CDU-Spendenaffäre:Ist Jürgen Schneider der große Unbekannte der CDU-Spendenaffäre?

JÜRGEN SCHNEIDER

1997 musste sich Jürgen Schneider wegen Betrugs vor Gericht verantworten. Nun rückt ihn ein Buch ins Zentrum der CDU-Spendenaffäre.

(Foto: DPA)

Ein neues Buch bezichtigt den Baulöwen und Milliardenpleitier, die zentrale Figur des Skandals um Kanzler Kohl zu sein. Mit im Spiel: Kuba, Daiquiri, Lügendetektoren.

Von Hans Leyendecker

Utz Jürgen Schneiders Stimme ist sonor, leicht hessisch gefärbt. Kann es sein, dass der 82jährige manchmal auch sehr rau, richtig grob, werden kann? Über Helmut Kohl soll der Großpleitier 1995 gesagt haben: "Der wird alles tun, um was ich ihn bitte oder ich packe ihn an den Eiern". Dabei, das behauptet jedenfalls der israelische Privatdetektiv und Bodyguard Micha Rotem, 54, soll Schneider so getan haben, als würde er etwas in der Hand zerdrücken.

"Blödsinn! So etwas habe ich nie gesagt", protestiert Schneider. "Dafür habe ich zu viel Achtung vor Kohl. Außerdem ist das überhaupt nicht mein Vokabular".

Als Schneider vor 21 Jahren wegen eines Riesenbetrugs in Deutschland in Florida in Abschiebehaft saß - das immerhin ist unumstritten - haben der Leibwächter und der Baulöwe miteinander gesprochen. Es soll um die Zukunft von Schneider und angeblich auch um Landschaftspflege in Deutschland gegangen sein. .

Es "wird kein Gerichtsverfahren geben. Ich habe Freunde in der Regierung" soll Schneider dem Bodyguard gesagt haben. Er habe Beziehungen zu jemandem, der "an der Spitze der Pyramide sitzt - das ist Helmut Kohl". Dann soll der ganz böse Satz, der mit den Eiern, gefallen sein. Und: "Wenn ich falle, wird die Regierung stürzen. Das will keiner."

Zwischen all den Abgründen taucht eine Katze auf

Rotem hat das alles viele Jahre später in einer Eidesstattlichen Erklärung festgehalten. Dann hat er sich noch in dieser Sache in Israel einem Test mit einem Lügendetektor unterzogen. Er bestand den Test. Kann man Lügendetektoren belügen? Ja, solche Fälle gibt es. Aber es gibt nicht viele.

Der Bodyguard, der, wie er sagt, im Bereich Security "überall auf der Welt" arbeitet, war damals in Florida an der Seite des Strafverteidigers Yitzhak Goldfine im Einsatz. Goldfine, heute 80, ist ebenfalls weltweit im Geschäft. Er lebt vorwiegend in Israel und in Deutschland. Mitte der neunziger Jahre war er für etliche Monate Schneiders Anwalt in Florida.

Auch Goldfine will mit dem Immobilienmogul über Kohl gesprochen haben. Schneider soll ihm verraten haben, dass er Kohl Spenden für die CDU gegeben habe - viel Geld. Goldfine: "Er steigerte sich in die Vorstellung, er könne sich damit vor dem Gefängnis retten oder Kohl stürzen".

So steht das jedenfalls in dem Buch "Die Wahrheit hinter der Wahrheit" von Goldfine und Peter Mathews, das in diesen Tagen im Europaverlag erscheint. Geschichten, Geschichten. Aus aller Welt. Er habe die Fälle und Prozesse selbst erlebt, Mathews habe sie aufgeschrieben, sagt der Anwalt Goldfine. "Was man sich als Jurist nicht erlauben kann, nämlich Dinge ausschmücken, darf ein Autor sehr wohl". Zwischen all den Abgründen in dem Schneider-Kapitel taucht beruhigenderweise immer wieder Goldfines schwarze Katze Lizzi auf, die schnurrt.

Ist Schneider ein unbekannter Spender von Kohl?

Wer Rotem und Goldfine folgt, könnte glauben, dass Schneider der Mann ist, den die Republik lange gesucht hat: Der oder einer der unbekannten Spender von Kohl.

Vier Jahre nach der Begegnung in Florida wurde in Deutschland der Skandal um Schwarzen Kassen der CDU von der Süddeutschen Zeitung enthüllt. Kohl erklärte im Fernsehen, er habe "zwischen 1993 und 1998 Spenden entgegengenommen in einem Umfang, der zwischen anderthalb und zwei Millionen Mark liegt". Goldfine meint, das sei "in etwa die Summe" gewesen, die ihm Schneider gesagt habe.

