Bundeswehrreform:Soldaten auf Probe

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Mit seiner Streitkräfte-Reform will Verteidigungsminister Guttenberg das deutsche Heer effizienter und die Arbeit in der Armee für die Soldaten attraktiver machen. Sein neuester Coup: Er will eine Probezeit für Rekruten einführen.

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erwägt im Zuge der Verkleinerung der Bundeswehr und der Aussetzung der Wehrpflicht eine Probezeit für Soldaten. "Wir können uns eine Probezeit beim Bund vorstellen", sagte Guttenberg der Bild am Sonntag. "Nach sechs Monaten kann dann jeder sagen, Soldatsein ist nichts für mich. Und umgekehrt kann die Bundeswehr entscheiden, dieser junge Mann passt nicht zu uns."

Rekruten der Bundeswehr nehmen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin an dem öffentlichen Gelöbnis teil. (Archivfoto vom 20.7.2009) (Foto: dpa)

Guttenberg erhoffe sich damit eine erhöhte Attraktivität für die notwendige Rekrutierung von 7000 bis 15.000 Freiwilligen. "Wir brauchen auch in Zukunft junge Männer und Frauen, die kürzer dienen, das heißt zwischen zwölf und 23 Monaten", sagt der Minister. "Denen werden wir ein hoch attraktives Angebot machen." Das bedeute "keine Gammelzeit, sondern: Qualifikationen wie den Erwerb des Führerscheins, ordentliche Bezahlung, Anrechnung auf Rentenversicherung, Optionen auf Studienplätze und vieles mehr." Ziel sei es nach Worten Guttenbergs, "so viele junge Menschen wie möglich zu animieren, einen Dienst an der Gesellschaft zu tun."

Der Verteidigungsminister gab in dem Bericht weiter an, dass seine Reformpläne zu keinem Kahlschlag bei den Standorten führen werden. "Die Entscheidungen über die Standorte fallen nicht vor Mitte nächsten Jahres. Aber ich kann heute schon sagen: Es wird keinen Kahlschlag geben." Guttenberg weiter: "Die Bundeswehr muss künftig auch in der Fläche präsent bleiben." Er will nach Möglichkeit die Krankenhäuser und Universitäten der Bundeswehr erhalten: "Es gibt Einrichtungen, die für die Attraktivität der Bundeswehr in der Zukunft von großer Bedeutung sind. Krankenhäuser und Universitäten gehören dazu."

Kritik an der bisherigen Form der deutschen Streikräfte kam unterdessen aus der Wirtschaft. Nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann, ist die Bundeswehr ein "Sanierungsfall". "Die Armee muss sich dringend den neuen Anforderungen stellen", sagte Driftmann, der auch Vize- Vorsitzender der Expertenkommission zur Reform der Bundeswehr ist, dem Nachrichtenmagazin Focus. Driftmann, der vor seinem Eintritt in das Unternehmen der Familie seiner Frau, die Köllnflockenwerke Peter Kölln KGaA, bei der Bundeswehr und im Verteidigungsministerium Karriere gemacht hat, sagte weiter, "Wir haben heute eine relativ große Armee ­ allerdings sind von den 250.000 Soldaten auf dem Papier faktisch nur maximal 8000 einsatzbereit. Mehr kann man zum Beispiel gar nicht gleichzeitig in Auslandseinsätze schicken. Das ist bitter wenig."

Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung mit seinen 8500 Mitarbeitern sei wesentlich größer als die Einkaufsabteilungen selbst in deutschen Großunternehmen. Diese wickelten vergleichbare Volumen mit gerade mal zehn Prozent des Personals ab. "Der Tanker Bundeswehr ist zu schwerfällig. Er muss schlanker und effizienter werden", sagte Driftmann. "Das gilt auch für das Ministerium: Wir haben in der Kommission konkrete Vorstellungen davon, wie man das Verteidigungsministerium verschlanken muss. Das ist ja sehr, sehr groß. Das kann man leicht halbieren." Die Führungsstäbe der Teilstreitkräfte gehörten nicht ins Ministerium.

Der Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg setzt derweil seinen Afghanistanbesuch gemeinsam mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in Kundus fort. In dem deutschen Feldlager in einer Unruheprovinz gedachten sie am Ehrenhain der gefallenen deutschen Soldaten. Im April waren insgesamt sieben deutsche Soldaten bei zwei Angriffen der Taliban getötet worden, drei davon waren in Kundus stationiert.

Zu Besuch in Afghanistan: Verteidigungsminister Guttenberg spricht am Samstag, 28. August2010 im Feldlager Marmal der Bundeswehr in Masar-i-Sharif Afghanistan, zu deutschen Soldaten. Auf seinem Besuch begleitet ihn Bundestagspräsident Lammert (CDU). (Foto: dpa)

Für die internationale Schutztruppe Isaf ist 2010 das bisher verlustreichste Jahr. Mit 465 Soldaten wurden in den ersten acht Monaten bereits fast genauso viele Soldaten getötet wie im gesamten Vorjahr. Wie die Isaf am Sonntag mitteilte, kamen bei Angriffen radikal-islamischer Aufständischer in Afghanistan erneut vier Soldaten der Internationalen Schutztruppe ums Leben. Nach Informationen der Truppe starben zwei Soldaten im Süden des Landes. Zwei weitere wurden im Osten getötet. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Auch zur Nationalität der Toten machte die Isaf wie üblich keine Angaben.

Lammert und Guttenberg informierten sich in Kundus auch über das neue Ausbildungs- und Schutzbataillon mit 650 Soldaten, das ab Anfang September einsatzbereit ist und gemeinsame Operationen mit den afghanischen Streitkräften planen, durchführen und nachbereiten soll. Mit dieser neuen Strategie soll die Ausbildung der afghanischen Soldaten verbessert und beschleunigt werden. Ein zweites Bataillon soll im Herbst folgen.

Lammert und Guttenberg waren bereits am Samstagabend im Hauptquartier für Nordafghanistan in Masar-i-Scharif eingetroffen. Der Bundestagspräsident hatte der Truppe dort die Rückendeckung des Parlaments zugesichert. "Der Bundestag weiß, dass er sich auf die Bundeswehr verlassen kann, und Sie sollten wissen, dass Sie sich auf den Deutschen Bundestag verlassen können", sagte er vor mehreren hundert Soldaten.

Es ist die erste Afghanistanreise Lammerts seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren. Guttenberg besucht das Land bereits zum fünften Mal in zehn Monaten. Der Verteidigungsminister mahnte erneut eine realistische Betrachtung des Einsatzes und mehr Aufmerksamkeit für die gefährliche Aufgabe der Soldaten an. Im Sommer habe er das Gefühl gewonnen, dass es in Deutschland wieder "etwas ruhiger in der Betrachtung Afghanistans" geworden sei.

Guttenberg warb bei den Soldaten auch um Verständnis für die von ihm geplante Reform der Streitkräfte. Die Bundeswehr werde künftig "stärker und besser" sein, sagte er. Er verwies darauf, dass heute bei einer Truppenstärke von rund 250.000 Soldaten deutlich unter 10.000 gleichzeitig im Einsatz sein können. Diese Zahl will der Minister trotz einer drastischen Verkleinerung der Truppe deutlich erhöhen.

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