Castor-Transport:Gewalt am Gleisbett

Castor-Gegner stürmen die Bahngleise nahe Gorleben, um mit dem "Schottern" zu beginnen. Es kommt zur Eskalation: Polizisten setzen Pfefferspray und Schlagstöcke ein - und werfen den Aktivisten vor, als erste angegriffen zu haben.

An der Castor-Strecke ist es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Atomkraftgegnern gekommen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, als mehrere tausend Demonstranten versuchten, die Gleise zu stürmen. Bisher gelang es den Atomkraftgegnern nicht, massenhaft Steine aus dem Gleisbett zu ziehen. Mit dem "Schottern" wollen sie den Castor-Zug stoppen.

Castor - Nuclear Waste Transport

Zusammenstöße an der Castor-Strecke: Polizisten versuchen in der Nähe von Leitstade, Demonstranten von den Gleisen fernzuhalten, während diese versuchen,d as Gleisbett unter den Schienen abzutragen.

(Foto: Getty Images)

Die Polizei rechtfertigte den Gewalteinsatz: Die Einsatzkräfte seien massiv angegriffen worden, mit Signalmunition und Feuerwerkskörpern. Die Demonstranten sprachen von rund einem Dutzend Verletzten.

Auch ein Wasserwerfer soll im Einsatz gewesen sein - allerdings laut Polizei nur, um ein Feuer zu löschen. Dem widersprach der Sprecher der Aktion "Castor Schottern". Christoph Kleine gab an, dass die Polizei auch mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Aktivisten vorgegangen sei. Der ganze Wald rings um die Bahnstrecke sei "voll mit Tränengas eingenebelt" worden.

Am Sonntagmorgen lösten Sicherheitskräfte eine Traktor-Blockade von Bauern auf der möglichen Castor-Strecke auf. Die vier in Dannenberg-Splietau ineinander verkeilten Traktoren seien sichergestellt worden, sagte ein Polizeisprecher. Zudem sollten 50 Traktoren, die an der Straße standen, entfernt werden.

Der Transport selbst kommt unterdessen nur langsam voran: Wie die Bundespolizei in Koblenz mitteilte, wurde der Zug am frühen Sonntagmorgen im Norden Hessens gestoppt, nachdem sich zwei Aktivisten von einer Brücke abgeseilt hatten. Nach einer längeren Verzögerung konnte der Castor-Transport seine Fahrt fortsetzen. Mittlerweile rollt der Zug durch Niedersachsen, wo sein Ziel, das Zwischenlager Gorleben liegt.

Laut Polizei überquerte der Zug mit den elf Spezialbehältern bei Göttingen die Grenze des Bundeslandes. Auf seiner letzten Etappe durch Hessen war er zuvor von Atomkraftgegnern südlich von Kassel fast zwei Stunden lang aufgehalten worden.

Die Aktivisten hätten sich in der Nähe des Ortes Morschen aus etwa 75 Metern von der Fuldatalbrücke abgeseilt und dadurch die Weiterfahrt des Castor-Transportes behindert, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei. Etwa 50 Atomkraftgegner hätten zudem die Gleise blockiert. Die Blockade sei von der Polizei aufgelöst worden. Der Zug sei für eine Dauer von rund einer Stunde und vierzig Minuten angehalten worden.

Bereits am Samstagabend war der Castor-Transport nach Angaben von Atomkraftgegnern in Darmstadt kurzzeitig gestoppt worden. Dabei wurde auch die Vorsitzende der Landtagsfraktion der Linken in Hessen, Janine Wissler, für anderthalb Stunden in Polizeigewahrsam genommen, wie ein Sprecher der Landtagsfraktion sagte. Die beiden Politiker hätten sich mit anderen Atomkraftgegnern auf die Gleise gestellt.

Greenpeace warnt vor Achsenbruch

Eine Überprüfung der Achsen des Castor-Transports ergab nach Polizeiangaben unterdessen keine Mängel. Es seien keine Anomalien festgestellt worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte zuvor mitgeteilt, dass auf Infrarotbildern erhöhte Temperatur an einer Achse zwischen den Castorwaggons festgestellt worden sei und forderte eine Untersuchung. "Eine Radachse zwischen Waggon sechs und sieben ist auf den Bildern deutlich wärmer als alle anderen", sagte Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. "Das darf nicht ignoriert werden, nicht bei dieser tödlichen Fracht, die in diesem Zug durch Deutschland fährt."

Gegen die Lieferung des Atommülls in das nahe Zwischenlager Gorleben hatten am Samstag im Wendland zehntausende Atomkraftgegner demonstriert. Nach Veranstalterangaben versammelten sich dort mehr als 50.000 Menschen. Am Rande der Kundgebung in Splietau kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Atomkraft-Gegnern und der Polizei. Die Aktivisten hätten in der Nähe des Kundgebungsgeländes eine Straße besetzt, sagte ein Sprecher der Polizei in Lüneburg. Die Demonstranten hätten herannahende Polizisten mit Steinen und Knallkörpern beworfen. Daraufhin seien die Beamten mit Knüppeln und Reizgas gegen sie vorgegangen.

Der Zug mit den elf Castor-Behältern mit Rückständen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Reaktorbrennstäbe hatte am Samstagmittag die deutsch-französische Grenze bei Kehl in Baden-Württemberg überquert. Dorthin war er wegen einer Gleisblockade von mehreren hundert Atomkraftgegnern auf seiner ursprüngliche Route über Rheinland-Pfalz umgeleitet worden. Der Transport hatte am Freitag die Wiederaufarbeitungsanlage im nordfranzösischen La Hague verlassen und soll am Montag in Gorleben eintreffen.

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