Die Spender, die "mir helfen wollten," so Kohl damals, hätten darum gebeten, in keiner Spendenliste aufzutauchen. "Und ich habe nicht die Absicht, deren Namen zu nennen, weil ich mein Wort gegeben habe." "Den Namen Schneider hätte Kohl doch nie nennen können", meint auch Goldfine.

Mit frisierten Immobiliengeschäften hatte der Baulöwe in Deutschland einen Milliardenschaden angerichtet. 1997 wurde er in Frankfurt zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Niemand hat damals von oben die Handbremse gezogen, niemand ist der Justiz in den Arm gefallen. Über den Fall Schneider wurden Bücher geschrieben, Filme gedreht und ein Theaterstück über Schneider gibt es auch. Es handelte sich nun mal um einen der größten deutschen Wirtschaftsskandale.

Vor etwa einem Monat mailte Mathews, der auch Krimis schreibt, dem Baulöwen eine "Tatsachenkonfrontation" :

Schneider: "Ich wäre stolz, wenn ich der anonyme Spender wäre"

"Haben Sie der CDU oder dem damaligen Bundeskanzler Kohl Parteispenden zukommen lassen? Wenn ja, wie hoch waren die Summen und wann war das?"

Schneider hat ihm nicht geantwortet. "Ich bekomme so viele Anfragen von Leuten, die mich erpressen oder im Trüben fischen wollen. Da mache ich nicht mit." .Beim Googeln habe er "gelernt", dass Mathews "beim Deutschen-Krimi-Preis 1986 den dritten Platz gemacht" habe.

Wie war das also mit Kohl? Schneider bestreitet in Gesprächen mit der SZ energisch, Kohl jemals Geld gegeben zu haben. "Ich verehre den Alt-Kanzler" sagt er jedes Mal. Einmal macht er eine Kunstpause: "Ich wäre sogar stolz, wenn ich der anonyme Spender wäre. "Ich bin das aber nicht". Die Dialoge mit Rotem und Goldfine? "Alles Quatsch, alles Gerede".

Er könne sich zwar nicht mehr an jeden Satz, den er vor Jahrzehnten gesagt habe, erinnern, aber solche "Grobheiten, die da behauptet werden", sage er nie. "Wer was von mir will, soll zum Bundeskriminalamt gehen. Die wissen alles über mich".

Goldfine schildert in dem Buch eine seltsame Begegnung in einem Cafe in Haifa. Er habe sich dort mit zwei Männern mit Sonnenbrillen getroffen, die extra aus Berlin angereist seien: "Ich sah sie erstaunt an, als sie davon sprachen, dass ich in der Lage sei, jemanden umzubringen".

"Wir appellieren an Ihre patriotische Pflicht", sollen sie gesagt haben. Es ist doch auch Ihr Land, auch wenn Sie Israeli sind. Sie haben doch auch einen deutschen Pass". Er - "sie gingen davon aus, dass ich wusste, wen sie meinten", habe "viel für unsere Völker getan. Ohne ihn wäre die Wiedervereinigung nicht gelungen. Und jetzt ist er alt und krank, und Sie haben es in der Hand, dass er seine letzten Tage in Ruhe zu Ende bringen und sein Geheimnis mit ins Grab nehmen kann". Offenkundig redeten sie über den kranken Altkanzler.

"Drohen Sie mir?" will Goldfine gefragt haben. "Wie kommen Sie darauf? Es ist nur ein guter Rat", soll einer der Männer gesagt haben. Eine Szene wie aus einem B-Film.

Fiction oder Non-Fiction?

Strafverteidiger Goldfine und sein Ex-Mandant Schneider sind über all diesem Kram echte Feinde geworden. Es geht um Geld. Schneider habe ihn damals monatelang beschäftigt. Er hat "mir Geld für die laufenden Kosten gegeben, mich aber letztlich nicht bezahlt", behauptet Goldfine.

Im Gefängnis in Florida hatten Schneider und seine damals ebenfalls inhaftierte Ehefrau im Oktober 1995 eine Vereinbarung auf Gefängnispapier unterschrieben, dass sie Goldfine im Fall der Freilassung zehn Prozent ihres Vermögens inklusive zu erwartender Erbschaften überschreiben würden.

