Castor-Lagerung:Atommüll sucht Zwischenhalt

Wo sollen die 26 Castoren hin, die demnächst anlanden? Das will Bundesumweltminister Altmaier bei einem Treffen mit den Energiekonzernen ausloten. Doch Gorleben ist tabu, viele Bundesländer verweigern sich, die Betreiber wollen nicht zahlen. So gerät der Endlagerkonsens in Gefahr.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was ein paar Lüftungsschächte in Brunsbüttel mit der Zukunft der Atommüll-Endlagerung in Deutschland zu tun haben können, erschließt sich nun wirklich nicht auf den ersten Blick. Da wäre also das Zwischenlager am mittlerweile stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel. Genehmigt für insgesamt 80 Castoren, stehen dort derzeit neun Behälter herum. Weitere elf kommen mindestens noch hinzu, sobald die restlichen Brennelemente genügend abgeklungen sind. Dann hat das Zwischenlager seinen Zweck erfüllt.

So ähnlich muss der Betreiber Vattenfall auch geplant haben, vor einem Jahr. Damals beantragte das Unternehmen, einige der Lüftungsschächte des Lagers für immer zu schließen. Erstens, weil weniger Castoren auch weniger Wärme erzeugen, die abgeleitet werden müsste. Zweitens, weil dies auch der Sicherheit dient, weshalb Vattenfall selbst von einem Antrag zur "Terrorabwehr" spricht. Nur bedeutet weniger Lüftung auch weniger Stellplätze. Von 80 wären danach noch 34 übrig, von denen wiederum 20 für das AKW reserviert sind. Und ziemlich genau hier beginnen die Probleme von Peter Altmaier.

26 Behälter suchen ein neues Ziel - Gorleben aber ist tabu

Gut zwei Wochen ist es her, dass der Bundesumweltminister von der CDU sich mit Ländern und Opposition auf einen Neustart bei der Suche nach einem Endlager einigte. Bis Juli soll das Gesetz Bundestag und Bundesrat passiert haben. Und bis dahin soll klar sein, was mit künftigen Castor-Transporten geschehen soll: Nach Gorleben, so setzte Niedersachsen seinerzeit durch, sollen sie nämlich nicht mehr.

Es bestehe "Einigkeit dahingehend", dass die Transporte "auf andere Zwischenlager verteilt werden sollen", heißt in einer Protokollerklärung zu dem Treffen. 26 Behälter, die in den nächsten Jahren aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague kommen sollten, suchen jetzt ein neues Ziel. Aber wo?

Brunsbüttel war Altmaiers Favorit. Nah am Meer, ein geeigneter Hafen, Stellplätze satt - "Brunsbüttel verdient den Vorzug", schrieb der Bundesumweltminister an seinen zuständigen Kollegen in Schleswig-Holstein, den Grünen Robert Habeck. Das Bundesland wäre sogar grundsätzlich bereit dazu, sieht aber andere Länder ebenso in der Pflicht. Auch Baden-Württemberg würde fünf Castoren übernehmen, die aus dem französischen La Hague zurückkommen. Das Brunsbüttel-Problem wäre damit aber immer noch nicht gelöst. Und das trotz bundesweit 400 dauerhaft freier Stellplätze für Castoren.

"Jetzt sind die anderen dran"

Andere Länder mit AKW-Standorten haben sich bisher nicht gemeldet. Niedersachsen sieht seine Schuldigkeit mit dem Zwischenlager in Gorleben getan. "Jetzt sind die anderen dran", heißt es im dortigen Umweltministerium. Hessen wiederum verweist auf die langen Transportwege. Bayern schweigt. "Befremdlicherweise hat sich kein anderes Bundesland dem Beispiel Schleswig-Holsteins und Baden-Württembergs angeschlossen", sagt der Kieler Umweltminister Habeck. "Seit dem Treffen vor zwei Wochen kann ich keinen politischen Fortschritt erkennen."

Dabei sind die Länder nur das eine Problem. Das andere sind die Betreiber selbst, also RWE, Eon, Vattenfall und EnBW. Sie müssten für die Zwischenlager Castor-Genehmigungen beantragen. Der Anreiz dazu ist gering, denn die Konzerne tragen das volle Risiko: Eine Genehmigung werden sie nur unter Auflagen erhalten. Beispiel Sicherheit: Ist ein Castor beschädigt, muss er auch am Standort repariert werden - ein Transport zu Vorrichtungen in Gorleben käme für den strahlenden Container wohl kaum infrage.

Die Lösung wäre eine "heiße Zelle" an jedem AKW-Lager, das einige der 26 Castoren übernimmt. Nur kostet jede einzelne Zelle hohe zweistellige Millionenbeträge. Warum die Betreiberfirmen, die eine gültige Genehmigung für die Transporte nach Gorleben schon lange besitzen, freiwillig diese Millionen zahlen sollten, ist bisher Altmaiers Geheimnis.

Die Unternehmen sind in einer bequemen Position

Diesen Mittwoch trifft sich der Minister mit den Stromkonzernen, um das weitere Prozedere zu klären. Aus Sicht seines Ministeriums sind die Investitionen für die Unternehmen "ohne Weiteres zu stemmen"; im Vergleich zu einem teuren Transport der Castoren nach Gorleben relativiere sich die ganze Last. Die Unternehmen selbst sehen das anders. Zwar sind die Verursacher per "Endlagervorausleistungs-Verordnung" verpflichtet, Kosten zu schultern. "Die Verordnung ist aber kein Blankoscheck", heißt es bei einem der Konzerne.

Einstweilen finden sich die Unternehmen in einer bequemen Position wieder: Sie müssen einfach nichts tun. Ohne Antrag keine Genehmigung, ohne Genehmigung keine anderen Zwischenlager. Und ohne andere Zwischenlager kein Endlagersuchgesetz - hatte doch Niedersachsen den Transport-Stopp nach Gorleben zur Bedingung für seine Zustimmung zum Suchgesetz gemacht. "Der ganze Konsens hängt an der Frage der Zwischenlager wie an einem seidenen Faden", heißt es in Kreisen der Atomaufsicht. Und den Betreibern wäre es gar nicht unlieb, wenn dieser Faden reißt. Schließlich sollen sie auch die teure Endlagersuche zahlen, obwohl sie an ihrem Favoriten festhalten: Gorleben.

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