Burka-Verbot in Frankreich:Ohne Schleier in der Metro

Ganzkörperschleier sind in Frankreich wohl bald verboten, das Parlament hat am Dienstag für ein entsprechendes Gesetz gestimmt. Die Bevölkerung ist zwar dafür, wirklich zu interessieren scheint das Thema aber nicht mehr.

Dana Hoffmann

Es ist ein Gesetz, das gerade einmal 0,003 Prozent der Bevölkerung betrifft. Etwa sechs Millionen Muslime leben in Frankreich, aber nur knapp 2000 Frauen tragen einen Ganzkörperschleier. Dennoch: Diese kleine Gruppe steht neben Finanzkrise und Arbeitslosigkeit ganz oben auf der politischen Agenda der französischen Politik. Jetzt hat die Nationalversammlung über ein Verbot der Vollverschleierung abgestimmt. Die deutliche Mehrheit von 336 Abgeordneten des parlamentarischen Unterhauses war für das Gesetz, das die Gesichtsverschleierung aus der Öfffentlichkeit verbannt. Es gab nur eine Gegenstimme.

Belgien steuert auf Burka-Verbot zu

Die Burka (Bild) gewährt Frauen nur den Blick durch ein Sichtgitter, der Niqab lässt einen Schlitz auf Augenhöhe frei.

(Foto: dpa)

Bevor allerdings verhüllte Frauen tatsächlich aus der Pariser Metro und von den Straßen verbannt werden dürfen, muss im September noch der Senat über das Gesetz entscheiden. Auch hier hat die regierende konservative UMP die Mehrheit. Sollte das Oberhaus das Gesetz nicht wie erwartet durchwinken, kann die Nationalversammlung es aber trotzdem beschließen.

Die UMP kündigte außerdem an, das Gesetz solle vor Inkrafttreten vom Verfassungsgericht überprüft werden. Der Staatsrat als juristisches Beratergremium der Regierung hatte Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines völligen Burkaverbotes geäußert.

Frankreich wäre nach Belgien das zweite Land, in dem religiös bedingte Vollverschleierung bestraft wird. Frauen, die auf offener Straße Burka oder Niqab tragen, sollen mit 150 Euro sowie einem Kurs in Staatsbürgerkunde belegt werden. Männer, die ihre Frauen oder minderjährigen Töchter zum Tragen des Schleiers zwingen, müssen mit bis zu 60.000 Euro Strafe und zwei Jahren Haft rechnen.

Nicht zufällig kam das Thema, sechs Jahre nachdem in Frankreich das Tragen auffälliger religiöser Symbole wie Kopftuch, Kippa oder Kreuz an Schulen verboten wurde, wieder aufs Tableau: Die UMP erhielt bei der Regionalwahl im März nur knapp 30 Prozent der Stimmen. Viele derer, die Sarkozy noch 2007 zum Präsidenten gewählt hatten, waren zur rechtsextremen Partei Front National abgewandert. Sarkozy reagierte und ging am rechten Rand fischen: Er wolle die Sicherheitspolitik im Land verstärken, härter gegen Kriminelle vorgehen, versprach er. Und dann noch das Burka-Verbot. Offiziell heißt es "Verbot der Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit". Jeder Verweis auf den Islam wurde nach Protesten von Amnesty International und einigen Abgeordneten der Sozialistischen Partei aus dem Gesetzentwurf getilgt, die Begriffe Burka und Niqab tauchen nicht auf. Für Atemschutzmasken und Karnevalsverkleidungen soll es Ausnahmen vom Verhüllungsverbot geben.

Nach monatelanger Diskussion hat sich die Stimmung verändert. War das umstrittene Burka-Verbot noch Anfang des Jahres Aufreger-Thema in allen großen französischen Zeitungen, fand im Vorfeld der aktuellen Abstimmung kaum eine Diskussion statt. Die Affäre um die L'Oreal-Erbin Liliane Bettencourt hat die Burka aus den Schlagzeilen verdrängt.

Aufsehen erregte zuletzt der Fall einer Konvertitin in Nantes, die mit einem Niqab, einem Schleier mit Sehschlitz, Auto fuhr und deshalb 22 Euro Strafe zahlen musste. Die Diskussion, die sich daraus entsponn, hatte mit der eigentlichen Sache nur noch wenig zu tun: Dem Mann der verschleierten Frau wurden Polygamie und Verbindungen zu einer Terror-Gruppe angelastet. Die Auswirkungen auf die Burka-Debatte wurden jedoch kurz darauf deutlich: Einer Resolution, die Burka und Niqab als unvereinbar mit den Werten der Republik bezeichnete, schloss sich vor drei Monaten eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten an, Sozialisten inbegriffen. Bei der Abstimmung will sich die Partei ebenso wie die Kommunisten enthalten. Einzig die Grünen haben Gegenstimmen angekündigt. Sie haben vier Sitze in der Nationalversammlung. Auch die Organisation "Ni Putes Ni Soumises" ("Weder Huren noch Unterwürfige"), die sich für die meist muslimischen Frauen in den Banlieues einsetzt und Sarkozys Politik ansonsten kritisch sieht, hat sich eindeutig für das Verbot ausgesprochen.

Einer aktuellen Umfrage des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research zufolge unterstützen 82 Prozent der Franzosen den Gesetzentwurf der Regierung.

Ähnlichen Zuspruch gab es auch aus Deutschland. 71 Prozent sprachen sich für ein entsprechendes Verbot aus. Die türkischstämmige SPD-Politikerin und frühere Bundestagsabgeordnete Lale Akgün hatte sich im Januar dafür eingesetzt, auch in Deutschland ein Burka-Verbot zumindest für Schulen, Universitäten und sicherheitssensible Orte wie Bahnhöfe oder Flughäfen durchzusetzen. "Die Burka ist ein Ganzkörpergefängnis, das die Menschenrechte tief verletzt. Es wäre ein wichtiges Zeichen, die Burka in Deutschland zu verbieten", sagte Akgün damals der Frankfurter Rundschau.

Andere SPD-Politiker reagierten auf ihren Vorstoß und die Diskussion in Frankreich mit Ablehnung. "Wir haben da ein anderes Verständnis von Freiheit als die Franzosen", sagte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz demselben Blatt. "Ich wünsche mir einen aufgeklärten Islam, aber mit Zwang ist das nicht zu erreichen." Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CDU) hat sich zwar gegen ein generelles Burka-Verbot ausgesprochen. Muslimische Frauen im Staatsdienst sollen nach seinem Wunsch aber zumindest während der Arbeit keinen Schleier tragen.

Ob es überhaupt Frauen im deutschen Staatsdienst gibt, die derart verhüllt sind, ist nicht bekannt. Die Zahl der Burka-Trägerinnen in Deutschland ist allerdings nach Angaben des Zentralrats der Muslime ohnehin äußerst gering. Bei mehr als vier Millionen Muslimen in Deutschland seien die Burka-Trägerinnen an den Händen abzuzählen.

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