CDU-Steuerstreit vor dem Parteitag:Vielstimmiges Tönen

Kanzlerin Merkel will erst in der kommenden Legislaturperiode Steuersenkungen anvisieren. Doch einige in der CDU stemmen sich gegen den Kurs der ruhigen Hand - und fordern schnelle Entlastungen.

Der CDU-Parteitag beginnt an diesem Sonntag mit Beratungen von Vorstand und Präsidium. Merkel erhielt von vielen Spitzenpolitikern ihrer Partei Rückendeckung, die vor einer schnellen Entlastung der Bürger wegen drohender Milliardenkosten warnen. Doch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller und CDU-Wirtschaftspolitiker gehen auf Konfrontationskurs zu ihrer Parteivorsitzenden.

CDU-Steuerstreit vor dem Parteitag: Eine Steuerreform will Kanzlerin Angela Merkel erst in der nächsten Legislaturperiode auf den Weg bringen.

Eine Steuerreform will Kanzlerin Angela Merkel erst in der nächsten Legislaturperiode auf den Weg bringen.

(Foto: Foto: ddp)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die kurzfristige Steuersenkungen ablehnt, kündigte eine Reform der Einkommensteuer für die nächste Wahlperiode nach 2009 an. "Die CDU möchte für die kommende Legislaturperiode eine Steuerreform verwirklichen, die wieder mehr Leistungsgerechtigkeit für die Steuerzahler herstellt", sagte die CDU-Vorsitzende der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Ein einheitlicher Steuer-Freibetrag von 8000 Euro für Erwachsene und Kinder sei hilfreich.

Eine Senkung der Mehrwertsteuer zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise lehnte Merkel weiter ab. "Eine solche Maßnahme wäre nicht zielgenau und garantiert nicht den gewünschten Erfolg." Sie würde die öffentlichen Haushalte enorm belasten, ohne dass sicher sei, was bei den Konsumenten letztlich ankomme.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte dem Sender hr-info, die CDU wolle eine Steuerreform, die mit der SPD nicht zu machen sei. Ihr Ziel sei es, Leistungsträger zu motivieren. Eine solche Steuerreform sei jedoch eine "strukturelle Entscheidung für Jahre und Jahrzehnte". Davon müsse man Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur unterscheiden, die kurzfristig möglich seien.

Der Generalsekretär der Südwest-CDU, Thomas Strobl, hält Steuersenkungen frühestens 2010 für möglich. Es werde aber eher erst 2011 klappen, sagte er der Heilbronner Stimme. "Schließlich verursacht solch eine Reform Ausfälle von 25 bis 30 Milliarden Euro."

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte der Passauer Neuen Presse: "Wir dürfen jetzt nicht in Aktionismus verfallen. Die Sanierung des Bundeshaushaltes und weitere Investitionen in Infrastruktur und Bildung dürfen nicht aus den Augen verloren werden." Schon die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages und das Konjunkturpaket würden Wirkung zeigen.

"Nach der Bundestagswahl 2009 werden wir eine große Einkommensteuerreform auf den Weg bringen. Mit der SPD ist das leider nicht machbar." Der Rheinischen Post sagte Schavan, jetzt stehe im Vordergrund, "was Innovationen und Investitionen verbessert".

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) appellierte an die Bundesregierung, an ihrem Kurs der "an Fakten orientierten Krisenbekämpfung" festzuhalten und nicht "auf die Hektik der verschiedensten Konjunktur- und Krisenpsychologen" hereinzufallen. Mit Blick auf die vor allem von der CSU, aber auch von einzelnen CDU-Politikern erhobene Forderung nach schnellen Steuersenkungen sagte Tillich der Leipziger Volkszeitung: "Wir dürfen nicht zulassen, dass jetzt alle Dämme brechen. Diese Steuersenkungen wären die Schulden von morgen."

CDU-Mittelstand gegen Merkel

Die Kanzlerin habe bisher "mutig den Stimmungen und Emotionen getrotzt" und überlegt gehandelt. Es sei ein "Glücksfall", dass mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) "einer an Merkels Seite steht, der sich als Fels in der Brandung erweist".

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) wandte ebenfalls gegen eine kurzfristige Steuersenkung. Der Schuldenabbau dürfe nicht leichtfertig aufgegeben werden, sagte er der Rheinpfalz am Sonntag. Sinnvoller sei eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten. Da sei mit der Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung bereits der erste Schritt getan.

Dagegen sprach sich Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) für baldige Entlastungen der Bürger aus. Er sagte der Süddeutschen Zeitung, in der derzeitigen Lage sei Wachstumsförderung wichtiger als Haushaltskonsolidierung. Ihm schwebe vor, möglichst bald zur alten Pendlerpauschale zurückzukehren, die Steuern für niedrige und mittlere Einkommen zu senken und die sogenannte kalte Progression zu bekämpfen.

Zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur kann sich Müller auch die Ausgabe von Konsumgutscheinen vorstellen. "Das ist zumindest sinnvoller als vieles andere, was derzeit diskutiert wird."

Der Chef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) Michael Fuchs (CDU) will noch Änderungen am Leitantrag der CDU erreichen. "Die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für die Gesundheits- und Pflegeversicherung sollte nicht erst ab dem 1.1.2010 eingeplant werden", sagte Fuchs dem Internetdienst Handelsblatt.com. Mit der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Absetzbarkeit sollte die CDU nicht bis 2010 warten.

Müntefering: CDU orientierungslos

Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU, Josef Schlarmann, will auf dem Parteitagtag für ein sofortiges Konjunkturpaket in Höhe von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts werben. Um auf den massiven Konjunktureinbruch zu reagieren, seien schnelle Maßnahmen gefordert, sagte Schlarmann Handelsblatt.com. Ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts will der Mittelstandspolitiker für die Entlastung der Bürger bei Steuern und Abgaben bereitstellen, ein Prozent zur Entlastung von Unternehmen, ein weiteres Prozent für Investitionen in Infrastruktur.

Auf Sympathie stößt die Forderung nach Steuersenkungen in der Schwesterpartei CSU. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat nach einem Bericht des Focus ein Konzept für eine Steuerreform erarbeitet, mit dem die Einkommenssteuer um 25 Milliarden Euro gesenkt werden soll. Das Papier sieht den Angaben zufolge besonders für Geringverdiener deutliche Entlastungen vor. So soll der Grundfreibetrag zwar nur geringfügig um 336 auf 8000 Euro steigen, die Steuersätze sollten dafür aber zum Teil deutlich niedriger als bisher liegen.

SPD-Chef Franz Müntefering warf CDU und CSU in der Steuer- und Wirtschaftspolitik Beliebigkeit vor. "Im Moment duckt sich die CDU taktisch und orientierungslos weg", sagte Müntefering der Bild am Sonntag. Zum Streit in der Union über Steuersenkungen als Antwort auf die Wirtschaftskrise meinte er: "Dort herrscht Beliebigkeit. CDU und CSU sind keine Union mehr, sondern zänkische Schwestern."

Müntefering zeigte Sympathie für die Idee, Bürger mit geringem Einkommen mit Gutscheinen sofort zu entlasten. "Die Idee ist nicht unklug. Denn der Vorschlag kann auf die untere Einkommensgruppe zielen, also auf diejenigen, die zusätzliches Geld am ehesten ausgeben."

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