Flüchtlingspolitik:Warum Merkel triumphiert

Flüchtlingspolitik: Angela Merkel beim Bundesparteitag in Karlsruhe.

Angela Merkel beim Bundesparteitag in Karlsruhe.

(Foto: AP)

Die Kanzlerin ist in Karlsruhe auch deshalb erfolgreich, weil sie mit ihrer Partei besser umgehen kann als Sigmar Gabriel mit der SPD.

Kommentar von Robert Roßmann

Angela Merkel ist für manche Stärke bekannt, die Kunst der Rede gehört sicher nicht dazu. Umso erstaunlicher war der Auftritt der Kanzlerin auf dem CDU-Parteitag. Merkel gelang es, ihre Flüchtlingspolitik derart leidenschaftlich darzustellen, dass sogar ein Großteil derer stehend applaudierte, die ihren Kurs eigentlich ablehnen. Es war ein Triumph, wie ihn auch die an Erfolgen nicht gerade arme Merkel selten erleben durfte. Und es war ein Erfolg, den die Kanzlerin so nötig hatte wie kaum einen zuvor.

Auch vor vergangenen CDU-Parteitagen gab es strittige Themen, etwa den Mindestlohn, die steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnern oder die kalte Progression. Nichts davon war unwichtig, aber keines dieser Themen stellte den Kern der Kanzlerschaft Merkels infrage. Die Ankunft von mehr als einer Million Flüchtlingen ist die größte Herausforderung Deutschlands seit der Wiedervereinigung. Ob die CDU-Chefin mit ihrer Asylpolitik erfolgreich sein wird, entscheidet wesentlich darüber, wie ihre Kanzlerschaft dereinst in den Geschichtsbüchern bewertet wird. Auch deshalb konnte Merkel in Karlsruhe keine relevanten Konzessionen machen.

Sie ist inzwischen beinahe eine postnationale Kanzlerin

Dass die Kanzlerin so unbeirrt ihren Kurs verfolgt, liegt aber vor allem daran, dass sie ihn für richtig hält. Für die CDU-Chefin ist das Schengen-System, also ein Europa ohne Kontrollen an den Binnengrenzen, eine der zentralen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte - auch wegen der immensen Vorteile für die deutsche Wirtschaft. Merkel ist der Meinung, dass eine EU, die nicht in der Lage ist, die Flüchtlingskrise zu meistern, ihre ureigensten Werte verraten würde.

Und sie glaubt, dass eine Schließung der deutschen Grenze und der folgende Rückstau an Flüchtlingen den ganzen Balkan destabilisieren würde. Merkel - und das ist eines ihrer Probleme mit der CDU - ist inzwischen beinahe eine postnationale Kanzlerin. Wenn eine Lösung ihrer Ansicht nach die beste für ganz Europa ist, zieht sie diese einem Weg vor, von dem nur Deutschland profitiert. Das führt zwangsläufig zu einer Entfremdung von der Christlich Demokratischen Union Deutschlands.

Andere Kanzler hat eine solche Entfremdung das Amt gekostet. Der Sozialdemokrat Gerhard Schröder beging 2005 aus Angst vor dem Tod sogar politischen Selbstmord. Derlei würde Angela Merkel niemals tun. Das liegt nicht nur an ihrer erstaunlichen Nervenstärke, sie hat auch das Glück, parteiintern in einer ungewöhnlich kommoden Lage zu sein. In der CDU gibt es niemanden, der sie erfolgreich ablösen könnte. Und die AfD, deren Umfragewerte immer weiter steigen, könnte bei den anstehenden Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die rot-grünen Koalitionen ihre Mehrheit kosten und neue CDU-Ministerpräsidenten ins Amt bringen.

Merkel kann mit ihrer Partei umgehen, anders als Sigmar Gabriel

Die Delegiertentreffen von CDU und SPD haben aber auch gezeigt, wie verschieden die beiden Parteien mit ihren Vorsitzenden, und wie unterschiedlich die beiden Vorsitzenden mit ihren Parteien umgehen. Wenn Sigmar Gabriel auftritt, fühlt man sich regelmäßig an General Strategus aus Asterix erinnert, der genervt von seiner Truppe schluchzt: "Sie sind alle so dumm, und ich bin ihr Chef."

Merkel wird die Angriffe aus der CDU gegen ihre Flüchtlingspolitik für nicht weniger unpassend empfunden haben als Gabriel die Kritik der Jungsozialisten an TTIP oder der Vorratsdatenspeicherung. Aber die CDU-Chefin würde mit ihren Kritikern nie so umgehen wie der SPD-Vorsitzende. Gabriel liegt seit Monaten in einer offenen Feldschlacht mit den Jusos. Von Merkel wurde dagegen kein einziges böses Wort über die Junge Union bekannt, obwohl der Parteinachwuchs die Politik der Vorsitzenden in den vergangenen Wochen genau so hart kritisiert hat wie die Jusos die von Gabriel. Merkels Leute streicheln ihre Kritiker in die gewünschte Richtung, Gabriel will sie dahin prügeln. Welche Strategie erfolgreicher ist, hat sich in den vergangenen Tagen gezeigt.

Dass der Parteitag der CDU - anders als der der SPD - nicht zum Fiasko wurde, liegt aber auch daran, dass die Junge Union und ihre Mitstreiter für eine härtere Flüchtlingspolitik sich nicht wie die Jungsozialisten benehmen. Die Jusos stritten nicht nur um Inhalte, sie griffen Gabriel auch persönlich an - und das in einer Situation, in der es gar nicht um eine Abstimmung über Inhalte ging. Die JU bemühte sich stattdessen beinahe übervorsichtig, die eigene Kanzlerin im Streit über die Inhalte nicht zu beschädigen. Wo die Jungsozialisten eher destruktiv sind, ist die Junge Union eher devot. Beides gilt mit Abstrichen auch für SPD und CDU insgesamt. Auch davon hat Merkel an diesem besonderen Tag in Karlsruhe profitiert.

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