Bushs Bilanz:Verlorene Jahre

Nach acht Jahren tut George W. Bush das, was viele Amerikaner sich schon früher gewünscht haben: Er verlässt das Weiße Haus. Wie der 43. Präsident der USA scheiterte.

Reymer Klüver, Washington

Wenn die Geschichte ihr Urteil auch noch nicht endgültig gesprochen haben mag, die Zeitgenossen haben es längst gefällt. Es ist ein harscher Spruch: George W. Bush gilt als einer der allerschlechtesten Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Nur 28 Prozent der US-Bürger sind gegenwärtig noch froh, ihn als Präsidenten zu haben. Richard Nixon, der mit Schimpf und Schande aus dem Weißen Haus gejagt wurde, hatte mit 27 Prozent nicht wirklich viel schlechtere Werte.

Bushs Bilanz: George W. Bush am Ende seiner Amtszeit: Niemand wird sagen können, dass Amerika nach seiner Regierung besser dasteht als zuvor.

George W. Bush am Ende seiner Amtszeit: Niemand wird sagen können, dass Amerika nach seiner Regierung besser dasteht als zuvor.

(Foto: Foto: Reuters)

Bush selbst tröstet sich mit dem Verweis auf Harry Truman. Dieser ging auf dem Höhepunkt des Korea-Kriegs mit ähnlich niederschmetternden Umfragewerten aus dem Amt. Mit dem Abstand eines halben Jahrhunderts aber gilt Truman als einer der besseren Präsidenten der Weltmacht. Immerhin hatte er eine Sicherheitsarchitektur hinterlassen, die der Menschheit einen dritten Weltkrieg ersparte. Was aber hinterlässt Bush?

Die Präsidenten, mit denen er in einem Atemzug genannt wird, gelten den Amerikanern noch immer als Parias im Weißen Haus: James Buchanan, der die Nation dem Bürgerkrieg entgegenschlittern ließ. Herbert Hoover, der der Großen Depression tatenlos zusah.

Und tatsächlich wird niemand sagen können, dass Amerika nach den Bush-Jahren besser dasteht als zuvor.

Bush hat das Land in einen völlig unnötigen Krieg im Irak geführt, der mehr als 4000 US-Soldaten das Leben gekostet hat - von den Abertausenden von Opfern im Irak zu schweigen.

Er hat das Ansehen Amerikas in der Welt verspielt, indem er Terrorverdächtige foltern und ohne Aussicht auf eine Anhörung einsperren ließ.

Er hat die Grundrechte der Amerikaner ausgehöhlt, indem er in präsidentieller Machtvollkommenheit seine Geheimdienste ohne gerichtliche Anordnung Telefone und E-Mails in den USA überwachen ließ.

Er hat reiche Amerikaner mit Steuergeschenken verwöhnt und die Armen strampeln lassen.

Er hat die sich anbahnende Klimakatastrophe einfach ignoriert.

Er hat dem Untergang einer Metropole zugesehen: Die Bundesbehörden versagten nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans und an der Golfküste.

Und nun hinterlässt Bush seinen Landsleuten und der Welt auch noch die gewaltigste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression.

Bushs Leistungen

Und wo bleibt das Positive? Immerhin, muss man zugestehen, hat Bush aus seinen eigenen Fehlern gelernt. Im Irak hat er - nach Jahren des Zauderns und Zögerns und nachdem immenser Schaden entstanden war - das Ruder herumgeworfen und tatsächlich die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Weltmacht abziehen kann, ohne dass es so aussieht, als würde sie sich davonstehlen.

Außenpolitisch hat er sich in seiner zweiten Amtszeit zusehends von Pragmatismus leiten lassen, den er in der ideologischen Verblendung seiner ersten Amtsperiode so schmerzlich hat missen lassen. Er hat sich Iran und Nordkorea, die er anfangs auf der "Achse des Bösen" verortete, mit diplomatischen Mitteln zu nähern gesucht.

Verlorene Jahre

Die Krise über die Atomrüstung Nordkoreas wurde so einstweilen entschärft. Er hat die diplomatischen Avancen der Europäer gegenüber Iran unterstützt. Das war eine Abkehr vom Unilateralismus seiner ersten Jahre, als er glaubte, der Welt sagen zu können, wo es langgeht. Und wer nicht mitmachte wie die Deutschen oder Franzosen, wurde verachtet. Wenn man selbst wohlmeinende Verbündete verprellt, so immerhin die späte Einsicht, kommt auch die einzige Supermacht der Welt nicht weiter.