In seinem Buch "Bekenntnisse eines Baulöwen" hat Schneider später betont, sie hätten den Vertrag nur deshalb unterzeichnet, weil sie sicher gewesen seien, dass "ich den Vertrag hinterher wegen Sittenwidrigkeit für null und nicht erklären lassen könnte, falls er je zur Anwendung kommen sollte. Goldfine bezweifelt, "dass Schneider jemals die Absicht hatte, mich zu bezahlen". Lange hielt der Anwalt die Füße still. 2014 reichte er dann vor einem Gericht in Tel Aviv eine Klage ein, die den Anspruch auf Vergütung durch Schneider bestätigte.

Schneider soll versucht haben, in Kuba 30 Millionen in bar mitzunehmen

Als wäre es ein Krimi von Mathews, kommt dann plötzlich in dem Schneider-Kapitel ein neuer Unbekannter ins Spiel. Ein Anonymus soll Goldfine angerufen und behauptet haben, Schneider habe, als er noch Vermögen besaß, heimlich 400 Millionen Dollar auf Kuba versteckt.

Bekannt ist die Entdeckung jener 245 Millionen Mark, die Schneider Anfang 1994, vor seiner Flucht in die USA, auf einem Konto bei einer Genfer Bank in Genf gebunkert hatte. Das Geld war damals beschlagnahmt worden. Goldfine meint: Dieses Geld sei nur die "Spitze des Eisbergs gewesen". Da würde Kuba passen.

Privatdetektiv Rotem machte sich auf die Spur. "Ich habe herausgefunden, dass es da ist," sagte er am Donnerstag der SZ. Er habe dafür nicht nach Kuba reisen müssen. "Ich habe überall viele Freunde auf der Welt. Es ist kein Problem, die Information auch von Israel aus zu bekommen".

Aus wiederum "vertrauenswürdigen Quellen" will Goldfine erfahren haben, dass Schneider im Frühjahr dieses Jahres mit einem Begleiter auf die Zuckerinsel gereist und die Bank in Havanna besucht habe: "Mit Panamahut, Sonnenbrille, Hawaiihemd und Zigarre". Er habe 30 Millionen bar mitnehmen wollen. "Wasserfest verpackt" wegen seiner Yacht im Hafen.

"Es dauert etwas. Bis dahin einen Cuba libre", habe der Bankdirektor gesagt. Und dann habe er sich entschuldigt: "Wir haben Probleme mit dem Packpapier. Ist aus". Schließlich habe Schneider etwa 30 Millionen Dollar an vier Banken in Europa überwiesen. Das restliche Geld sei futsch gewesen. Goldfine und Mathews schreiben: "Die restlichen Hunderte von Millionen waren - so will man glauben machen - wie Eisschnee im Daiquiri in der Sonne Kubas geschmolzen.

Schneider lacht sich schlapp, als er von dem angeblichen Besuch in der Bank erfährt: "Wasserfestes Packpapier. Yacht. Zigarre. Großartig. Aber: Ich war noch nie auf Kuba und ich rauche auch nicht. Alles Unfug." Übrigens sei er im Frühjahr dieses Jahres wegen einer Hüftoperation an zwei Stöcken gegangen und wegen Herzflimmern sei er ständig beim Arzt gewesen. Nicht in Havanna. Am Rhein.

Und wie geht die Sache mit den Kohl-Spenden weiter?

Ein paar Insider in der Union sind sicher, dass es die Spender nie gegeben hat. Kohl, so ihre Argumentation, habe die anonymen Spender nur vorgeschoben, um dunklere Finanzquellen zu verbergen. In seinen "Tagebüchern 1999 - 2000" schreibt Kohl über eine Begegnung mit seinem einstigen Vertrauten Wolfgang Schäuble: "Zu meiner Überraschung versteigt sich Wolfgang Schäuble zu der These, in Wahrheit hätte ich überhaupt keine Spender und könne sie deshalb auch nicht nennen".

Voriges Jahr setzte Schäuble im Rahmen eines ARD-Porträts nach. Kohl habe die anonymen Spender erfunden. "Es gibt keine, weil es in der Zeit von Flick schwarze Kassen gab". sagte Schäuble dem Filmemacher Stephan Lamby.

Die Landschaftspflege des früheren Flick-Konzerns war ein großes Thema in den achtziger Jahren und eng damit verbunden war eine riesige Parteispendenaffäre mit vielen schwarzen Kassen.

Für Schäubles These spricht manches, aber sie ist unbewiesen. Alles bleibt Spekulation. Und Kohl hat ja sein Ehrenwort gegeben, zu schweigen. Auf Anfrage erklärt ein Vertrauter des Altkanzlers, Kohl lege sogar großen Wert darauf, dass er mit Schneider nichts zu tun gehabt habe.

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