CDU-Parteitag in Karlsruhe:Die Chefin ist zurück

Christian Democrats (CDU) Hold Annual Federal Congress

The Boss is back. Die Chefin steht. Felsenfest. Angela Merkel auf dem Parteitag in Karlsruhe.

(Foto: Getty Images)

Angela Merkel führt. Die Partei folgt. Die Kanzlerin hat ihr "Wir schaffen das" an diesem Montag fest in den Fundamenten der CDU verankert.

Kommentar von Thorsten Denkler, Karlsruhe

Wenn die das alle so meinen, die da jetzt stehen und jubeln und applaudieren, dann muss sich Angela Merkel überhaupt keine Sorgen mehr um irgendwas machen. Tiefes Durchatmen, manche haben etwas Feuchtes in ihren Augen gesehen, als sie sich vor den Delegierten in der Karlsruher Messehalle verbeugt. Die feiern sich in eine Art Rausch, wollen gar nicht aufhören. Nach gut eineinhalb Stunden Rede gibt es keinen Zweifel mehr: The Boss is back. Die Chefin steht. Felsenfest.

So oft ist schon über die langatmigen und kleinteiligen Reden der CDU-Vorsitzenden auf Parteitagen geschrieben worden. Ist ja auch öde, immer nur über Erfolge reden zu müssen. Dieses Mal aber stand sie zum ersten Mal selbst in einer Prüfung. Ihr Kurs, ihre ganz persönliche Haltung in der Flüchtlingspolitik stand zur Debatte. Schaffen wir ihr "wir schaffen das"? In der Partei war das hoch umstritten - bis heute. Bis zu dieser Rede.

Der Kleingeistigkeit ihrer Kritiker setzt sie die großen Linien der CDU entgegen. Diese "Ungeheuerlichkeit" nach dem Krieg eine Partei zu gründen, die sich auf christliche Werte bezieht. Und damit auf die "von Gott gegebene Würde des einzelnen Menschen". Das ist der Schlüsselsatz. Die von Gott gegebene Würde des Einzelnen. Dahinter kann in der CDU niemand zurück. Die Würde des Einzelnen. Wer da zustimmt, der muss zwangsläufig akzeptieren, dass da keine Flüchtlingsmassen auf dem Weg nach Deutschland sind oder schon da sind. Sondern einzelne Menschen. Mit einzelnen Schicksalen. Als Merkel das so auch noch sagt, da dauert es ein paar sehr stille Sekunden. Als ob die Delegierten diese Zeit brauchen, bis sie verstanden haben. Als hätte es Klick gemacht, bricht plötzlich der Applaus los über diesen Satz. Die Würde des Menschen bleibt auch für die CDU erst mal unantastbar.

Merkel fährt große Geschütze auf, um ihren Kurs zu rechtfertigen. Nein, das stimmt nicht. Sie rechtfertigt ihn nicht. Sie verankert ihn mit dicken Stahlketten im Fundament der CDU. Warum also ihr "Wir schaffen das?". Merkel: "Weil es zur Identität unseres Landes gehört, Großes zu schaffen." Das steckt "im Kern in uns", in der CDU, "dass wir bereit sind zu zeigen, was in uns steckt".

Merkel stellt sich die Großen der CDU zur Seite. Konrad Adenauer habe nicht gesagt, wir wählen etwas Freiheit. Er hat gesagt: "Wir wählen die Freiheit." Auch um den Preis, dass diese Freiheit für lange Zeit nur im Westen gelebt werden konnte. Ludwig Erhardt habe nicht gesagt, Wohlstand für fast alle. Sondern: "Wohlstand für alle." Nur das könne der Anspruch der CDU sein. Und Helmut Kohl habe nicht blühende Landschaften für ein paar Regionen im Osten des bald wiedervereinigten Deutschlands versprochen. Sondern blühende Landschaften in ganz Ostdeutschland.

Eine Obergrenze wird es nicht geben

Natürlich, auch Merkel spricht davon, dass sie die Flüchtlingszahlen reduzieren wolle. Aber, ganz ehrlich, wer will das nicht? Nicht zuletzt wollen Flüchtlinge lieber keinen Grund haben, fliehen zu müssen. Die Obergrenzen-Debatte aber hat Merkel zumindest für die CDU entschieden - eine Obergrenze wird es nicht geben. Weil es sie nicht geben kann. Weil selbst mit einer Obergrenze von 500 000 Flüchtlingen, der erste vor Krieg und Terror Geflüchtete, der über dieser Zahl liegt, aufgenommen werden muss. Merkel stellt klar: Das muss der "humanistische Imperativ" für die CDU sein. Am Ende stimmen von den etwa 1000 Delegierten bis auf fünf alle für den Leitantrag des Bundesvorstands.

Die Machtfrage ist geklärt. Die CDU braucht Merkel. Sie will sich von ihr führen lassen. Auch und gerade durch diese Flüchtlingskrise. Sie hat deutlich gemacht, dass ihr "Wir schaffen das" mehr ist als ein frommer Wunsch. Sondern der Mindestanspruch, den die CDU an sich selbst zu stellen hat. So geht Führung.

Lesen Sie dazu auch die Seite Drei von Nico Fried - mit SZ Plus:

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: