CDU: Ost-Debatte auf dem Parteitag:Die Blockflöten spielen wieder

Bald 20 Jahre nach der Wende weiß die CDU immer noch nicht mit ihrer Vergangenheit als Blockpartei umzugehen. Statt nüchtern aufzuklären, reagiert sie geschichtsvergessen.

Thorsten Denkler, Stuttgart

Bei geschichtlichen Großereignissen ist die CDU schnell dabei, sie für sich zu reklamieren. Das Wirtschaftswunder ist natürlich von der CDU gemacht. Und auch die deutsche Einheit hätte es selbstredend ohne die CDU nicht gegeben.

CDU: Ost-Debatte auf dem Parteitag: Angela Merkel und Stanislaw Tillich: Die Parteitagsstrategen verwässerten den Antrag, der die Mitverantwortung der Ost-CDU in der DDR formuliert hatte, ins Unkenntliche.

Angela Merkel und Stanislaw Tillich: Die Parteitagsstrategen verwässerten den Antrag, der die Mitverantwortung der Ost-CDU in der DDR formuliert hatte, ins Unkenntliche.

(Foto: Foto: Getty)

Schwer tut sich die CDU hingegen mit ihrer Rolle als Blockpartei im geschichtlichen Großereignis DDR. Auf dem Parteitag in Stuttgart wäre Gelegenheit gewesen, ein wenig von dieser Historie aufzuarbeiten. Diese Chance wurde vertan.

Dabei hatte es einen Antrag gegeben, in dem so klar wie selten die Mitverantwortung der Ost-CDU am Unrechtsregime der DDR formuliert wurde. Da heißt es gleich im ersten Satz: "Wir bekennen uns zur Geschichte der CDU als Blockpartei, kennen die schuldhafte Mitverantwortung der Führung der CDU in der DDR an den Verfehlungen und Verbrechen einer Diktatur unter der führenden Rolle der SED."

Und da steht noch mehr: "Die Führung der Blockpartei CDU bestand aus Einflussagenten und Handlangern der SED". Die Mitglieder der DDR-CDU "machten mit", ja, sie "stabilisierten das politische System".

So viel Offenheit mit der eigenen Vergangenheit hätte der CDU gutgetan. Stattdessen verwässerten die Parteitagsstrategen den Antrag ins Unkenntliche. Die CDU sei Opfer der SED gewesen, das ist jetzt der Tenor. Ihre Mitglieder hätten die Idee der christlichen Demokratie auch in Zeiten der Diktatur wachgehalten. Sie hätten versucht, in den sich bietenden Freiräumen zu wirken und "konnten so einen Beitrag zur friedlichen Revolution leisten".

Die Ost-CDU war demnach ein Heldenverein, der unmittelbar auf die friedliche Revolution eingewirkt hat.

Ein einziger Satz in dem bald 30 Seiten starken Leitantrag weist darauf hin, dass die Ost-CDU der DDR vielleicht doch nicht gerade als oppositionelle Kraft bezeichnet werden kann: "Gleichwohl hat die CDU in der DDR im totalitären System der SED-Diktatur mitgewirkt." Das klingt wie Hohn.

Die CDU war Teil des Systems. Seit 1953 erkannte die Partei die führende Rolle der SED vorbehaltlos an. Sie definierte sich ohne Einschränkung als sozialistische Partei. Sie stellte Tausende Abgeordnete auf allen Ebenen. Vertreter der CDU saßen im Präsidium der Volkskammer, im Staatsrat, im Ministerrat. Sie war bis hinunter zur kommunalen Ebene im Staatssystem der DDR verankert. Im Rat des Stadtbezirks, im Rat der Gemeinde, im Rat der Stadt, im Rat des Kreises, im Rat des Bezirkes. So zu tun, als wäre die CDU Opfer der SED-Herrschaft, das kommt Geschichtsvergessenheit gefährlich nahe.

Ja, die CDU der DDR spielte nicht die erste Geige in der DDR. Sie fällte selten Entscheidungen. Das besorgte tatsächlich die SED. Aber die CDU half, sie auszuführen. Die CDU war Blockflöte. Zumindest war sie aber als Blockpartei das Feigenblatt, das die DDR-Führung brauchte, um sich demokratisch nennen zu können. Wenigstens dazu hätte sich die gesamtdeutsche CDU im Jahr 2008 bekennen können.

Aber nein: Stattdessen bekommt der einzige Redner in der sogenannten Aussprache deshalb viel Applaus, weil er den sächsischen SPD-Abgeordneten und Druckereibesitzer Karl Nolle als "Schmierfink aus dem Westen" bezeichnete. Nolle hat die Affäre um die frisierte Biographie von CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich ins Rollen gebracht.

Wenn die CDU unter ihrer ostdeutschen Vorsitzenden Angela Merkel weiter so ihre Vergangenheit als Blockpartei aufzuarbeiten gedenkt, dann darf sie sich nicht wundern, wenn es irgendwann sie ist, die der Linkspartei im Osten die Wähler in die Arme treibt.

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