Bundeswehr:Mit 17 in die Kaserne

Es ist nur eine Art begleitetes Schießen: Die Rekruten dürfen nicht zu Auslandseinsätzen oder Wachdiensten eingeteilt werden, zur Waffe gegriffen wird nur im Training. Warum die Bundeswehr trotzdem verstärkt Minderjährige rekrutiert.

Von Benedikt Peters

Seit Sommer 2016 ist die Bundeswehr auf Youtube. Auf der Internetplattform lädt sie Imagefilme hoch, sie heißen "Die Rekruten" oder, nach einem der aktuellen Einsatzgebiete, schlicht "Mali". Die Filme zeigen junge Menschen in Uniformen, die augenscheinlich vor Kurzem ihren Dienst als Soldaten angetreten haben. Um solche jungen Menschen bemüht sich die Bundeswehr in letzter Zeit verstärkt, und sie ist dabei durchaus erfolgreich. Die Zahl minderjähriger Soldaten ist dem Bundesverteidigungsministerium zufolge zuletzt deutlich angestiegen. Im vergangenen Jahr traten demnach 2128 von ihnen den Dienst bei der Bundeswehr an - so viele wie noch nie. 448 der minderjährigen Soldaten sind Frauen, auch diese Zahl ist vergleichsweise hoch.

Bei der Linkspartei, die eine entsprechende Anfrage an die Regierung gestellt hatte, ist die Aufregung groß. Linken-Entwicklungsexpertin Evrim Sommer warf der geschäftsführenden Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen Skrupellosigkeit vor. Sie forderte, die Rekrutierung Minderjähriger sofort zu beenden. Ähnliche Anfragen hatte die Partei bereits in den vergangenen Jahren gestellt und jedes Mal auf die gestiegene Zahl an minderjährigen Rekruten verwiesen. Einige Forscher sehen die Praxis ebenfalls kritisch. Der Zürcher Psychologe Tobias Hecker etwa hatte bei einer Anhörung im Bundestag 2016 auf Erkenntnisse aus der Hirnforschung hingewiesen, denen zufolge die Entwicklung der Entscheidungsfähigkeit erst bei Menschen ab Anfang 20 abgeschlossen sei. "Junge Menschen begeben sich deshalb schneller in Gefahr und haben ein höheres Risiko für Traumastörungen."

Das Verteidigungsministerium hingegen wies die Kritik zurück. Eine Sprecherin verwies darauf, dass junge Menschen frühestens im Alter von 17 Jahren rekrutiert werden könnten. Um diese müsse die Bundeswehr allein schon deswegen werben, um gegenüber der Wirtschaft wettbewerbsfähig zu sein. Laut Statistischem Bundesamt seien derzeit drei Viertel aller Schulabgänger noch nicht volljährig. Gäbe es nicht die Möglichkeit, auch Minderjährige zu rekrutieren, könnte die Bundeswehr also nur 25 Prozent der Schulabgänger ansprechen, so die Argumentation der Verantwortlichen. Im Übrigen stehe die Rekrutierungspraxis "vollkommen in Einklang mit den internationalen Abkommen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen".

Nach Angaben des Ministeriums gilt für die minderjährigen Soldaten eine Reihe von Sonderregeln. So nähmen sie nicht an Auslandseinsätzen teil und würden nicht zu Wachdiensten eingeteilt. Die Waffe dürften die Minderjährigen nur zu Ausbildungszwecken einsetzen, und es gebe eine besondere Probezeit von sechs Monaten. Die Bundeswehr bemüht sich seit einiger Zeit, zusätzliches Personal anzuwerben, um wieder zu wachsen. Von der Leyen hatte in der vergangenen Legislaturperiode nach Jahren des Schrumpfens eine Wende angekündigt, um die Truppe an aktuelle Herausforderungen anzupassen.

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