Burkina Faso:Putsch gegen die Hoffnung auf Frühling in Afrika

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Nach dem Sturz der Übergangsregierung füllten sich die Straßen der Hauptstadt Ouagadougou mit Demonstranten. (Foto: AP)

Nach Jahrzehnten der Diktatur strebte Burkina Faso zur Demokratie - und war dem Kontinent ein Vorbild. Nun gerät es wieder unter die Stiefel des Militärs.

Kommentar von Isabel Pfaff

Vor ungefähr einem Jahr geschah etwas Unglaubliches in Burkina Faso: Unter dem Druck von Straßenprotesten trat der autoritäre Präsident des westafrikanischen Landes nach 27 Jahren an der Macht zurück - einfach so, fast ohne Blutvergießen. Seine bereits aufgefahrenen Panzer machten kehrt und besiegelten den Sieg einer mutigen Zivilgesellschaft über den ungeliebten Langzeitherrscher Blaise Compaoré.

Der ganze Kontinent blickte damals verwundert nach Westen. Plötzlich war das Wortpaar "Afrikanischer Frühling" in der Welt - und mit ihm die Hoffnung auf eine neue Ära, in der sich Afrikas Staatschefs endlich ihrer demokratiehungrigen Jugend beugen.

Angespornt von ihren Mitstreitern aus Burkina Faso wagen Aktivisten in Burundi und im Kongo ähnliche Proteste. Dort versuchen die Präsidenten, mit Verfassungstricks an der Macht zu bleiben. Doch die Aufstände werden auch immer wieder brutal niedergeschlagen. In Burundi hat die Gewalt inzwischen Zehntausende in die Flucht getrieben; in Kongos Hauptstadt Kinshasa wurden erst vor wenigen Tagen wieder Demonstranten zusammengeschlagen. Nur Burkina Faso machte den Aktivisten bisher immer neuen Mut: Nach dem geglückten Aufstand lenkte dort eine Übergangsregierung das Land. Eine lebendige Zivilgesellschaft begleitete die politischen Entwicklungen mit kritischem Blick. Die Vorbereitungen der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 11. Oktober waren in vollem Gange.

Damit ist es wohl vorbei. Am Mittwochnachmittag nahmen Mitglieder der Präsidentengarde (RSP) den Übergangspräsidenten, den Premier und zwei Minister in Geiselhaft. Am Tag darauf erklärte ein Mann in Uniform im Fernsehen die Übergangsregierung für abgesetzt und einen bis dahin unbekannten "Nationalen Rat für Demokratie" zur neuen Exekutive.

Burkina Faso stand für Aufbruch und Demokratie - das ist vorbei

Ein veritabler Militärputsch also, ausgeführt von der berüchtigten RSP. Diese Garde von insgesamt 1300 Mann ist eine mächtige Eliteeinheit der Armee, eine Art Staat im Staate. Und: Sie gilt als loyal zum geschassten Ex-Präsidenten Compaoré. Nach dessen Rückzug von der Macht hatte sie kurz das Ruder an sich gerissen, übergab die Geschäfte aber auf internationalen Druck hin an eine zivil geführte Übergangsregierung. Als die Regierung aber Anstalten machte, die im Volk gefürchtete Einheit aufzulösen und in der regulären Armee aufgehen zu lassen, ließ die Garde ihre Muskeln spielen - niemand im Militär ist so gut ausgerüstet und trainiert wie sie. Die Garde konnte ihre Auflösung immer wieder verhindern, indem sie Druck auf die Regierung ausübte. Und in Burkina Faso wusste jeder: Solange es die RSP gibt, ist das Regime von Compaoré nicht abgelöst. Der Putsch beweist das auf traurige Weise.

Kehrt Afrikas jüngster Hoffnungsträger also zur Militärdiktatur zurück? Wenn ja, haben die Afrika-Pessimisten wieder einmal recht bekommen, haben die Demokratie-Anhänger des Kontinents kein Exempel mehr, das sie motiviert. Nun hat der ominöse "Nationale Rat für Demokratie" auch noch Gilbert Diendéré zum neuen Machthaber erklärt - einen RSP-Mann und langjährigen Sicherheitschef von Blaise Compaoré. Die Loyalitäten der Putschisten sind überdeutlich.

Doch die Straßen in der Hauptstadt Ouagadougou haben sich sofort gefüllt mit Demonstranten, die sich ihren Sieg vom vergangenen Herbst nicht nehmen lassen wollen. Die burkinische Zivilgesellschaft ist stark. Wenn sie schnell Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft erhält - allen voran von den Vermittlern der Afrikanischen Union, der EU und den UN - , kann sie das Geburtsland des Afrikanischen Frühlings vielleicht vor einem Rückfall bewahren. Für den Kontinent wäre das ein nicht zu unterschätzendes Signal.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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