Neue Regierung:Wenig Lust auf Groko

In der CDU sind viele Mitglieder mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen unzufrieden

Der Unmut über das Verhandlungsergebnis reicht bei der CDU tief in die Partei hinein.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Der Wirtschaftsflügel der CDU ist unzufrieden mit dem Ausgang der Koalitionsverhandlungen und der Verteilung der Ressorts.
  • Julia Klöckner dagegen, Landesparteichefin in Rheinland-Pfalz und Wahrscheinlich-Ministerin im nächsten Bundeskabinett, ärgert sich über die "Miesmacher".
  • Im Norden der Republik ist indes so etwas wie Erschöpfung zu beobachten nach Wochen der Ungewissheit und des Hin- und Herverhandelns.

Von SZ-Autoren

Nun, dass sich die üblichen Verdächtigen vom Wirtschaftsflügel der CDU mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen nicht so recht anfreunden mögen, damit musste man rechnen. "Die Verteilung der Ressorts zugunsten der SPD ist bitter", sagt also erwartungsgemäß der Chef der Mittelstandsvereinigung, der Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann, am Donnerstagmorgen. Und der CDU-nahe Wirtschaftsrat unkt, dass jetzt "ein Ende solider Haushaltspolitik winkt", wie deren Chef, Werner Bahlsen, unnachahmlich formuliert. Doch reicht der Unmut über das Verhandlungsergebnis tatsächlich tief in die Partei hinein? Und wenn ja, was könnten die Folgen sein?

Leute, die mit der Stimmung an der CDU-Basis etwa in Baden-Württemberg bestens vertraut sind, sagen: Auf Jamaika hatten viele in der Partei Lust, auf Groko dagegen kaum jemand - und das Ergebnis der Verhandlungen verstärkt die Unlust, vielleicht auch die Entfremdung von der Kanzlerin. Eine offene Debatte wollen alle vermeiden, zumal der Landesverband aus Anlass einer Wahlrechtsreform ohnehin von einem Machtkampf erschüttert wird, der im Wesentlichen zwischen Modernisierern und Traditionalisten verläuft.

"Der Verlust der Schlüsselressorts schmerzt", sagt Wolfgang Reinhart, Chef der Landtagsfraktion. Der Landesvorsitzende Thomas Strobl, der in Berlin mitverhandelt hat, hält dagegen: Der Politik werde stets der Vorwurf gemacht, es gehe nur um Posten, jetzt laute der Vorwurf, die CDU habe zu wenig für ihre Posten gekämpft. "Das finde ich, mit Verlaub, verkehrte Welt." Die Südwest-CDU ist nicht schlecht bedient, mit Wolfgang Schäuble als Parlamentspräsident, Volker Kauder als Fraktionschef und Annette Widmann-Mauz als voraussichtliche Gesundheitsministerin.

Der Verlust des Innen- und des Finanzministeriums schmerzt

Auch Julia Klöckner, Landeschefin in Rheinland-Pfalz und Wahrscheinlich-Ministerin im nächsten Bundeskabinett, ärgert sich über "Miesmacher", gerade wohl auch in den eigenen Reihen. Doch dass die Schwarzen in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit der Ressortaufteilung zufrieden sind, kann ehrlicherweise keiner sagen. Zwar werben die Granden einhellig für den Vertrag ("gut für uns, trägt unsere Handschrift"). Aber der Verlust des Innen- und des Finanzministeriums schmerzt, ebenso wie die Einschätzung, dass die CDU der Verlierer der Verhandlungen ist. Volker Bouffier, Ministerpräsident in Hessen, der im Herbst eine Landtagswahl bestreiten muss, befindet tapfer, der Koalitionsvertrag sei gut für Hessen. Ist er nicht, kontert der stets recht widerspruchsfreudige Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Willsch aus Südhessen. Er rügt besonders die Passagen zu Europa ("Das führt in die Schulden-Union") und hätte sich lieber eine Unions-Minderheitsregierung gewünscht als eine Groko.

