CDU:Kleine Bosheiten von der Kanzlerin

CDU: Erfolgserleichtert: Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag.

Erfolgserleichtert: Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag.

(Foto: John MacDougall/AFP)

Angela Merkel stichelt wider den Koalitionspartner SPD und sieht sich gestärkt gegen Kritiker aus den eigenen Reihen.

Von Nico Fried

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das übernimmt am Montag Annegret Kramp-Karrenbauer, die Wahlsiegerin, die nicht lange darum gebeten werden muss, sich über den Effekt des neuen SPD-Chefs Martin Schulz auf das Ergebnis an der Saar zu äußern. Einen entscheidenden Stimmungsumschwung habe die CDU erlebt, als sich die SPD für eine Koalition mit der Linken geöffnet habe, sagt die Ministerpräsidentin, genauer gesagt: "als Martin Schulz dafür grünes Licht gab". Danach seien die CDU-Werte gestiegen. "Wenn das der Schulz-Effekt ist, können wir damit gut umgehen."

Neben Kramp-Karrenbauer steht Angela Merkel. Sie presst die Lippen aufeinander, als müsse sie ein Kichern unterdrücken. Sie verzieht keine Miene und nickt nur ein wenig. Es sieht aus, als wolle sie auf keinen Fall dabei erwischt werden, wie sie sich über den Konkurrenten lustig macht. Später wird sie nach diesem Schulz-Effekt gefragt. Sie rate ihrer Partei dazu, "sich nicht permanent mit Umfragen zu beschäftigen", antwortet Merkel. "Ich freue mich über das Ergebnis, das ist jetzt das, was zählt", sagt die Kanzlerin. "Mit irgendwelchen Effekten beschäftige ich mich nicht."

Die Atmosphäre in der CDU-Zentrale ist entspannt. 2016 war jeder Montag nach Landtagswahlen eine Tortur für die Parteivorsitzende. Reihenweise fuhr die CDU Niederlagen ein, mancher Landespolitiker landete in der Versenkung, wie der Berliner Frank Henkel, oder in Vergessenheit, wie der baden-württembergische Kandidat, an dessen Name sich kaum noch jemand erinnert. Nun hat die CDU wieder eine echte Siegerin vorzuweisen, zu deren weiteren Perspektiven als ihrer möglichen Nachfolgerin Merkel am Ende noch etwas sagen wird. Erst verweist sie aber darauf, stets gesagt zu haben: "Die CDU gewinnt gemeinsam, und sie verliert gemeinsam." Zuletzt waren es viele Niederlagen. "Nun", sagt Merkel, als sei Politik eine chemische Versuchsanordnung, "ist ein Element anders."

Für ihre Strategie beruft sich die Kanzlerin ausgerechnet auf Gerhard Schröder

Der Sieg im Saarland ist auch für Merkel ein Erfolg, weil jene Kritiker nun verstummen dürften, die eine deutlichere Gegenreaktion der Kanzlerin auf Schulz und die anschwellenden Umfragewerte der SPD gefordert hatten. Einerseits sei ja immer Wahlkampf, sagt Merkel. Andererseits müsse man die heißen Phasen von den anderen unterscheiden, die meisten Menschen beschäftigten sich erst kurz vorher mit einer Wahl. "Kein Mensch muss Angst haben, dass der Wahlkampf zu kurz ausfallen wird", sagt die Kanzlerin.

Für ihre Strategie beruft sie sich an diesem Tag auf ein bemerkenswertes Vorbild: Gerhard Schröder. Bei ihm sei es auch immer um Gerechtigkeit gegangen. Aber auch um Innovation, "also nach vorne", sagt Merkel. "Das wird uns leiten." Und es soll natürlich eine Bosheit gegen Schröders eigentliche Partei sein, die SPD, die sich immer nur mit ihrer eigenen Vergangenheit beschäftige. "Egal, in welcher Koalition: Was immer man macht, man sollte danach dazu stehen", sagt Merkel.

Ob sich denn auf den Wahlkampf auswirke, dass eine rot-rote Koalition noch immer eine Mobilisierung im Unions-Lager bewirken könne, wird die CDU-Chefin gefragt. Diese Frage richte sich zunächst einmal an die SPD, sagt sie. "Wir werden dann darauf reagieren." Und was sagt die SPD?

