Pannen der Bundeswehr in Afghanistan (2):Rückreise ungewiss

Wenn die Ausnahme zur Regel wird: Viele Bundeswehrsoldaten müssen länger in Afghanistan bleiben als vorgesehen. Bei anderen wird der Einsatzbefehl an den Hindukusch in letzter Minute zurückgenommen.

Peter Blechschmidt

Eine richtige Beschwerde war es nicht einmal. "Am Rande" habe ihn eine Soldatin auf die lange Dauer ihres Einsatzes angesprochen, schreibt der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, in dem Bericht über seine jüngsten Truppenbesuche in Afghanistan. Sie sei eigentlich nur für sechs Wochen eingeplant gewesen, nun aber sei sie schon gut dreieinhalb Monate von zu Hause weg, habe die Soldatin erzählt. Auch wenn ihr die Aufgabe Spaß mache, finde sie doch den Umgang mit ihr unfair, zumal sie bei einem anderen Einsatz unerwartet über Weihnachten habe bleiben müssen.

German Bundeswehr On ISAF Deployment In Afghanistan

Einsatz mit ungewisser Dauer: Bundeswehrsoldaten in Afghanistan müssen bisweilen länger am Hindukusch ausharren als geplant.

(Foto: Getty Images)

Die Klage der Soldatin über ihre sogenannte Stehzeit gehört vermutlich in die Kategorie Einzelfall, in die so viele Beschwerden von Bundeswehr-Angehörigen im Auslandseinsatz offiziell einsortiert werden.

"Schleichende Verlängerung der Stehzeit"

Der Wehrbeauftragte allerdings sieht das ganz anders: "Ich beobachte seit einiger Zeit eine schleichende Verlängerung der Stehzeit im Einsatz von vier auf sechs oder sogar noch mehr Monate", sagte Königshaus der Süddeutschen Zeitung. "Das sind keine Einzelfälle mehr. Die Regelstehzeit darf vier Monate nicht überschreiten."

Wie lange sie im Einsatz bleiben müssen, ist für die Soldaten eine essentielle Frage - vor allem, wenn es um einen so gefährlichen Auftrag wie in Afghanistan geht.

Grundsätzlich, so die seit Jahren gültige Weisung, dauert ein Auslandseinsatz vier Monate. Doch inzwischen seien eher "vier Monate die Ausnahme und sechs Monate die Regel", bestätigten die beiden in Masar-i-Scharif tätigen Militärpfarrer dem Wehrbeauftragten.

Höhere Offiziere, die in Stäben Dienst tun, müssen sich von vornherein auf längere Abwesenheiten bis zu einem Jahr einstellen. Auch Spezialisten wie Bombenentschärfer oder die Fernmelder, die in Kandahar im Süden für die Telefon- und Internetverbindungen des riesigen Nato-Stützpunktes zuständig sind, müssen oft länger als vier Monate bleiben.

Für sie wie für Ärzte, Sanitäter oder Hubschrauberpiloten ist überdies schon seit langem die Regel außer Kraft gesetzt, dass ein Soldat nur einmal binnen 24 Monaten in den Einsatz gehen soll. Für sie stehe der nächste Einsatz bereits vier Monate nach ihrer Rückkehr in die Heimat wieder an, berichteten Fernmelder in Kandahar dem Wehrbeauftragten.

Ein Arzt klagte, er sei innerhalb von zwei Jahren im dritten Einsatz. Die häufigen Abwesenheiten von zu Hause sind ein wesentlicher Grund dafür, dass der Bundeswehr die Ärzte weglaufen.

Soldaten beklagen schlechte Planung

Für Überraschung sorgte Mitte Oktober die Ankündigung, dass eines der neugebildeten "Ausbildungs- und Schutzbataillone" (ASB) für sechs Monate nach Afghanistan gehen werde. Die ASB sollen das neue Konzept des Partnering umsetzen, das heißt, sie sollen gemeinsam mit afghanischen Soldaten im Zuge längerer Operationen Gelände von den Taliban zurückerobern und dort dauerhaft für Sicherheit sorgen. Um das notwendige Vertrauen zu den Afghanen aufzubauen, seien mindestens sechs Monate erforderlich, sagt das Verteidigungsministerium in Berlin.

Besondere Belastungen für Kameraden im Kampfeinsatz

Eine Überlegung, die für sich genommen nicht falsch ist. Nur war bis vor kurzem von sechsmonatigen Einsätzen der ASB nicht die Rede, wie neben anderen der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold kritisierte. Dass ausgerechnet Soldaten, die kämpfen müssen und deshalb besonders belastet sind, nun länger bleiben sollen, sei ein Treppenwitz, meint die SPD.

Für viele Soldaten sind die Unwägbarkeiten ihrer Einsatzdauer nicht nur Ergebnis von Personalknappheit, sondern schlicht von schlechter Planung. Es kommt vor, so hat Königshaus erfahren, dass Soldaten bei ihrer Ankunft in Afghanistan gar nicht erwartet und damit auch nicht abgeholt werden.

In Feisabad im Nordosten erzählten Soldaten, dass zwar ihre gesamte Kompanie sich hochmotiviert auf den Einsatz vorbereitet habe, dass aber unmittelbar vor der geplanten Abreise 55 Mann mitgeteilt worden sei, sie müssten zu Hause bleiben. Das sind dann 55 Einzelfälle mehr.

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