Die haben auch etwas mit der Funktion zu tun. Allerdings verändern sich auch manchmal die Umstände". Wohl wahr, von einem Innenminister erwarten die Leute ein anderes Auftreten als von einer Familienexpertin. Seine Rolle erfüllte Bouffier, zum Wohlgefallen seiner Partei - Sicherheit und Ordnung sind schließlich ein Markenzeichen der Union.

Bouffiers persönliche Wegbegleiter beteuern, er sei nie der "eiserne Volker" gewesen, der mit Vergnügen die Leute aufgewiegelt habe. Das sehen inzwischen auch die Grünen so, die dem Ministerpräsidenten bis in das Jahr 2013 hinein tief misstrauten. Einer aus der Öko-Partei hat sich selbst auch schon gefragt, wer denn nun der echte Bouffier ist. Und kam zu dem Schluss, dass der Mann aus Gießen in seinen reiferen Jahren seine andere Seite zeigt: "Eine Krawallschachtel lässt sich leichter spielen als der Aussöhner, jedenfalls über längere Strecken hinweg."

Hat man sich einen falschen Eindruck gemacht von Bouffier, viele Jahre lang? Oder hat er alle genarrt? Wahrscheinlich stimmt beides ein wenig. Wie viele Bilder, die später revidiert werden mussten, hatte man schon von Politikern im Kopf: Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die angeblich keine anständige Rede halten konnte und nie ins Kanzleramt kommen könnte; oder der frühere SPD-Generalsekretär Olaf Scholz, einst als Scholzomat verhöhnt, der heute Erster Hamburger Bürgermeister ist und dem manche eine Kanzlerkandidatur zutrauen. Auch über Merkel spricht Bouffier bei dieser Spurensuche lieber als über sich selbst. Die Kanzlerin sei ein gutes Beispiel dafür, wie sich Ansprüche und Erwartungen an Politiker mit den Umständen ändern. "Es kommt heute mehr vielleicht als noch vor ein paar Jahren darauf an, ob die Leute sich gut aufgehoben fühlen. Jugendlichkeit, die Optik - solche Dinge haben sich relativiert. Der Bundeskanzlerin nehmen die Leute ab, dass sie so ist wie sie ist - und fühlen sich bei ihr gut aufgehoben."

Ach ja, die Optik. Auf die legt der Ministerpräsident keinen übersteigerten Wert. Der Anzug sitzt, die Schuhe sind blank, Lange trug er einen seltsamen Mittelscheitel, der Spott über seine unzeitgemäße Frisur war ihm schnuppe. Erst ein Familien-Veto ließ den Scheitel wieder auf die Seite rücken. Und die meisten Hessen fühlen sich bei ihm ganz gut aufgehoben.

Aber nicht nur der Ministerpräsident, auch die einst oft giftige und rechthaberische Hessen-CDU hat sich gewandelt. Der früher einflussreiche national-konservative Flügel hat in der Partei und der Landtagsfraktion keinen Einfluss mehr. Gut möglich, dass die Christdemokraten ihren Minderwertigkeitskomplex kuriert haben. Im ehemaligen SPD-Stammland konnte die CDU 42 Jahre nach Kriegsende erstmals einen Ministerpräsidenten stellen, für nur vier Jahre. Dann regierte wieder Rot-Grün. Die vom erzkonservativen Alfred Dregger geschmiedete Truppe war lange Zeit eine Art Kampfverband, stets in Angriffslaune. Dass Andersdenkende womöglich recht haben könnten, wäre der Dregger-Partei nicht in den Sinn gekommen. Bouffier sagt, seine Partei sei als Kompromisspartner - sprich als Koalitionär - in der Nachkriegsgeschichte selten gefragt gewesen. Heute ist er der Chef. Und sagt, dass öffentliche Ämter nicht zur Selbstverwirklichung dienten, sondern dazu, Probleme zu lösen. Und das gehe nun einmal nicht ohne Kompromissfähigkeit. Nicht nur der Mann, auch das System CDU hat sich gewandelt. Der Generalsekretär der Bundes-CDU, der oft besonnen agierende Peter Tauber, stammt aus Hessen.

"Wir wissen, was wir von einem gemeinsamen Europa haben"

Dem Koalitionsklima kommt das zu Gute. Schwarze und Grüne arbeiten harmonisch zusammen, Verwerfungen gab es bislang keine. In diesen Jubiläumstagen beglückwünschen sich die Bündnispartner wechselseitig zum prima Klima, die Opposition höhnt dagegen, in Wiesbaden werde nun Schlafwagenpolitik gemacht. Aber die Zeiten werden ungemütlicher, auch in Wiesbaden, der Flüchtlingsfrage wegen.

In der CDU brodelt es, anderswo stärker als in Hessen. Schwarz-Grün hat die Herausforderungen bislang ohne Zwist und Hader bewältigt, Bouffier gilt als eine loyale Stütze Angela Merkels, ohne Konkurrenzdrang. Aber natürlich nimmt er die Sorgen der Bürger wahr. Anfang Januar dachte auch er über Grenzschließungen nach - für den Fall, dass man in Europa keine Einigung bei der Flüchtlingsverteilung finden sollte. Sein Wunsch aber ist das nicht, im Gegenteil. Der Wohlstand in Hessen fußt auf offenen Grenzen und Internationalität. Exporte, Finanzplatz Frankfurt, der Rhein-Main-Flughafen: "Wir wissen, was wir von einem gemeinsamen Europa haben", sagt Bouffier.

Wie weiter also in Wiesbaden, wenn es turbulent werden sollte in ganz Deutschland, wenn die AfD bei der hessischen Kommunalwahl am 8. März erfolgreich ist, eine Woche später in drei Landesparlamente einziehen und die Union noch stärker bedrängen könnte? Die Grünen in Hessen haben Verständnis für die Ängste der CDU, deren Basis und deren Funktionäre aufgewühlt sind und Front gegen Merkel machen. Einer aus der Öko-Partei erinnert sich, dass die Grünen einmal in einer ähnlichen Lage waren: 1999, als die damalige rot-grüne Bundesregierung die Bundeswehr in den Kosovo-Krieg schickte.

Absprunggedanken hegen die Grünen in Wiesbaden nicht, sie wollen die Koalition fortsetzen, mindestens bis zur Wahl Ende 2018. Das will auch Bouffier. Und wenn es nach ihm geht, könnte es auch länger dauern. "Wenn man gut zusammengearbeitet hat und das Wahlergebnis es hergibt, liegt doch nahe, dass man es fortsetzt", sagt er aus der Tiefe des Sessels. Hessen vorn, Vorbild für den Bund? Ach, man wolle nichts anpreisen. Und dann folgt noch ein Aber. "Wenn es hier gut läuft, können andere überlegen, ob das nicht auch ein Modell für sie wäre".

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