CDU und CSU:Die CSU sitzt in der Glaubwürdigkeitsfalle

CDU und CSU: Harmonie sieht anders aus: Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.

Harmonie sieht anders aus: Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.

(Foto: AFP)

Horst Seehofer hat Kanzlerin Merkel und die CDU attackiert, als seien die seine politischen Hauptgegner. Doch im Streit um die Flüchtlingspolitik hat der CSU-Chef einen kapitalen Fehler gemacht.

Kommentar von Robert Roßmann

Um das Vertrauen in Politiker ist es nicht gut bestellt. Die Abgeordneten und Minister rangieren regelmäßig am Ende der Beliebtheitstabellen. Wer nach Gründen sucht, stößt dabei immer wieder auf ein Wort: Glaubwürdigkeit. Viel zu viele Bürger haben den Glauben an ihre Vertreter verloren. Politik wird oft nur noch als billiges Schauspiel wahrgenommen - und nicht mehr als Ringen um die beste Lösung für die Wähler. Das ist in den meisten Fällen ein ungerechter Eindruck, manchmal tragen Parteien aber tatsächlich dazu bei. In diesen Tagen ist es ausgerechnet die selbsternannte letzte Volkspartei, die der Glaubwürdigkeit des politischen Betriebs bei Bürgern und Wählern schadet.

Die CSU hat Angela Merkels Flüchtlingspolitik als "historischen Fehler" gebrandmarkt. Sie hat der Kanzlerin vorgeworfen, die Gesellschaft gespalten und Deutschland in Europa "isoliert" zu haben. Horst Seehofer hat Merkel sogar mal für eine angebliche "Herrschaft des Unrechts" verantwortlich gemacht. Größere Vorwürfe kann man einer Regierungschefin kaum machen. Eine Kanzlerin, die man für ein derart großes Sicherheitsrisiko hält, müsste man mit aller Kraft aus dem Amt drängen. Aber was macht die CSU? Sie bereitet sich gerade darauf vor, die Wiederwahl dieser angeblich so gefährlichen Kanzlerin zu unterstützen. Wer schon immer geglaubt hat, Politik funktioniere nach dem Motto "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich", dürfte sich bestätigt fühlen.

Natürlich weiß Seehofer um dieses Glaubwürdigkeitsproblem. Deshalb betreibt er die geplante Annäherung an Merkel nur in Trippelschritten. Auf dem CSU-Parteitag darf die Kanzlerin nicht auftreten. Auch auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember soll es noch keine öffentlich zelebrierte Aussöhnung zwischen Merkel und ihm geben. Die neue Einigkeit soll erst Anfang nächsten Jahres bei einer Klausur der beiden Parteispitzen gezeigt werden. Seehofer hofft, dass der alte Streit bis dahin vergessen ist. Gleichzeitig verweist er ohne Unterlass darauf, dass Merkel ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik geändert habe. Das stimmt auch, aus der Willkommenskultur-Merkel ist längst eine Abschottungskanzlerin geworden.

Aber das ändert am Dilemma der CSU nichts. Denn wie will die Partei ihren Wählern garantieren, dass Merkel demnächst nicht den nächsten vermeintlich historischen Fehler macht? Die CSU hat bisher keinen ihrer Vorwürfe gegen Merkel zurückgenommen. Solange das so bleibt, wird sie nicht glaubwürdig für eine Wiederwahl der Kanzlerin eintreten können.

Das Problem des vergangenen Jahres war nicht, dass die CSU in der Flüchtlingspolitik eine andere Position als Merkel hatte. Es war sogar hilfreich für die Akzeptanz der repräsentativen Demokratie, dass es im Bundestag eine Kraft gab, die auch den vielen Gegnern des Merkel-Kurses eine Stimme gab. CDU, SPD, Linke und Grüne waren sich in diesem Fall ja lange ungewöhnlich einig. Das Volk hat aber nicht einen Willen, dafür sind die Interessen und Überzeugungen viel zu breit gestreut. Ziel der repräsentativen Demokratie ist nicht der Konsens, sondern der Kompromiss nach ausgetragenen Konflikten.

Genau darin liegt aber das Versagen der Union. CDU und CSU waren nicht zum Kompromiss fähig. Das lag auch an der Kanzlerin, die ihren Kurswechsel monatelang nicht öffentlich eingestehen wollte und die CSU damit zur Weißglut trieb. Schuld daran war aber vor allem die Härte, mit der die CSU den Streit mit Merkel geführt hat. Dazu hat der Diadochen-Kampf in Bayern beigetragen. Vor Merkels angeblich historischem Fehler war Seehofer politisch angeschlagen. Pkw-Maut und Betreuungsgeld waren gestoppt, das CSU-Personal löste mehr Mitleid als Furcht aus. Seehofer musste in der ständigen Sorge leben, dass Markus Söder ihn aus dem Amt hebelt. Erst die harte Haltung des CSU-Chefs in der Flüchtlingspolitik gab ihm wieder den Rückhalt in seiner Partei, den er heute hat. Mit jeder Attacke auf die Kanzlerin festigte er seine Position.

Dabei hat Seehofer einen kapitalen Fehler gemacht. Spätestens nach der Schließung der Balkanroute und Merkels Türkei-Deal im März hätte er mit der CDU den Kompromiss suchen müssen. Stattdessen hat er den Konflikt mit der Forderung nach einer rechtlich unzulässigen Obergrenze immer weiter getrieben. Jetzt gibt es keinen glaubwürdigen Weg mehr zurück zu Merkel. Wenn die CSU ehrlich mit sich und den Bürgern wäre, müsste sie es nun halten wie die anderen bundesweit kleinen Parteien. Linke, Grüne und FDP treten ohne eigenen Kanzlerkandidaten an, aber auch ohne offizielle Unterstützung für einen Kandidaten von CDU oder SPD. Aber dieser Ausweg ist der CSU versperrt. Es wäre der Anfang vom Ende der Union mit der Schwesterpartei.

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