Cap-Anamur-Prozess:Das Drama nach dem Drama

Vor fünf Jahren rettete Cap Anamur 37 Afrikaner aus Seenot, dann drohten dem einstigen Chef vier Jahre Gefängnis. Erst jetzt kam der Freispruch. Die Geschichte einer umstrittenen Rettungsaktion in Bildern.

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Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, AFP

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24. September 2009, irgendwo im Mittelmeer: 300 Afrikaner drängen sich auf einem winzigen Fischerboot. Sie alle haben eine lange Odyssee hinter sich, sie alle haben die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Europa. Doch diese Hoffnung wird wenig später durch ein französisches Schiff zunichte gemacht, das im Mittelmeer patroulliert, um die europäischen Außengrenzen zu schützen.

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Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, Reuters

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Wie viele Afrikaner sich jedes Jahr auf den teuren und lebensgefährlichen Weg durch die Sahara und übers Mittelmeer begeben, ist nicht bekannt. Doch Szenen wie diese sind vor allem im Sommer Alltag im Mittelmeer: Die Küstenwachen der Mittelmeerländer greifen Flüchtlingsboote auf. Die illegalen Einwanderer werden dann in Auffanglager gebracht, zum Beispiel auf die Insel Lampedusa, wo sie meist nur auf ihre Abschiebung in ihre Heimat warten.

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Cap Anamur, dpa

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Regelmäßig geraten die Flüchtlinge auf den überfüllten Booten in Seenot. So auch diese Männer. Im Juli 2004 drohte ihr Schlauchboot 100 Kilometer vor der italienischen Insel Lampedusa zu sinken. Das Schiff Cap Anamur rettete die 37 Afrikaner, die aus Ghana und Nigeria kamen, vor dem Ertrinken. Für die Retter gingen die Schwierigkeiten erst los.

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Cap Anamur, AP

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Weil das Schiff mit den Flüchtlingen zunächst in Maltas Hauptstadt Valetta vor Anker gegangen war, weisen Italien und Malta sich gegenseitig die Verantwortung für die 37 Afrikaner zu. Nach tagelanger Irrfahrt steuert der Frachter schließlich Porto Empedocle auf Sizilien an.

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Cap Anamur, AP

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Am Kai von Porto Empedocle warten italienische Carabinieri auf das Flüchtlingsschiff. Die Polizisten zögern nicht lange und bringen die Afrikaner im Bus zu einem Auffanglager. Dort recherchieren italienische Beamte die Personalien der Neuankömmlinge. Am Abend stellt das italienische Innenministerium klar, es handele sich nicht, wie von Seiten der Hilfsorganisation behauptet, um Flüchtlinge aus dem Sudan und aus Sierra Leone, sondern um Ghanaer und Nigerianer. Da in diesen Ländern anders als im Sudan keine Bürgerkriege wüten, verlieren die Flüchtlinge die Aussicht auf Asyl und werden wenig später abgeschoben. Doch Italien lässt nicht nur die Flüchtlinge spüren, dass sie nicht mit italienischer Gastfreundschaft rechnen können.

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Cap Anamur, Bierdel, dpa

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Auch auf den Chef der Hilfsorganisation Cap Anamur, Elias Bierdel, und den Kapitän des Schiffes, Stefan Schmidt, wartet die Polizei. Beiden wird "Begünstigung der illegalen Einwanderung" vorgeworfen. Doch Kritik an der Rettungsaktion kommt nicht nur aus Italien. Vor allem der ehemalige Radioreporter Bierdel gerät unter Druck. Der Vorwurf: Bierdel habe das Flüchtlingdrama zu einer PR-Show gemacht. Der Cap-Anamur-Chef war mit TV-Teams im Schlepptau nach Tunis geflogen, um dort fernsehgerecht an Bord des Flüchtlingsschiffs zu gehen und ließ sich später am Hafen von Porto Empedocle in Siegerpose fotografieren.

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Cap Anamur, Neudecker, dpa

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Einer der schärfsten Kritiker der Aktion war der Gründer von Cap Anamur, Rupert Neudeck: "Am Ende hat Bierdel gar nichts erreicht und das Unternehmen Cap Anamur in große Gefahr gebracht", sagte Neudeck seinerzeit der SZ. Er fürchte, dass der gute Name Schaden erlitten habe - durch die handwerklichen Fehler, die Bierdel verantworten müsse.

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Cap Anamur, Neudecker, AP

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Der gute Name von Cap Anamur hat eine lange Geschichte: Vor 30 Jahren lief die erste Cap Anamur erstmals aus. Von 1979 bis 1986 rettete Neudecks Hilfsorganisation mit dem Frachter mehr als 10.000 vietnamesische Flüchtlinge, die sogenannten "boat people" auf dem südchinesischen Meer. Ein Mythos war geboren.

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Cap Anamur, Schmidt, dpa

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Doch der Ruf von einst hat gelitten. Im November 2006 begann der Prozess gegen Bierdel und Kapitän Schmidt (Foto). Bierdel und Schmidt drohten wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung in einem besonders schweren Fallvier Jahre Gefängnis ohne Bewährung und eine Geldbuße von 400.000 Euro. Die Verteidiger plädieren auf Freispruch.

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Cap Anamur, Schmidt, Reuters

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Erst mehr als fünf Jahre nach der Rettungsaktion fällt das Gericht schließlich das Urteil - und spricht Bierdels und Schmidt frei. Beide zeigten sich am Mittwoch glücklich über den Ausgang des dreijährigen Prozesses. Bierdel, der einen Schuldspruch aus "politischen" Gründen befürchtet hatte, sagte, der Freispruch sei eine "echte Sensation". Schmidt erklärte: "Dieses Urteil ist wichtig für alle, die Gutes tun." Auch die Hilfsorganisation Cap Anamur reagierte mit großer Erleichterung. "Der Freispruch ist das folgerichtige Urteil eines fragwürdigen Strafprozesses. Denn die Rettung von Menschenleben darf nicht juristisch geahndet werden", erklärte die Organisation.

Text: Wolfgang Jaschensky; Foto: Reuters

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