SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:Ein großes Experiment

Huber heißt eigentlich Karl-Heinz. Er war früher TV-Ermittler, hat eine afrikanische Regierung beraten und wollte jetzt eigentlich einen Roman schreiben. Stattdessen will er für die CDU in den Bundestag einziehen. Dafür hat er seiner bayerischen Heimat und seiner alten Partei den Rücken gekehrt. Ein Besuch in Darmstadt.

Marc Widmann

Das ist jetzt also seine Welt. Die Darmstädter CDU-Zentrale liegt in einem zweckmäßigen Gebäude zwischen Bahnhof und Zentrum, im Besprechungsraum zieren zwei ziemlich klassische Zimmerpflanzen die Ecken. Früher stand Charles M. Huber vor Fernsehkameras oder auf der Musical-Bühne, unlängst hat er noch den Mandela gesungen mit seiner tiefen Stimme, jetzt sitzt er hier, zwischen alten Wahlplakaten. Eins von Konrad Adenauer hängt gleich neben der Pflanze, es trägt den Slogan: "Keine Experimente!" Da muss Charles M. Huber dann doch lachen.

Er ist ja so ziemlich das größte Experiment, das die Darmstädter CDU je wagte. Einen schwarzen Schauspieler ins Rennen zu schicken, einen früheren Sozi noch dazu, der die ehemalige Justizministerin von der SPD, Brigitte Zypries, schlagen soll. Mehr Experiment geht kaum. Wie wäre es vielleicht mit diesem Plakat hinter ihm, aus dem Wahlkampf 1972: "Black is beautiful"? Huber dreht sich um und lacht noch etwas lauter. Er will lieber das da drüben, sagt er, "Wohlstand für alle" von Ludwig Erhard. Da ist einer vorsichtig.

Hier tüfteln sie an seiner Kampagne, zum Beispiel Ctirad Kotoucek, der Darmstädter CDU-Chef. "Was seinen Fleiß angeht, setzt er schon Maßstäbe", sagt er und wirkt bis jetzt ganz zufrieden mit dem Experiment. Huber ist von München in den Wahlkreis gezogen, in ein Appartement mit Blick auf eine Kuhherde, herrlich findet er das, er hat alle Orte schon einmal besucht, im Moment liest er das Buch: "Die Darmstädter Kommunalpolitik seit 1945".

Huber ist fleißig

Da ist einer fleißig. Das muss er auch sein, denn es spricht einiges dafür, dass der Wahlkampf in Darmstadt ein richtiger Kampf wird. Seine Gegnerin schreibt täglich gefühlte zehn Einträge auf Facebook, fragt nebenbei, wann Huber sich endlich mal zum Betreuungsgeld äußert, aber der hat noch nicht mal eine anständige Internetseite.

Er muss bald kämpfen, kann er das überhaupt? "Der Kampf ist ein großer Bestandteil meines Lebens", sagt der 55-Jährige, "glauben Sie mir, ich werde für diese Geschichte kämpfen." Er erzählt, wie er früher eine Folge der Fernsehserie "Der Alte" gedreht hat, obwohl ihn ein Bandscheibenvorfall quälte: Helfer fuhren ihn zum Set, schleppten ihn zu seiner Position, er sagte seinen Text, dann fuhren sie ihn wieder zurück ins Krankenbett. An seinem Einsatz, soll das heißen, wird es nicht scheitern.

Er heißt eigentlich Karl-Heinz Huber

Auf Wikipedia steht eine kleine Geschichte über seinen zweiten Vornamen, der immer nur mit "M." abgekürzt wird. Wenn man ihn fragt, ob sie stimmt, holt Huber seinen Geldbeutel hervor. Er zückt den Personalausweis, vorne steht sein richtiger Vorname "Karl-Heinz". Hinten, bei Künstlername: "Charles Muhamed". So hat er sich selbst genannt, nach Charly, seinem Spitznamen als Kind in Niederbayern - und nach Muhammad Ali, "das war auch ein Kämpfer", sagt Huber. "Ich habe mir gesagt, ich steh' zu dem, ich war Fan der Black-Panther-Bewegung." Je länger er aus seinem Leben erzählt, umso abenteuerlicher wird es, da hat er noch gar nicht von seinem Job als Berater einer afrikanischen Regierung gesprochen, und den Kindersoldaten, denen er begegnete. Ja, sagt Huber, er habe keine glatte Biografie, er wolle nicht glatt sein. "Ich bin selbst überrascht, dass die CDU das offenbar gut findet."

Seine Kandidatur ist ja nicht nur für die Partei ein Risiko, für den Schauspieler steht noch viel mehr auf dem Spiel. Er hat schon eine Menge Geld investiert, es wird noch viel mehr werden. Er ist ja kein Beamter, der später einfach zurückkehren kann in seinen solide bezahlten Job. Ihm entgehen gerade lukrative Projekte, zum Beispiel ein Werbevertrag für ein "Sicherheitsprodukt", genaueres verrät er nicht. Der Auftrag wurde plötzlich abgesagt, als seine Kandidatur bekannt wurde. Auch den Roman, den er schreiben will, muss er verschieben, "das tut mir in der Seele weh", sagt er. Stattdessen sitzt er jetzt in der CDU-Zentrale und lässt sich die Sitzverteilung im Darmstädter Magistrat erklären, bald will er auch zu den Fraktionssitzungen gehen. Warum tut er das?

"Dieser Weg macht mir Spaß", sagt er. Mehr Spaß als Promiboxen oder Dschungelcamp, derlei Anfragen hat er abgelehnt. Politik bewegt ihn schon lange, sagt er, vor allem die Entwicklungspolitik, so kam er auch zur SPD. Mit dem Bundestagsabgeordneten Hans Büttner habe er zusammengearbeitet, "das war ein Supertyp", schwärmt Huber. Doch Büttner starb früh, und die SPD wurde Huber zusehends fremd. "Sie können dort nicht so sein, wie Sie sind", sagt er, "wenn Sie eine eigene Meinung haben, werden Sie unter dogmatischen Gesichtspunkten gleich in der Pfeife geraucht." Das klingt so, als habe er am Ende oft eine andere Meinung gehabt. Und Gerhard Schröders Auftreten, dieses Dröhnende und manchmal Herablassende, nennt er "ein Unding".

Von Angela Merkel aber schwärmt er. Sie ist wohl sein Vorbild, wenn er sagt: "Ich bin niemand, der polarisiert." Er will einen höflichen Wahlkampf führen, ganz galant, Wohlstand für alle. Mal sehen, wie weit er damit kommt.

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