CDU:Eine mutige Personalie

Die Kandidatur von Annegret Kramp-Karrenbauer ist ein Befreiungsschlag für Angela Merkel: Sie schafft es, ihre Kritiker zu überraschen, und baut gleichzeitig eine Nachfolgerin auf. Kramp-Karrenbauer kann jetzt viel gewinnen - aber auch viel verlieren.

Von Robert Roßmann

Was ist Angela Merkel nicht alles vorgeworfen worden. Sie nehme ihre Partei nicht mehr ernst; sie verpasse es, einen Nachfolger aufzubauen - und sie schaffe es nach 18 Jahren an der Spitze nicht mehr, ihre Partei auch mal positiv zu überraschen. Und jetzt das: Mit einem Coup ist es Merkel gelungen, einen Gutteil dieser Vorwürfe zu entkräften. Der 19. Februar könnte als der Tag ins CDU-Geschichtsbuch eingehen, an dem die Partei den Übergang von der Ära Merkel in die Zukunft eingeleitet hat.

Dass dies möglich wurde, liegt allerdings auch an Annegret Kramp-Karrenbauer. Niemand hat erwartet, dass die Ministerpräsidentin neue Generalsekretärin werden könnte. Auch weil noch nie ein Regierungschef sein Amt aufgegeben hat, um statt eines Landes nur noch eine Parteizentrale zu führen. Kramp-Karrenbauer ist im Saarland unangefochten, sie hätte bequem als Ministerpräsidentin weiterregieren können. Aber sie hat sich entschieden, etwas zu riskieren. Wenn die Mission schiefgeht, kann Kramp-Karrenbauer tief fallen - sie hat ja noch nicht einmal ein Bundestagsmandat.

Kramp-Karrenbauers Mut ist jetzt Merkels Glück. Sie habe "dieses Glück beim Schopfe gepackt", hat die Kanzlerin am Montag gesagt. Und man hat ihr angesehen, wie erleichtert sie ist. Denn die Personalie ist für Merkel ein dringend nötiger Befreiungsschlag. Das schlechte Verhandlungsergebnis Merkels bei der Ressortverteilung hat in der CDU gewaltigen Unmut ausgelöst. Merkel habe für ihre Kanzlerschaft zum Nachteil der CDU Ministerien und Inhalte geopfert, heißt es allenthalben. Und tatsächlich ist das Konrad-Adenauer-Haus in den vergangenen Jahren zu einer Außenstelle des Kanzleramts verkommen. Die Generalsekretäre waren keine Generäle mehr, sondern nur noch Sekretäre. Im vergangenen Jahr hat Merkel sogar ihren Kanzleramtschef in die CDU-Zentrale entsandt, damit der und nicht der Generalsekretär das Wahlprogramm schreibt.

Jetzt bekommt die Partei aber wieder Luft zum selber Atmen. Kramp-Karrenbauer ist bei aller Freundschaft zu Merkel zu machtbewusst, um nur Aufträge auszuführen. Aber das muss sie auch sein, wenn sie dereinst tatsächlich den Vorsitz oder gar die Kanzlerschaft erreichen will. Als langjährige Regierungspartei brauche die CDU noch stärker als die Konkurrenz inhaltliche Debatten, hat Kramp-Karrenbauer jetzt erklärt. Diese Erkenntnis ist so wahr wie überfällig. Abgesehen von der schwarzen Null und dem Nein zu Steuererhöhungen weiß kaum noch einer, für was die CDU steht. Dass Merkel jetzt angekündigt hat, dass sich die Partei ein neues Grundsatzprogramm geben wird, ist ein erster Schritt auf dem Weg zurück zu einer CDU, die sagen kann, was sie will.

Nebenbei beschleunigt der Wechsel Kramp-Karrenbauers aber auch die Erneuerung der Partei in den Ländern. Die CDU bekommt jetzt innerhalb von acht Monaten den dritten jungen Ministerpräsidenten. Nach Daniel Günther (44) und Michael Kretschmer (42) soll nun auch der 40-jährige Saarländer Tobias Hans eine Staatskanzlei übernehmen.

Für Merkel kommt es jetzt aber darauf an, auch bei der Besetzung der Ministerposten die Empfindlichkeiten in ihrer Partei im Blick zu haben. Wenn sie etwa Jens Spahn nicht zum Minister berufen sollte, wäre es mit dem Schwung des 19. Februar in der CDU schnell wieder vorbei.

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