Castro-Gedenken:Kein Held für alle

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Zum Tode Fidel Castros erklärt EU-Kommissionspräsident Juncker, der Kubaner sei "ein Held für viele gewesen". Das löst vor allem bei Osteuropäern Proteste aus. Junckers Sprecherin antwortet: Ein Christdemokrat tanzt eben nicht, wenn jemand stirbt.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Es galt, Worte zu finden zum Tod einer prägenden Figur der internationalen Politik. EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fanden sie gemeinsam. Sie erkannten die Rolle des Verstorbenen "auf der Weltbühne" an und würdigten sein Vermächtnis. Das war im September, als der frühere israelische Präsident Schimon Peres starb. Auch nach dem Tod des langjährigen kubanischen Staats- und Revolutionsführers Fidel Castro gab es in Brüssel eine Erklärung - allerdings mit nur einem Absender: Juncker. Durch den Tod Castros, schrieb dieser, habe die Welt einen Mann verloren, "der ein Held war für viele".

Die Möglichkeit einer gemeinsamen Erklärung war auch diesmal routinemäßig sondiert worden, aber von Tusks Seite aus verworfen worden. Die von Juncker gewählten Worte hätte Tusk, ein über Jahre in der antikommunistischen Opposition seines Landes aktiver Pole, auch kaum unterschrieben. Mit seinem Kondolenzschreiben hat der luxemburgische Christsoziale Juncker Befremden im östlichen Teil der EU ausgelöst.

Ein Christdemokrat tanzt nicht, wenn jemand stirbt, sagt der Sprecher

Castro sei für einige vielleicht eine "romantische Legende", twitterte der tschechischische Außenminister Lubomír Zorálek, ein Sozialdemokrat. Castro habe sich zwar anfangs für demokratische Reformen eingesetzt, dann aber die "Opposition unterdrückt, die Presse zensiert und Emigration verboten". Und vor allem: "1968, als es bei uns auch um Freiheit ging, hat er sich beim Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei auf die Seite der Sowjetunion gestellt."

Junckers Sprecher wies jegliche Kritik an der Kondolenzerklärung am Montag zurück. Die Passage, in der Castro als "Held für viele" gewürdigt werde, mache nur zwanzig Prozent des Textes aus. Juncker habe - wie danach auch US-Präsident Barack Obama - betont, dass die Geschichte über Castro urteilen müsse. Der Kommissionspräsident habe sich für eine "ausgewogene Würdigung des historischen Weges von Fidel Castro" entschieden. Überdies werde Juncker nach der Nachricht vom Tod Castros "nicht vor Freude auf der Straße tanzen", sagte der Sprecher. "Er ist ein Christdemokrat. Das tut er nie, wenn jemand stirbt", erläuterte er.

Mehr Zurückhaltung hätten sich allerdings auch Mitglieder von Junckers EU-Kommission gewünscht. "Fidel Castro war ein Diktator, der sein Volk 50 Jahre lang unterdrückt hat. Seltsam, heute all die Würdigungen in den Nachrichten zu hören", twitterte die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Auch dafür hatte Junckers Sprecher eine Erklärung: "In Kuba mag es keine Redefreiheit geben, in der EU-Kommission schon."

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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