CDU: Datenklau in NRW:Rüttgers jagt den Maulwurf

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Immer wieder gelangen vertrauliche Mails der CDU in Nordrhein-Westfalen an die Öffentlichkeit. Jetzt gibt es eine Anzeige.

W. Jaschensky, J. Kuhn und B. Vorsamer

Für Jürgen Rüttgers läuft es nicht gut. Der Februar stand ganz im Zeichen der Sponsoring-Affäre und des Rücktritts von Generalsekretär Hendrik Wüst. Im März - zwei Monate vor der Landtagswahl - nun die Quittung: Katastrophale Umfragewerte. Doch damit nicht genug: Die CDU in Nordrhein-Westfalen muss neue peinliche Enthüllungen fürchten.

Immer wieder gab es in der Vergangenheit Indiskretionen, die die Regierung von Ministerpräsident Rüttgers in Bedrängnis brachten. Der wunde Punkt ist der E-Mail-Verkehr zwischen CDU-Landesgeschäftsstelle und Staatskanzlei. Jetzt droht der Blog ruhrbarone.de: "Allein in den kommenden Wochen stehen dem Mann einige miese Überraschungen bevor, vor denen ich schon jetzt Angst hätte, wenn ich er wäre."

Die CDU fühlt sich von den Bloggern in die Ecke gedrängt - und geht in die Offensive. Bei der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf stellte der Landesverband am Montag Anzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Ausspähung und Abfangen von Daten.

Allen Querelen gemeinsam ist der Vorwurf, dass unter Rüttgers die Partei- und Regierungsarbeit nicht klar genug getrennt werde. Das wurde auch in der Sponsoring-Affäre sichtbar: Wirtschaftsunternehmen, die Stände am CDU-Landesparteitag buchten, bekamen für einen Aufpreis von 6000 Euro einen etwas größeren Stand - und die Zusage, dass der Herr Ministerpräsident vorbeischauen würde.

Boris Berger, Rüttgers' Mann fürs Grobe

Generalsekretär Wüst kostete diese Vorgehensweise das Amt. Viele halten ihn allerdings für ein Bauernopfer, da das System schon länger bestehe, als Wüst im Amt sei. Der Verantwortliche für die Verquickung von Partei und Regierung sei stattdessen Boris Berger, einer der engsten Berater des Ministerpräsidenten.

Berger organisierte den Wahlkampf 2005 und steuerte seitdem als Angestellter der Staatskanzlei alle PR-Kampagnen des Regierungschefs. Von dieser Aufgabe ist er nun entbunden, um sich erneut um den Wahlkampf zu kümmern.

Berger war auch die Schlüsselfigur der Videoüberwachungs-Affäre, die im Herbst 2009 die NRW-CDU gebeutelt hatte. Interne Mails hatten bewiesen, dass der Rüttgers-Vertraute Wahlkampfauftritte der SPD-Gegenkandidatin Hannelore Kraft gezielt ausspionieren ließ.

Anzeige wegen Datenklau

Dass die CDU gerade jetzt eine Anzeige gegen unbekannt aufgibt, legt den Verdacht nahe, dass sie so von ihren eigenen Skandalen ablenken und sich als Opfer einer E-Mail-Affäre stilisieren will. Johannes Mocken, Sprecher der Staatsanwalt Düsseldorf, bestätigt sueddeutsche.de, dass Ermittlungen gegen unbekannt nach Paragraph 202a Strafgesetzbuch eingeleitet werden.

In dem Paragraphen heißt es: "Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, in alle Richtungen zu ermitteln und ist bereits mit den Spezialisten des Landeskriminalamtes in Kontakt, um zu prüfen, wie die Daten nach außen gelangen konnten.

Theoretisch wäre es möglich, dass sich Fremde Zugang zu den E-Mail-Konten verschafft haben - zum Beispiel, wenn es einen Browserzugang zum Konto gibt und das entsprechende Passwort leicht zu erraten ist. Sollte das Leck allerdings bereits seit 2005 bestehen, ist es unwahrscheinlich, dass der entsprechende Mitarbeiter in der Zwischenzeit sein Passwort nicht geändert hat.

