CDU-Schlappe in Stuttgart:Abseits vom urbanen Lebensstil

Kinderbetreuung, soziale Probleme, Städtebau. Der CDU fehlen die Antworten für ein großstädtisches Publikum - nun verliert sie nach Hamburg und Frankfurt auch in Stuttgart. Knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl rumort es bei den Konservativen.

Merkel in Stuttgart

Auch OB-Kandidat Sebastian Turner konnte Angela Merkel keinen Sieg in der Großstadt Stuttgart verschaffen.

(Foto: dpa)

In Hamburg hatte sie keine Chance. Auch Frankfurt ging überraschend an die SPD verloren. Und nun muss die CDU auch noch im konservativen Stuttgart die Macht an einen Grünen abgeben. Die Union hadert nach der Schlappe bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl mit ihrer Schwäche in Großstädten.

Der von der CDU nominierte parteilose Werbeunternehmer Sebastian Turner verlor bei der OB-Wahl am Sonntag klar gegen den Grünen-Politiker Fritz Kuhn. Kuhn kam auf 52,9 Prozent, Turner nur auf 45,3 Prozent.

Damit zeigt sich ein grundsätzliches Problem, das die CDU, auch nach Meinung von Politikwissenschaftlern, in Großstädten hat. "Dort trifft sie den urbanen Lebensstil weiter Teile der Stadtbevölkerung nicht mehr", sagt der Kommunikationsprofessor Frank Brettschneider von der Universität Stuttgart-Hohenheim.

Das sieht auch Baden-Württembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl so. Er erklärte am Sonntagabend, die CDU tue sich in Metropolen generell schwer: "Das haben dieses Jahr bereits Beispiele wie die Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main gezeigt." Knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl sei es nun Aufgabe der gesamten CDU, "auch diesen Umstand zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen", forderte Strobl.

Die Union vor einer langen Durststrecke

In der Tat: In lediglich drei Landeshauptstädten Deutschlands regiert die CDU, nämlich in Wiesbaden, Düsseldorf und Dresden. Dabei schien es vor einigen Jahren so, als hätte die Union durchaus einen Weg gefunden, urbanes Publikum anzusprechen. 2001 beendete zum Beispiel Ole von Beust in Hamburg die 44-jährige Herrschaft der SPD. Auch wenn er dafür zunächst eine umstrittene Koalition mit der rechtspopulistischen Schill-Partei eingehen musste, schien der homosexuelle von Beust der ideale Vertreter einer modernen Union zu sein - erst recht, als er eine Koalition mit den Grünen einging.

Doch inzwischen regiert in Hamburg wieder die SPD, sogar mit absoluter Mehrheit. Und auch in Baden-Württemberg ist der Verdruss groß. Der Stuttgarter Kreischef und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann mahnte, die Bundes-CDU müsse dringend ein Großstadtkonzept entwickeln. Die Stuttgarter Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann sagte, die CDU müsse über Antworten auf die drängendsten Fragen der urbanen Wähler nachdenken. Diesen würden die Themen Kinderbetreuung, Ganztagsschule, Probleme von Alleinerziehenden und die städtebauliche Entwicklung unter den Nägeln brennen.

Im Südwesten stehe die Union vor einer langen Durststrecke, ergänzt der Stuttgarter Politikwissenschaftler Oscar Gabriel. Die CDU komme nicht aus dem Schatten von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus heraus. Dagegen sei es den Grünen um Regierungschef Winfried Kretschmann gelungen, die Vorbehalte konservativer Wähler zu zerstreuen. "Da wird es für die CDU langfristig sehr schwer werden, wieder eine Alternative aufzubauen", sagte Gabriel.

In der Stuttgarter CDU ist zudem ein Streit über den Umgang mit dem erneuten Rückschlag für die Partei ausgebrochen. Kreischef Kaufmann sah in dem Resultat von Turner einen Fortschritt gegenüber der verlorenen Landtagswahl 2011. Kaufmann sagte sogar mit Blick auf CDU-Chefin Angela Merkel: "Ich denke, dass die Bundeskanzlerin nicht unzufrieden sein wird mit diesem Ergebnis." Eisenmann warnte prompt davor, Turners Ergebnis schönzureden. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kanzlerin mit diesem Ergebnis zufrieden ist."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: