Bundeswehrskandal auf der "Gorch Fock":Guttenberg setzt Kommandanten ab

Erste personelle Konsequenzen aus dem Skandal auf der "Gorch Fock": Verteidigungsminister Guttenberg hat Kapitän Norbert Schatz des Kommandos enthoben. Das Schulschiff kehrt jetzt nach Deutschland zurück - seine Zukunft ist ungewiss.

Nach den Vorfällen auf der Gorch Fock hat Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erste personelle Konsequenzen gezogen: Er ließ Kapitän Norbert Schatz als Kommandant des Segelschulschiffs absetzen. Entsprechende Medienberichte bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin in der Nacht zum Samstag.

'Gorch Fock' - Kapitän Norbert Schatz

"Gorch Fock" - Kapitän Norbert Schatz auf einem Archivbild aus dem Jahr 2009: Nach den Vorfällen auf dem schulschiff hat Verteidigungsminister Guttenberg den Kommandanten abberufen.

(Foto: dpa)

Außerdem ordnete Guttenberg die sofortige Rückkehr der Gorch Fock nach Deutschland an. Die Zukunft des Dreimasters stellte er infrage. "Ich habe den Inspekteur der Marine angewiesen, den Kommandanten des Schiffes von der Führung des Schiffes zu entbinden", sagte Guttenberg der Bild am Sonntag. Nach Rückkehr in den Heimathafen Kiel solle das Schiff auch bis auf weiteres nicht mehr auslaufen. Die Gorch Fock werde aus der Fahrbereitschaft genommen, "bis eine noch einzusetzende Kommission auch unter Mitwirkung von Abgeordneten des Deutschen Bundestags beurteilt hat, inwieweit die Gorch Fock als Ausbildungsschiff und Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren Zukunft hat", sagte Guttenberg weiter.

Guttenberg reagierte damit auf Vorwürfe von Offiziersanwärtern über unzulässigen Zwang bei der Ausbildung auf dem Schulschiff. Dort war eine Kadettin beim Klettern in der Takelage aus 27 Metern Höhe zu Tode gestürzt. Außerdem sollen Mitglieder der Stammbesatzung Kadetten drangsaliert haben. Vier Auszubildenden soll einem Bericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus zufolge Meuterei vorgeworfen worden sein. Außerdem soll es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.

Wie indes bekannt wurde, hat die Mutter der verunglückten Offiziersanwärterin jetzt dem Focus zufolge Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung gegen die Bundesrepublik Deutschland erstattet. "Keiner erklärt mir, was genau passiert ist, als meine Tochter starb", zitiert das Blatt die Mutter. Sie vermute, dass die wahren Gründe für den Tod ihrer Tochter "vertuscht" worden seien.

Nach ARD-Informationen wurde Kapitän Schatz telefonisch über seine Abberufung informiert. Die Gorch Fock, die derzeit im Hafen von Ushuaia auf Feuerland liegt, werde voraussichtlich am 4. Februar auslaufen und auf direktem Weg nach Kiel zurückkehren. Das Kommando solle dann der Vorgänger von Schatz, Michael Brühn, haben. Brühn sei auch Mitglied der Untersuchungskommission, die am kommenden Donnerstag in Ushuaia an der Südspitze Argentiniens erwartet wird, hieß es.

Die Opposition kritisierte Guttenbergs Vorgehen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier forderte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf, etwaige Konsequenzen aus den Bundeswehr-Affären auch persönlich zu tragen. "Ich erwarte, dass der Minister jetzt nicht wieder Sündenböcke sucht", sagte Steinmeier dem Spiegel. Guttenberg müsse "persönlich und unverzüglich" Stellung zu allen Vorwürfen nehmen. "Und ich erwarte, dass er dieses Mal Manns genug ist, seine eigenen Fehler dann auch als solche einzugestehen."

Kritik am Führungsstil bei der Bundeswehr kam von den Grünen. "Es ist geradezu verwegen, Offiziersanwärter der Meuterei zu bezichtigen, die sich nach einem tödlichen Unfall um die Sicherheit ihrer Kameradinnen und Kameraden sorgen. Wir brauchen Musterbeispiele für Innere Führung und nicht Mobbing auf See", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der Passauer Neuen Presse.

CSU-Politiker kritisieren Wehrbeauftragten Königshaus

Nach Informationen des Hamburger Abendblatts befinden sich weiterhin Segel-Anfänger an Bord der Gorch Fock. Die Marine habe bestätigt, dass die 70 Offiziersanwärter, die beim Unfall der jungen Kadettin an Bord waren, durch 60 Soldaten ersetzt wurden. Viele von ihnen hätten erst im Oktober ihren Grundwehrdienst in Parow in Mecklenburg-Vorpommern angetreten. Der Wehrbeauftragte Königshaus reagierte überrascht auf den Vorgang. Er wolle prüfen, inwieweit die Ausbildung und Vorbereitung dieser jungen Soldaten für den Einsatz auf der Gorch Fock ausreichten, sagte er dem Blatt.

Unterdessen kritisierten CSU-Politiker den Wehrbeauftragten Königshaus. Der FDP-Politiker hatte die angebliche Meuterei auf dem Schiff öffentlich gemacht. "Es ist wichtig, dass Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden. Aber es wird schwierig, wenn man Spekulationen Raum gibt, noch bevor alle Tatsachen ermittelt sind", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich den Lübecker Nachrichten. Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU): "Weder der Wehrbeauftragte noch das Verteidigungsministerium sind berechtigt, aus laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen Informationen zu veröffentlichen. Auch der Wehrbeauftragte hat eine Fürsorgepflicht gegenüber den Soldatinnen und Soldaten", sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Nach ZDF-Informationen haben die bisherigen Ermittlungen zu den Vorfällen auf der Gorch Fock keine Hinweise auf Fehlverhalten im Fall der verunglückten Kadettin ergeben. Der Kieler Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt sagte dem ZDF-Hauptstadtstudio, die junge Frau sei nach bisherigem Stand der Ermittlungen keine Soldatin, die Druck benötigte, in die Takelage zu klettern. Das Gegenteil sei der Fall, so der Oberstaatsanwalt zum ZDF: "Sie war eine hochmotivierte Offiziersanwärterin und eine erfahrene Marinesoldatin."

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