Bundeswehr:"Sie wissen nicht, was Sie da losgetreten haben"

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Die Misshandlungsvorwürfe gegen 18 Soldaten der Freiherr vom Stein-Kaserne in Coesfeld machen seit Wochen Schlagzeilen. Ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hat sie ein lokaler Rundfunkreporter.

Von Tobias Lickes

Es regnet und es ist kalt an diesem Sonntagmittag. Verdammt kalt. Spitzenspiel. Die DJK Coesfeld empfängt die Sportfreunde aus Merfeld. Es gilt, die 4:1 Niederlage in der letzten Partie gegen die Mannschaft aus Billerbeck auszubügeln. Kreisliga A - das ist Fußball für Liebhaber.

Seit Bekanntwerden der Misshandlungsvorwürfe liegt ein dunkler Schatten über der Bundeswehr-Kaserne in Coesfeld. (Foto: Foto: ddp)

Und für Stephan Hackenbroch. Der 30-Jährige ist freier Mitarbeiter von Radio Kiepenkerl, einem Lokalsender in Dülmen im Münsterland. Von Sportereignissen wie diesen zu berichten, gehört zu seinem Job. Doch seit dem 11. November ist der Alltag des Reporters gehörig aus den Fugen geraten.

Vom Tratsch zum Tatbestand

Schon seit längerem gab es nicht nur um den Coesfelder Fußballplatz Gerüchte, es sei in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne des 36.000-Einwohner-Städtchens zu Misshandlungen von Soldaten gekommen. Hackenbroch: "Am Anfang hieß es lediglich, dass bei der Bundeswehr einige Leute entlassen worden seien." Doch als der Journalist nachfragte, stellte sich heraus, dass Vorfälle innerhalb der Truppe den Anlass zu den Entlassungen gegeben hatten.

"Man sagte mir, dass es bei der Grundausbildung (der Soldaten) einen Vorfall gegeben hat. Rekruten seien überfallen und verschleppt worden." Zu diesem Zeitpunkt hat die Staatsanwalt ihre Ermittlungen bereits aufgenommen. Der schwerwiegende Vorwurf gegen 18 Soldaten: Misshandlung.

Beim Heerestruppenkommando gibt man sich dem Lokalreporter gegenüber freundlich und scheinbar auskunftswillig: Die Pressestelle sei "bestens über die Vorfälle informiert" gewesen, sagt Hackenbroch. Dass Soldaten mit Wasser bespritzt und mit Stromstößen traktiert worden sind, diese brisanten Details enthält das höfliche Heerestruppenkommando in Koblenz ihm allerdings vor.

Aufgrund der "laufenden Ermittlungen" habe man zu diesen Zeitpunkt nicht mehr sagen können und wollen, erläutert die Pressestelle des Kommandos in Koblenz sueddeutsche.de.

Details verschwiegen

"Im Prinzip haben sie alle meine Fragen beantwortet, es hat sich im Nachhinein nichts als Lüge herausgestellt" - nur: "Dass die Veröffentlichung, wie einige Medien berichtet haben, von der Bundeswehr selbst ausging, stimmt nicht. Von sich aus hätten die nicht gesagt: 'Das und das liegt vor'", erzählt Hackenbroch.

Dieser Darstellung widerspricht allerdings die Pressestelle in Koblenz: "Die Bundeswehr habe die Geschichte schon vorher in ihrer Zeitschrift Bundeswehr aktuell am 15.11. 2004 publiziert."

Das geschah tatsächlich vor den Recherchen des Spiegels - aber: Der Bericht Hackenbrochs lief bereits vier Tage vorher, am 11. November, bei Radio Kiepenkerl über den Sender.

Nachdem der Lokalsender und der Spiegel im tarngrünen Dickicht nach weiteren Details forschen, kommt es zu einem Geständnis:

"Ja, mein Mandant hat jemanden mit dem Feldfernsprecher und Wasser 'behandelt'", sagt Thomas Buchheit, der Anwalt eines der beschuldigten Soldaten, zu Hackenbroch.

Zurück zum Sport

Der Anwalt ist sich der Dimension der Affäre bewusst: "Herr Hackenbroch, Sie wissen noch nicht, was Sie da losgetreten haben", verabschiedet sich der Rechtsvertreter nach einem Interview von dem Rundfunk-Mann.

Inzwischen hat der Lokalsender das Thema wieder "heruntergefahren", wie es im Jargon heißt. Auch Reporter Hackenbroch ist längst wieder im Tagesgeschäft angelangt. Beim Kreisliga-Fußball zum Beispiel. Wenn er Glück hat, regnet es ja auch nicht.

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