Skandal um die "Gorch Fock":"Guttenberg reagiert zu heftig"

Kapitänleutnant Uwe Sonntag vom Bundeswehrverband über mangelnde Sensibilität des Verteidigungsministers Guttenberg, die "fatale Außenwirkung" des "Gorch Fock"-Skandals und die Sorge um den Ruf der Marine.

Thorsten Denkler

Kapitänleutnant Uwe Sonntag, 47, ist Vorsitzender der Teilstreitkraft Marine im Deutschen Bundeswehrverband (DBwV). Der Verband vertritt die Interessen von Soldaten, Familien und Hinterbliebenen.

Guttenberg verteidigt Vorgehen in ´Gorch Fock"-Affäre

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in Marine-Kluft: "Für die Außenwirkung ist das fatal."

(Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Sonntag, zwei tote Soldatinnen auf dem Schulschiff Gorch Fock innerhalb von zwei Jahren, Klagen über sexuelle Übergriffe, von Meuterei ist die Rede. Ist die Marine dabei, ihren Ruf zu ruinieren?

Uwe Sonntag: Diese Sorge teile ich nicht. Da ich selber seit mehr als 30 Jahren Marinesoldat bin, haben mich die Vorwürfe zutiefst erschüttert. Aber bei den von Ihnen angesprochen Todesfällen auf der Gorch Fock gibt es keinen Hinweis auf Fremdverschulden. Eine Soldatin ist 2008 über die Reeling gefallen, eine weitere im vergangenen November aus dem Mast. Das ist alles sehr tragisch und tut mir wahnsinnig Leid für die Angehörigen. Aber das sind Unfälle, die leider an Bord von Schiffen passieren.

sueddeutsche.de: Es geht auch um sexuelle Übergriffe. Und zumindest bei der Frau, die 2008 in der Nordsee über die Reeling gefallen sein soll, gibt es offenbar Hinweise, dass solche Übergriffe eine Rolle gespielt haben könnten. Manche Soldaten berichten von Schikanen und überzogenem Drill. Alles normal?

Sonntag: Im ersten Moment musste auch ich da schlucken. Es sind Vorwürfe, die ernst genommen werden müssen. Aber die Fairness gebietet, dass diejenigen angehört werden, denen die Vorwürfe konkret gemacht werden. Diese Woche wird eine Untersuchungskommission auf der Gorch Fock ihre Arbeit aufnehmen. Der sollte man eine Chance geben. Sollte es Verfehlungen gegeben haben, muss entsprechend gehandelt werden.

sueddeutsche.de: Halten Sie die Vorwürfe für plausibel, die ja vor allem beim Wehrbeauftragten des Bundestags, Hellmut Königshaus, eingegangen sind?

Sonntag: Ich habe keinen Zweifel daran, dass die jungen Soldaten, die diese Vorwürfe formuliert haben, aus ihrer subjektiven Sicht heraus die Wahrheit sagen. Aber ich muss mich auch vor die Ausbilder stellen und sagen: Dies ist ein Rechtsstaat, in dem nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt.

sueddeutsche.de: Manche Soldaten sprechen von einem "Ehrenkodex des Totschweigens". Das klingt stark nach einem System. Gibt es so einen Ehrenkodex in der Marine?

Sonntag: Nein, definitiv nicht. Gäbe es einen Kodex, würden sicherlich beim Wehrbeauftragten keine solchen Meldungen eingehen. Ich kann aber nicht ausschließen, dass es innerhalb kleiner Gruppen Verabredungen gibt, etwas nicht an die Öffentlichkeit kommen zu lassen.

sueddeutsche.de: Nach dem Todesfall im November muss es an Bord der Gorch Fock einige Auseinandersetzungen gegeben haben, weil einige Soldaten nicht mehr auf den Mast klettern wollten. Der Wehrbeauftragte Königshaus hat das Wort "Meuterei" ins Spiel gebracht. Lag er richtig?

"Das ist eine Gratwanderung"

Sonntag: Dieser Begriff ist völlig unangebracht. Mit Meuterei hat das, was sich auf der Gorch Fock abgespielt hat, nichts, aber auch gar nichts zu tun. Im Wehrstrafgesetz ist Meuterei klar definiert. Ich will aber nicht ausschließen, dass einer der Ausbilder den Begriff unbedacht in den Mund genommen hat.

sueddeutsche.de: Noch ist vieles nicht geklärt. Dennoch hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg den Kapitän der Gorch Fock, Norbert Schatz, kurzfristig abgelöst. Ein richtiger Schritt?

Sonntag: Es steht mir nicht zu, die Entscheidung des Ministers in irgendeiner Form zu kritisieren. Vielleicht hat er Informationen über die Vorgänge, die mir nicht vorliegen. Aber für die Außenwirkung ist das fatal. Es entsteht der Eindruck, dass wohl doch mehr dran sein muss an den Vorwürfen, als bisher angenommen. Und das ohne dem Mann Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu äußern und dabei das eine oder andere richtigzustellen.

sueddeutsche.de: Da scheint dem Minister seine eigene Außenwahrnehmung wichtiger zu sein, als die der Truppe. Wie kommt das an bei den Soldaten?

Sonntag: Nach innen wird das nicht positiv aufgenommen. Viele sind der Auffassung, dass der Minister damit zu schnell und zu heftig agiert hat. Aber der Minister hat das Recht dazu und wie gesagt möglicherweise Informationen, die ihn bewogen haben, diesen Schritt zu gehen, um vielleicht Schaden von der Marine abzuwenden. Uns liegen jedoch keine solchen Informationen vor. Ich würde mir wünschen, der Minister würde sich da erklären.

sueddeutsche.de: Im Verteidigungsministerium wird betont, die Abberufung von Kapitän Schatz habe nichts mit einer Vorverurteilung zu tun.

Sonntag: In der Öffentlichkeit wird das sicher anders wahrgenommen.

sueddeutsche.de: Fehlt Guttenberg die nötige Sensibilität?

Sonntag: Das ist eine Gratwanderung. Aber die Gorch Fock ist das Aushängeschild der Deutschen Marine, mit dem man sich gerne schmückt und das Deutschland im Ausland repräsentiert. Politiker und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sind gerne Gast auf dem Schiff. Die Abberufung des Kommandanten eines solchen Schiffes ist die ultima ratio und für den Kommandanten als Person sicher das Schlimmste, was ihm passieren kann.

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