Bundeswehreinsatz in Afghanistan:Kein Weg führt da raus

Vier gefallene Soldaten in neun Tagen machen klar: Deutschland steht in einem Krieg, den es kaum gewinnen kann. Doch ein baldiger Truppenabzug ist illusorisch. Verteidigungsminister de Maizière hat das Richtige getan und das Unpopuläre ausgesprochen: Wer nichts tut, wird auch schuldig.

Joachim Käppner

Tote gab es von Beginn an - aber nur, weil Soldaten entweder Unfällen oder Krankheiten zum Opfer fielen. Als der erste deutsche Kommandeur aus Afghanistan heimkehrte, hatte er keinen Mann im Gefecht verloren. Das war 2002.

Bundeswehrsoldaten bei Anschlag getötet - Kommandeur verletzt

"Nichts ist gut in Afghanistan" - der Satz der ehemaligen Bischöfin Margot Käßmann drückt das Gefühl der Mehrheit in Deutschland aus. Ein baldiger Truppenabzug der Bundeswehr ist trotzdem illusorisch.

(Foto: dpa)

Jetzt sind es vier Gefallene in neun Tagen, ermordet mit Bomben und Sprengfallen. Es ist die Frage, wie viele Opfer sich hätten vermeiden lassen, würde die Bundeswehr über das Optimum an denkbarer Ausrüstung verfügen, wie es der Wehrbeauftragte nicht ohne einen Unterton nachträglicher Besserwisserei fordert.

In jenem ersten Jahr aber schien der Einsatz der Bundeswehr - jedenfalls bei jenen, die sich überhaupt dafür interessierten - die Wiederholung einer Erfolgsgeschichte zu sein. Wie im Kosovo und in Bosnien zuvor, so dachte man, sei es Aufgabe der Truppe, eine Art bewaffnete Entwicklungshilfe zu leisten und bestenfalls ein paar Schützenpanzer aufzufahren, um die Volksgruppen davon abzuhalten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Heute steht die Bundeswehr in einem Krieg, den sie kaum gewinnen kann und nicht verlieren darf.

Krieg: Lange durfte das Offensichtliche nicht beim Namen genannt werden, lange erfanden die Berliner Regierungen orwellhafte Beschwichtigungsformeln, um das zu beschreiben, was bis heute 52 Bundeswehrsoldaten das Leben gekostet hat. Bloß nicht Krieg sagen. Der Bevölkerung, so glaubte man, sei die so schlichte wie triste Wahrheit nicht zuzumuten.

Frieden mit Gewalt schaffen, das war die Aufgabe der anderen

Einst waren die Deutschen mit Knobelbechern über Europa getrampelt; im Schatten der Schuld entstand nachher, glücklicherweise, eine Gesellschaft, die dem Militärischen tief misstraute.

Doch nach der Zeitenwende von 1990 galt es, die Werte, für welche das demokratische Deutschland stand, international zu verteidigen oder auch mit Gewalt durchzusetzen, wie 1999 im Kosovo. Während der Luftangriffe der Nato gegen das Serbien des Völkermörders Milosevic debattierten die Deutschen erregt über den ersten Kriegseinsatz seit 1945. Die tatsächliche Beteiligung durch einige Tornado-Kampfflugzeuge war aber eher eine Geste guten Willens an die Alliierten.

In Afghanistan schien sich dieses Muster zu wiederholen: den Frieden mit Gewalt schaffen, das ist der Job der anderen, der Amerikaner, Briten, Kanadier. Den Frieden sichern, da helfen dann die Deutschen. Gewiss, Soldaten der Elitetruppe KSK machten an der Seite der US-Armee Jagd auf Al-Qaida-Kämpfer. Doch Hauptaufgabe der Bundeswehr war die Stabilisierung des vergleichsweise ruhigen Nordens. Der Krieg aber ist auch dorthin gekommen.

Ein baldiger Truppenabzug ist illusorisch

Der Satz der damaligen Bischöfin Margot Käßmann, "nichts ist gut in Afghanistan", drückt die Gefühle der Mehrheit in Deutschland aus. Er wird aber nicht dem gerecht, was die Nato und die Bundeswehr dort geleistet haben. Gewiss hat der Krieg sein Maximalziel nicht erreicht: Afghanistan zu schützen auf seinem langen Weg aus der Barbarei. Es gelang nicht, das geschundene Land zu befrieden oder gar in halbwegs demokratische Verhältnisse zu führen. Das alles ist nicht gut in Afghanistan.

Erinnert man sich aber, warum der Krieg begann, ist das Bild nicht so simpel. Das Land ist befreit von der psychotischen Herrschaft der Taliban, die al-Qaida einen rechtsfreien Rückzugsraum für ihre weltweiten Terrorangriffe geboten hatten. Frauen können wieder halbwegs frei atmen, Mädchen eine Schule besuchen. Eine Rückkehr zu den alten Zuständen wäre für die Nato ein existenzbedrohender Rückschlag und würde die Welt noch weit unsicherer machen, als sie es bereits ist.

Für Deutschland bedeutet das: Ein baldiger Truppenabzug ist illusorisch. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat auf dem Dresdner Kirchentag das Richtige getan und das Unpopuläre ausgesprochen. Der Gewalt dürfen wir nicht weichen; und wer nichts tut, wird auch schuldig. Eine weitere traurige Wahrheit.

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