CDU-Parteitag in Essen:Merkel verspricht Erfolg

Vorbereitungen - CDU - Bundesparteitag

Merkel und ihre Getreuen: Vor Beginn des Parteitags posiert die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende mit dem Bundesvorstand ihrer Partei.

(Foto: dpa)
  • Angela Merkel stellt sich auf dem Parteitag in Essen zum neunten Mal zur Wahl als Parteivorsitzende.
  • Ihre Haltung in der Flüchtlingsfrage ist in der CDU umstritten. Im Sommer 2015 sanken ihre Zustimmungswerte deswegen deutlich.
  • Noch schlechter waren die Umfragewerte aber im Sommer 2010 - wegen der Finanzhilfen für Griechenland.

Analyse von Thorsten Denkler, Essen

Das Foto ist gerade ein halbes Jahr alt und hat schon historischen Wert. Kanzlerin Angela Merkel steht im blauen Blazer vor Schloss Herrenhausen in Hannover. Rechts US-Präsident Obama und der britische Premier Cameron. Links der französische Präsident Hollande und der italienische Ministerpräsident Renzi. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich anlässlich der Hannover-Messe zu einem Mini-Gipfel getroffen.

Nach dem Verfassungsreferendum in Italien am Sonntag und Renzis Rücktritt ist klar: Keiner der vier an Merkel Seite wird ein Jahr später noch im Amt sein. Merkel ist die "Last Woman Standing". Und sollte sie im Herbst 2017 erneut zur Kanzlerin gewählt werden, wird sich daran auch für längere Zeit nichts ändern.

An diesem Dienstag sollen dafür in Essen die Voraussetzungen geschaffen werden. Auf dem Bundesparteitag der CDU steht Merkel für die Wiederwahl zur Parteivorsitzenden bereit. Nach ihrem Verständnis gehören dieses Amt und die Kanzlerkandidatur untrennbar zusammen. Sie müsste schon ein gnadenlos schlechtes Ergebnis bekommen, damit sie über die Kanzlerkandidatur noch einmal nachdenkt.

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Am 25. April empfängt Angela Merkel David Cameron, Barack Obama, Francois Hollande und Matteo Renzi zu einem Gespräch auf Schloss Herrenhausen in Hannover.

(Foto: dpa)

Die Chancen stehen gut, dass Merkel mehr als 90 Prozent bekommt

So weit wird es nicht kommen. In der CDU wird gewählt, wer Erfolg verspricht. Und das ist nun mal - trotz allem - Angela Merkel. Zum neunten Mal stellt sie sich dieser Wahl. Erst einmal rutschte sie unter die magische 90-Prozent-Marke. Das war 2004, ein Jahr, bevor sie Kanzlerin wurde. 2014 hat sie 96,7 Prozent geholt. Ihr zweitbester Wert nach den 97,9 Prozent von 2012.

Ihre Chancen stehen auch diesmal gut, auf mehr als 90 Prozent zu kommen. Und ein viertes Mal Kanzlerin zu werden. Jedenfalls um einiges besser, als ihre Kritiker in den vergangenen Monaten geglaubt haben. Merkel schien im Zuge der Debatten um die Flüchtlinge in Deutschland plötzlich angreifbar. Nach ihrem "Wir schaffen das" aus dem Sommer 2015 sanken ihre Umfragewerte und die ihrer Partei auf neue Tiefststände. Die Flüchtlingskrise wurde in der Bevölkerung als eines der größten Probleme wahrgenommen.

Merkel geriet in die Defensive. Von rechts wird sie von der AfD und - was noch schlimmer ist - von der CSU attackiert. Es hat manchmal den Anschein, als stehe die Union kurz vor dem Zusammenbruch.

Der Tiefpunkt war 2006 erreicht

In der Bevölkerung aber genießt Merkel erstaunlich hohe Zustimmungswerte. Und gemessen an der medialen und politischen Wahrnehmung der Flüchtlingskrise sind ihre Werte gut.

Den Tiefpunkt in der Zufriedenheitsstatistik hat Merkel nämlich nicht etwa mit der Flüchtlingsfrage erreicht. Der liegt mit nur noch 45 Prozent Zufriedenheit zwar ohne Frage weit unterhalb jener Spitzenwerte von deutlich über 70 bis zu 80 Prozent, auf denen sich einst Merkels Ruf der Unbesiegbarkeit begründete.

Doch im November 2006 war sie schon mal an einem Tiefpunkt angelangt und erreichte lediglich einen Wert von 47 Prozent. Damals gab es eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Arbeit der großen Koalition. Im August 2010 rutschte sie auf 41 Prozent ab. Die Finanzhilfen für Griechenland waren das bestimmende Thema.

Merkels Blick auf die Flüchtlinge hat sich gewandelt

Ähnliches gilt für die Sympathisanten der CDU. Die Forschungsgruppe Wahlen misst deren Zufriedenheit auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf. Merkel startete ihre Karriere als Parteivorsitzende Ende 2002 mit Werten von knapp über und knapp unter zwei. Heute erreicht sie vielleicht keine Spitzenwerte mehr von vier und mehr. Aber ihre drei bis 3,6 lassen nur schwerlich vermuten, sie sei völlig am Ende.

Nicht einmal die Wahlumfragen müssen Merkel bange machen. Auf 37 Prozent wird die Union nach einer Umfrage des Instituts Emnid gerade taxiert. 2013 hat die Union zwar sensationelle 41,5 Prozent geholt und ist knapp an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt. Aber wenn die Union 2017 auf 37 Prozent kommt, wäre das immer noch das drittbeste Ergebnis seit 1998.

Viele Wähler scheinen an Merkel die Gradlinigkeit zu schätzen, wenn es darum geht, einmal getroffene Entscheidungen durchzuziehen. Das war mit dem endgültigen Strich unter die Atomkraft so, den sie nach dem Unglück von Fukushima-1 2011 praktisch im Alleingang gezogen hat. Das war so, als sie die Partei nach und nach aber sehr konsequent gesellschaftspolitisch modernisiert und damit zugleich leicht links der Mitte positioniert hat.

Merkel hat die Schließung der Balkanroute akzeptiert

Und das ist noch so in ihrem Umgang mit der Flüchtlingsfrage. Die vielen Flüchtlinge, die es nach Deutschland geschafft haben, sind ihr nach wie vor willkommen. Auf dieser Linie bleibt sie, obwohl manche sagen, damit stärke sie die AfD. Und obwohl die CSU mit ihrem Chef Horst Seehofer an der Spitze gegen diesen Kurs stänkert und wettert, dass es vielen unangenehm ist.

Geändert hat sich allerdings ihr Blick auf alle jene Flüchtlinge, die noch auf der Suche sind nach einer sicheren Bleibe. Die geschlossene Balkanroute, der Deal der EU mit der Türkei, beides hat dazu beigetragen, dass heute weit weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen als noch vor einem Jahr. Die Schließung der Balkanroute hat Merkel anfangs abgelehnt. Jetzt akzeptiert sie sie. Den Deal mit der Türkei hat Merkel maßgeblich mit ausgehandelt.

Merkel hat noch immer keine Vision - die Menschen stört das nicht

Auch wenn die Lage nach wie vor alles andere als stabil ist: Die Zeit der täglichen Meldungen, wie viele Flüchtende heute die Grenze nach Deutschland passiert haben, ist vorerst vorbei. Merkel hat eine Situation, die auszuufern drohte, wieder weitgehend in den Griff bekommen.

Die Kanzlerin gilt ja als gnadenlose Pragmatikerin. "Mein Prinzip ist nicht basta, sondern mein Prinzip ist nachdenken, beraten und dann entscheiden", hat sie ein Jahr nach der Wahl 2005 im ZDF gesagt. Das hat sie immer durchgehalten. Selbst in der Euro-Schulden-Krise schien es, als wäre allein sie in der Lage, kühlen Kopf zu bewahren und die Dinge Schritt für Schritt zu lösen. Ihre Strategie muss nicht jedem gefallen. Aber Merkel hat den Krisen mit ihrer "Schritt-für-Schritt-Politik" ihre Dynamiken genommen. Und sie damit zumindest zum Teil kontrollierbar gemacht.

Lange war Merkel der Kritik ausgesetzt, keine Ideen für die Zukunft zu haben. Keine Projekte, keine Visionen. Das alles hat Merkel auch heute noch nicht. Sie will antreten, die Probleme der Menschen zu lösen, sagte sie, nachdem sie öffentlich erklärt hatte, wieder antreten zu wollen. Es sieht ganz so aus, als würde das einer Mehrheit der Deutschen völlig reichen.

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