Bush-Besuch:Wirbel in Wien

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Nach 27 Jahren kommt wieder ein US-Präsident in die Stadt. Und Wien ächzt unter dem Druck der Sicherheitsvorkehrungen. Nur Washingtons wildeste Forderungen wurden ignoriert, etwa die, alle Häuser am Weg vom Flughafen ins Zentrum zu räumen.

Michael Frank

Ein unvorhergesehenes Feuerwerk gab es in der österreichischen Hauptstadt zur Begrüßung des amerikanischen Präsidenten George W. Bush:

Die Polizei musste vier Bombenattrappen sprengen, die Unbekannte am Dienstag kurz vor der abendlichen Ankunft des Gastes zum Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und den USA im Zentrum Wiens deponiert hatten.

Die Stadt ächzt unter dem Druck der Sicherheitsvorkehrungen für die Gespräche an diesem Mittwoch. Die Verantwortlichen in Österreich haben nur Washingtons wildeste Forderungen ignoriert, etwa die, alle Häuser am Weg vom Flughafen ins Zentrum zu räumen.

Symbolischer Wert

Die Wiener Behörden hatten im Mai beim Gipfeltreffen der EU mit den Lateinamerikanern, als 60 Staats- und Regierungschefs anrückten, bewiesen, wie diskret hohe Sicherheit sein kann.

Der einzelne Gast aus dem Norden des amerikanischen Kontinents verlangt eben einen ganz anderen Aufwand.

Wien als Tagungsort ist nicht nur dem Ende Juni auslaufenden Vorsitz Österreichs in der EU geschuldet.

Bushs Treffen mit dem Ratsvorsitzenden Wolfgang Schüssel, dem Kommissionschef Jose Manuel Barroso sowie dem Außenbeauftragten Javier Solana hat auch symbolischen Wert:

Wien ist gleichsam die Welthauptstadt der Energie. Hier residiert das Welt-Ölkartell Opec und die Internationale Atomenergiebehörde IAEA. Der übermäßige Konsum an fossilen Brennstoffen und die Versorgungssicherheit sind eines der großen Themen.

Drohungen und Angebote

Skeptisch registrierte man, dass Bush Iran noch am Montag erneut mit Sanktionen drohte, wo doch in Wien ständig mit den Iranern wegen der umstrittenen Urananreicherung verhandelt wird und sich erste Lösungsmöglichkeiten abzeichnen.

Mit neuem Selbstbewusstsein registriert die EU, dass sich der amerikanische Präsident nur einen Monat vor einer weiteren Europavisite anlässlich des G-8-Konferenz zu einem Gipfeltreffen begibt, das routinemäßig jedes Jahr stattfindet.

Alte Frontstellungen in der EU wegen des Irak-Kriegs sind längst gemildert, verwischt oder sogar aufgehoben. Österreichs Bundeskanzler Schüssel scheint entschlossen zu sein, Bushs Postulate für Freiheit, Recht und Demokratie mit der Aufforderung an den Gast zurückzugeben, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen. So hat er es noch am Dienstag dem EU-Parlament versprochen.

Wien ist stolz, nach dem Besuch von Jimmy Carter 1979 endlich wieder einen amerikanischen Präsidenten zu beherbergen. In den meisten Fällen erscheinen so hochmögende Herrschaften aber nicht Österreichs und seiner Hauptstadt wegen, sondern aus übergeordnetem Anlass. Immerhin ist dabei schon Geschichte geschrieben worden, wie im Jahr 1961 bei dem Treffen zwischen John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow.

Es wird auch kurze bilaterale Gespräche geben - in Harmonie, sofern die Österreicher ihren früheren Bundespräsidenten Kurt Waldheim gut genug verstecken. Der steht in den USA noch immer auf der Liste der unerwünschten Personen, und da verstehen die Amerikaner keinen Spaß. Noch eine andere, dem Weißen Haus unbequeme Bekannte ist nach Wien gekommen: Cindy Sheehan, die ihren Sohn im Irak-Krieg verloren hat, wird auch hier für den Frieden demonstrieren.

© SZ vom 21.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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