Nun, bei den Sozialdemokraten werden an diesem Tag zunächst Wunden geleckt. Es sei "nicht ganz, was wir uns gewünscht haben", sagt Anke Rehlinger, die Spitzenkandidatin im Saarland über das Wahlergebnis, und Martin Schulz sagt das auch, sogar zweimal. Ebenfalls zweimal sagt er, nun wolle man nach vorne schauen. Das tun jene führenden und nicht ganz so führenden Sozialdemokraten im Wortsinne, die da oben auf dem Podium in der SPD-Zentrale stehen und den Parteichef einrahmen. Es sind, grob zusammengefasst, einige verkniffen lächelnde Gesichter, optisch nicht mehr ganz der euphorische Gesamteindruck der vergangenen Wochen.

Schulz will sich trotz der Niederlage nicht grundsätzlich von der Linken absetzen

Und dann kommt ja auch schon die Frage: Was die gescheiterte Liaison der SPD mit der Linken von Oskar Lafontaine für das Verhältnis zur Linken insgesamt bedeute und eine Koalition auf Bundesebene. Das Saarland sei in Bezug auf die Linke in einer besonderen Situation, antwortet Schulz dem Fragesteller. Dabei spiele "der Kollege, den Sie gerade genannt haben", natürlich eine Rolle, so Schulz. Dass der SPD-Chef den Namen zunächst nicht in den Mund nehmen will, könnte eine Anleihe des gelernten Buchhändlers Schulz bei den "Harry Potter"-Romanen sein, in denen der Bösewicht Lord Voldemort auch von vielen nur als derjenige umschrieben wird, "dessen Name nicht genannt werden darf".

Gemeint aber ist damit, dass nun, da eine rot-rote Koalition an der Saar nicht möglich wurde, offenbar jene Distanzierung von Lafontaine erfolgt, auf die man bis zum Wahltag verzichtet hatte - was erkennbar zum Problem wurde. Allerdings lässt Schulz die Chance verstreichen, sich grundsätzlich von der Linken abzusetzen. Im Gegenteil: Aus der Situation an der Saar könne man "keine Rückschlüsse" auf andere Bundesländer oder den Bund ziehen. Auch das sagt Schulz zweimal, in diesem Fall allerdings auch, weil er gleich zweimal danach gefragt wird.

Nach dem Auftritt der SPD-Spitze mischt sich im Willy-Brandt-Haus noch der eine oder andere Büchsenspanner unter die Journalisten, um inoffiziell ein bisschen Optimismus zu verbreiten. Eins sei doch trotz allem klar: Der Nimbus der Unbesiegbarkeit bei Angela Merkel sei weg - und auch nicht wiederherzustellen, heißt es da. Das mache diese Bundestagswahl für die SPD jedenfalls aussichtsreicher als die letzte 2013. Einen Amtsbonus habe sie natürlich trotzdem noch, also jenen Vorteil eines Regierungschefs, auf den auch der Sieg Kramp-Karrenbauers zum Teil zurückgeführt werden kann. Den will freilich die SPD nun in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen selbst nutzbar machen, wo mit Torsten Albig und Hannelore Kraft zwei ihrer Leute regieren.

Aber wie ist das eigentlich mit dem Amtsbonus und seinem Verschleiß, wenn man zwölf Jahre lang regiert hat, wie Merkel im Herbst 2017? Die Kanzlerin hat darüber offenkundig auch schon nachgedacht, denn sie hat eine ausführliche Antwort. In Kurzform unterscheidet sie das Geleistete, mit dem man Vertrauen erwerbe, sowie die Vorstellung davon, wie man Zukunft gestalten wolle. Es gebe also ein "Erfahrungselement" und ein "Zutrauenselement" - die Zahl der Amtsjahre spiele keine Rolle. Aber das muss sie ja sagen.

Bleibt passenderweise nur noch die Frage, ob Annegret Kramp-Karrenbauer eine geeignete Nachfolgerin für Merkel wäre. Da schüttelt die Kanzlerin wieder mal den Kopf, wie sie es gerne macht bei Fragen, die sie beantworten könnte, aber nicht will: Sie habe gelernt, "dass man sich mit eigenen Nachfolgern nicht selbst beschäftigen sollte", sagt Merkel, "das macht dann schon die Partei".

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