Auch in Sachsen sind sie sich nicht ganz sicher. Sie wollen auf einer Mitgliederversammlung am 24. Februar, also zwei Tage vor dem Bundesparteitag, die Ergebnisse der Verhandlungen noch einmal bewerten. Doch die Parteiführung lobt diese schon einmal vorab: "Aus meiner Sicht hat es noch nie einen Koalitionsvertrag gegeben, in dem so viele ostdeutsche Interessen verankert wurden", sagt Generalsekretär Alexander Dierks. Für den weiteren Braunkohleabbau gebe es verlässliche Rahmenbedingungen, gleichzeitig wolle der Bund den Strukturwandel unterstützen. Positiv sei auch die andauernde Aussetzung des Familiennachzugs. Allerdings seien nicht alle Mitglieder zufrieden. Für Unmut habe beispielsweise das Ausscheiden von Thomas de Maizière gesorgt, ebenso die Tatsache, dass voraussichtlich kein ostdeutscher Minister im Kabinett sitzen wird.

Hoch im Norden der Republik ist indes so etwas wie Erschöpfung zu beobachten nach Wochen der Ungewissheit und des Hin- und Herverhandelns. Tim Albrecht, Geschäftsführer des CDU-Kreisverbandes Rendsburg-Eckernförde, war auf viele Anrufe gefasst. Sein Kreis in Schleswig-Holstein ist so groß wie das Saarland, da kommen einige CDU-Mitglieder zusammen. Albrecht erinnert sich noch, wie diese seine Geschäftsstelle im vergangenen Sommer bestürmten, als im Land die Jamaika-Koalition beschlossene Sache war. "Da gab es viele wütende Anrufe." Aber diesmal? "Es ist ruhig", sagt Albrecht und wundert sich. "Normalerweise melden sich die, die was kritisch sehen" - deshalb deutet er den Frieden vorsichtig als Zuspruch.

Ein Bürgermeister im Saarland konstatiert: "Der Koalitionsvertrag ist Schrott."

Andererseits: In sozialen Netzwerken hat er viele kritische Stimmen gelesen. Sie drehten sich vor allem um den Umstand, dass das Finanzministerium bei der SPD gelandet ist. Vielleicht ist die geringe Anruf-Quote ja auch einfach nur Ausdruck einer gewissen Ermüdung. Christopher Fedder, Kreisgeschäftsführer der CDU Celle in Niedersachsen, berichtet jedenfalls davon, dass ihn noch kaum Feedback erreicht hat. Dafür hatte er schon vor dem Groko-Abschluss den Eindruck, "dass die Bürgerinnen und Bürger genervt sind davon, dass es so lange gedauert hat".

Begeisterung jedenfalls klingt anders. Auch in Nordrhein-Westfalen. "Immerhin", so spottet Hendrik Wüst, der Verkehrsminister in Düsseldorf, einen Erfolg hätten die Seinen errungen: "Erster Bundeswirtschaftsminister aus der CDU seit 1966." Bodo Löttgen, immerhin Fraktionschef im Landtag, lässt ebenfalls Ärger erkennen. Beim TV-Sender Phoenix hat er einem Professor gelauscht, der die Ressortverteilung zwischen Roten und Schwarzen "sehr erklärungswürdig" fand. "Trifft es exakt", twittert Löttgen. Indes verweigern werden sich die Christdemokraten an Rhein und Ruhr nicht. Schließlich haben zwei der ihren - Ministerpräsident Armin Laschet und NRW-Arbeitsminister Karl Josef Laumann - entscheidende Passagen des Kompromisspapiers mitgeschrieben.

An der Basis im Pott ist es jedenfalls ruhig, vielleicht auch nur, weil Karneval ist. Kritik wie aus dem Saarland ist bisher kaum zu hören: Dort hat der streitbare Bürgermeister von Illingen, Armin König, auf Facebook konstatiert: "Der Koalitionsvertrag ist Schrott." Das war am Mittwoch. Am Donnerstag hat er sein harsches Urteil relativiert: "Ich habe mich geirrt. Der Koalitionsvertrag enthält tatsächlich viel Gutes", schreibt er, "aber auch echt Schlechtes."

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