CDU in Baden-Württemberg:Schaffe, schaffe, Mauern baue

Wahl des Landtagspräsidenten

Frauen im Fokus? Eher nein, wie die Wahl des Landtagspräsidenten in Stuttgart zeigt.

(Foto: dpa)

Die Frau als selbstbestimmtes Wesen? Noch immer ein schwieriges Thema in der baden-württembergischen CDU. Statt auf Gleichberechtigung und Frauenförderung setzt die Partei auf Männerclubs und Machosprüche.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Beim CDU-Landesparteitag in Ulm hatte Annette Widmann-Mauz Ende Januar ihren Auftritt, als es um Social Freezing ging. Der Spitzenkandidat Guido Wolf war gerade gefeiert worden für seine Beschwörung der guten alten Werte, passend dazu lag nun ein Antrag vor, das Einfrieren von Eizellen zu missbilligen.

Die Bundespolitikerin Widmann-Mauz ergriff das Wort und verurteilte zwar, wenn sich Konzerne wie Google und Facebook in die Familienplanung ihrer Mitarbeiterinnen einmischten und Social Freezing finanzierten. Aber, so fragte sie in den Saal, sollte man wirklich Frauen den Kinderwunsch ausschlagen, wenn sie jenseits der dreißig noch nicht den Traummann gefunden haben? Ratlosigkeit und Raunen im Saal, vereinzelter Beifall junger Frauen. Nach kurzer Debatte wurde der Antrag abgeschwächt.

Die Frau als selbstbestimmtes Wesen: ein schwieriges Thema in der baden-württembergischen CDU.

"Eine historische Chance verpasst"

Keine zwei Wochen später meldete sich Widmann-Mauz neuerlich zu Wort. "Eine historische Chance" sei verpasst worden, sagte sie, nachdem die Landtagsfraktion in einer Kampfabstimmung Wilfried Klenk als Landtagspräsidenten nominiert hatte. Wieder einen Mann.

Verliererin war nicht nur Friedlinde Gurr-Hirsch, eine ehemalige Staatssekretärin. Als Verliererinnen fühlten sich diesmal Frauen über alle Parteigrenzen hinweg. Eine Welle von Spott, Häme und Empörung traf die CDU. Das wird nicht ohne Folgen bleiben, hofft zumindest Annette Widmann-Mauz, die stellvertretende Landesvorsitzende, Chefin der Frauen-Union und Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. "In Zukunft", sagt sie, "wird man sich überlegen, welche Symbolkraft so eine Wahl in die Gesellschaft hinein hat."

Es hat in Baden-Württemberg nie eine Ministerpräsidentin gegeben, nie eine Landtagspräsidentin, nie eine Fraktionsvorsitzende außerhalb der Grünen - und für gerade mal zwei Jahre bei der SPD. Der Frauenanteil im Landesparlament ist traditionell so gering wie in keinem anderen Bundesland, derzeit knapp über der 20-Prozent-Grenze, ohne die Grünen läge er darunter.

"Typische CDU-Frau, kleiner Kopf und gebärfreudiges Becken"

Seit Jahren wird debattiert, wie sich dieser Missstand beheben lässt, der CDU-Landeschef Thomas Strobl startete sogar eine Initiative namens "Frauen im Fokus". Die Fraktion aber verlor die Frau mal wieder aus dem Fokus, den Schaden hat nun vor allem Spitzenkandidat Wolf. Der hielt sich aus der Debatte heraus und steht jetzt da als Repräsentant einer sehr alten CDU da. Gern wird wieder der einstige CDU-Ministerpräsident Lothar Späth zitiert, der beim Anblick von Henry Moores "Die Liegende" sagte: "Typische CDU-Frau, kleiner Kopf und gebärfreudiges Becken". Ist die CDU immer noch nicht weiter, oder tickt das Land noch wie einst?

Familie, Häusle, Autobahn. Die Frau hütet die Kinder, der Mann verdient das Geld und bestimmt den Lauf der Welt. "Sehr tradiertes Wertekorsett verbunden mit großem Wohlstand", so beschreibt die Soziologin Manuela Rukavina, 35, das alte Baden-Württemberg. Als Vorsitzende des Frauenrates bezweifelt sie, dass das Land noch konservativer ist als etwa Bayern. Der Wertewandel schlägt sich vor allem in den Städten nieder, dort, wo die CDU bei Bürgermeisterwahlen keinen Stich mehr macht. Nur bei der Besetzung politischer Ämter gibt es kaum Fortschritte. "Alle Parteien bekleckern sich da nicht mit Ruhm", sagt Rukavina. Sie fordert eine Wahlrechtsreform.

CDU Klausur Kloster Schöntal

"Frauen im Fokus": Was Staatssekretärin Widmann-Mauz und der Landesvorsitzende Thomas Strobl in der CDU predigen, war der Landtagsfraktion sehr egal.

(Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Maß aller Dinge ist weiterhin der Direktkandidat

Der Wähler hat bei der Landtagswahl nur eine Stimme, Maß aller Dinge ist der Direktkandidat, der autonom im Wahlkreis bestimmt wird. Das ist sehr basisdemokratisch, aber für strategische Frauenförderung bietet das Verfahren keinen Raum. Grüne und SPD hatten deshalb auf Parteitagen beschlossen, für eine Reform zu kämpfen. Listen sollten her, sie sind anerkanntermaßen das Mittel, um Frauen voranzubringen.

Als es aber darauf ankam, einigten sich die Regierungsfraktionen auf den Kompromiss: Wahlrechtsreform nur im Konsens mit der CDU. Das Projekt war damit tot. Das ist auch der Grund, warum die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier das Vorgehen der CDU in der Präsidentenkür zwar "Unverschämtheit" nennt, ihren Ärger aber sofort relativiert. Die eigene Fraktion habe ja auch nichts unternommen in Sachen Wahlrechtsreform. Menschlich kann sie das sogar verstehen. Für jede Frau, die kommt, muss ein Mann gehen. Auch die SPD-Fraktion besteht zu 80 Prozent aus Männern.

Die Grünen mit ihren Quoten sind frauenpolitische Avantgarde

CDU-Politikerin Annette Schavan wurde, als sie 2004 Ministerpräsidentin werden wollte, in der eigenen Partei mit Gerüchten über ihre sexuellen Neigungen bekämpft. SPD-Politikerin Ute Vogt war als Spitzenkandidatin erledigt, nachdem sie in einem privaten Radiosender die Frage, ob sie schon einmal einen Orgasmus vorgetäuscht habe, mit einem Ja beantwortet hatte.

Ob das baden-württembergische Parlament generell noch die alte Macho-Domäne ist? Charlotte Schneidewind-Hartnagel, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, mag das nicht so pauschal beurteilen. Aber ihr fällt das Beispiel der grünen Polizeiexpertin im Landtag ein, die musste sich den Zwischenruf gefallen lassen: wie sie denn Ahnung von der Polizei haben könne? "So etwas", sagt Schneidewind-Hartnagel, "würde einem Mann niemals passieren".

Die Grünen mit ihren Quoten können sich nun mehr denn je als frauenpolitische Avantgarde profilieren. Aber Schadenfreude, sagt Charlotte Schneidewind-Hartnagel, habe sie nach der Präsidentenkür nicht empfunden. Sie schickte sofort eine SMS an die Kollegin Gurr-Hirsch: "Was ist passiert?"

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