Wahrscheinlicher ist deshalb ein Maulwurf. Die CDU will sich zwar nicht festlegen und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft überlassen. Der ruhrbarone.de-Autor David Schraven deutet aber bereits an, welchen Ursprungs die Quelle ist: "Menschen aus dem Innersten der CDU" - also Leute, die "Rüttgers und Kumpels" jahrelang unterdrückt, gemobbt und am Ende gefeuert hätten.

Der designierte Generalsekretär Andreas Krautscheid sagte am Dienstag in einem Gespräch mit Journalisten, dass derzeit Mitarbeiter den E-Mail-Verkehr sichten würden. Allein Berger, Rüttgers' Mann fürs Grobe, habe nach eigenen Angaben mehr als 10.000 Mails versandt. Ein Sprecher der NRW-CDU sagte allerdings zu sueddeutsche.de, dass nur eine geringe Zahl der Mails an die CDU-Geschäftsstelle gingen.

"Wir sind kein Anti-Rüttgers-Blog"

Die gebeutelte CDU nutzt den Datenklau auch für Vorwürfe gegen die SPD. Zwar betonte Noch-Medienminister Krautscheid, dass die CDU der SPD nicht vorwerfe, direkt an der Spionage beteiligt zu sein. Doch dass die Sozialdemokraten in einer Pressemitteilung auf die Enthüllungen hingewiesen haben, sei nicht in Ordnung - die Partei werde so zum Nutznießer einer Straftat.

Das Übel für Krautscheid sind aber offenbar die Blogger. "Es ist eine neue Qualität, dass ein Blog mit geklauten E-Mails arbeite", zitiert das Handelsblatt den CDU-Mann.

Gegen den Vorwurf des Diebstahls und der Drohungen wehren sich wiederum die Blogger. "Wir haben keine Papiere geklaut", steht auf wir-in-nrw-blog.de. "Wir haben Dokumente aus dem inner circle der CDU - und die veröffentlichen wir." Die Seite hat für potentielle Informanten extra einen Briefkasten eingerichtet, in dem man nicht nur Tipps, sondern auch Dokumente hinterlegen kann. Doch "Wir-in-NRW" legt Wert drauf: "Wir sind kein Anti-Rüttgers-Blog."

David Schraven, Autor bei ruhrbarone.de, relativiert auch seine "Drohung": Die "bösen Storys" würden nicht nur in Blogs, sondern in allen möglichen Medien erscheinen - und auch er wisse nicht, woher der nächste Schlag kommt.

"Wir in NRW" wird betrieben von Alfons Pieper, dem ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) und einigen weiteren Journalisten. Pieper schreibt als Einziger mit Klarnamen, alle anderen Autoren verwenden Pseudonyme. Anliegen der Seite ist es, kritischen Journalismus für Nordrhein-Westfalen zu betreiben. Die Selbstdarstellung der "Ruhrbarone" beschränkt sich auf "Journalisten bloggen das Revier", das Blog hat jedoch schon häufiger durch Exklusivgeschichten für Aufsehen gesorgt.

Ob es der Staatsanwaltschaft oder der CDU rechtzeitig vor der Landtagswahl gelingt, die undichte Stelle auszumachen, ist unwahrscheinlich. Sicher dürfte aber sein, dass es für Rüttgers bei der Landtagswahl eng wird.

In einer Forsa-Umfrage für den Stern sackte die NRW-CDU im Vergleich zum Vormonat um drei Punkte ab, SPD und Grüne gemeinsam überflügeln nun erstmals die schwarz-gelbe Koalition. Ministerpräsident Rüttgers selbst verlor sogar fünf Prozentpunkte an Zustimmung.

Das wird selbst den "Maulwurf" überrascht haben.

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