Und wenn man dem Bericht der New York Times glauben schenken darf, dann hat Bush sogar eine potentielle Katastrophe im Nahen Osten verhindert, als er die Israelis im vergangenen Jahr davon abbrachte, Atomanlagen in Iran bombardieren zu wollen.

Aber Bush hat auch von vornherein außenpolitisch einiges richtig gemacht. Nicht zu Unrecht ist er stolz auf das humanitäre Engagement der USA in Afrika. Seine Milliarden für Gesundheitsprogramme haben mindestens zwei Millionen Aidskranken in Afrika ein besseres Leben ermöglicht. Auch im Kampf gegen die Malaria gibt es dank amerikanischer Hilfe Fortschritte. Dass er im Kampf gegen den Terror auch Unrechtsregime in Afrika gestützt und dem Völkermord in Darfur zugesehen hat, steht auf einem anderen Blatt.

Reiche wurde noch reicher

Gegenüber den aufstrebenden Weltmächten in Asien, China und Indien hat er Amerika nicht als Gegner, sondern als Partner positioniert. Nichts hat sein Werben um China mehr symbolisiert als sein Besuch der Olympischen Spiele dort im vergangenen Sommer. Und der Atomdeal mit Indien hat die Chance für eine neue strategische Partnerschaft eröffnet und beide Länder einander so nahe gebracht wie nie zuvor.

Auch im Inneren kann Bush auf Erfolge verweisen (und tut das auch): Es stimmt einfach, dass die USA seit der Attacke vom 11. September 2001 nicht mehr Ziel islamistischer Terroristen waren. Der nach den Anschlägen errichtete monströse Sicherheitsapparat hat weitere Angriffe bisher verhindert.

Seine Steuerpolitik hat die Reichen in den USA zwar nur noch reicher gemacht, und das Realeinkommen vieler Amerikaner ging sogar zurück. Aber trotz des aberwitzig teuren Kriegs im Irak und trotz Katrina verzeichneten die USA bis kurz vor Ende seiner Amtszeit Wachstumsraten, wie sie sonst eher in den dynamischen Ländern Asiens üblich sind. Auch wenn es heute katastrophal anders aussieht: Lange brummte die amerikanische Wirtschaft, und nicht zuletzt deshalb wurde Bush 2004 auch wiedergewählt, obwohl er schon damals nicht mehr wirklich beliebt war.

Die Bildungsinitiative "No Child Left Behind", die er zu Beginn seiner ersten Amtszeit ergriffen hatte, hat ihm viel Kritik beschert. Und rasch absorbierte auch der Krieg gegen den Terror alle Aufmerksamkeit des Präsidenten, der eigentlich mit einer bildungspolitischen Reformagenda hatte punkten wollen.

Das verhängnisvolle Motto

Aber Bush hatte den Finger auf eine schwärende Wunde gelegt. Und die Initiative, die Zuschüsse für die Schulen der einzelnen Bundesstaaten von Mindeststandards in den Testergebnissen der Schüler abhängig macht, hat schon zu einer Verbesserung des Angebots der Schulen geführt. Allerdings ist diese doch weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Weshalb Barack Obama eine neue Bildungsoffensive versprochen hat.

Zumindest die ärmeren Rentner Amerikas werden Bush auch wegen seiner Gesundheitsinitiative in Erinnerung behalten. Seit 2006 übernimmt die staatliche Krankenversicherung für Alte, Medicare, immerhin zum Teil die Kosten für rezeptpflichtige Arzneien - was zweifellos ein Fortschritt ist. Und Bush selbst hat es in den letzten Tagen als eine seiner innenpolitischen Errungenschaften bezeichnet, dass er sich an die Reform des Einwanderungsrechts gewagt hat. Er wollte den vermutlich zwölf Millionen illegalen Einwanderern in den USA endlich die Möglichkeit geben, amerikanische Staatsbürger zu werden. Zwar ist er damit am Widerstand aus den Reihen seiner eigenen Partei, vor allem der rechten Basis der Republikaner, gescheitert. Aber zweifellos ist es ein Verdienst Bushs, dass er versucht hat, die unhaltbare Situation zu ändern.

Doch das ist vielleicht das verhängnisvolle Motto überhaupt für Bushs Amtszeit: Er hat einiges versucht - und ist so oft, so verhängnisvoll gescheitert.

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