Bundeswehr:Marine gerät an Kapazitätsgrenzen

Bundeswehr: Das Minenjagdboot Datteln soll im Notfall Flüchtlinge im Rahmen der EU-Mission Sophia aufnehmen. Das Boot ist 54 Meter lang, neun Meter breit und hat maximal 44 Mann Besatzung.

Das Minenjagdboot Datteln soll im Notfall Flüchtlinge im Rahmen der EU-Mission Sophia aufnehmen. Das Boot ist 54 Meter lang, neun Meter breit und hat maximal 44 Mann Besatzung.

(Foto: OH)
  • Deutsche Boote sind am EU-Militäreinsatz zwischen der italienischen und der libyschen Küste beteiligt.
  • Sie schützen den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle - und immer wieder müssen sie auch in Seenot geratene Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten.
  • Das Beispiel des Minenjagdboots Datteln zeigt, wie sehr die Deutsche Marine an ihre Kapazitätsgrenzen gerät.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Das Minenjagdboot Datteln ist 54 Meter lang und neun Meter breit, die Besatzung besteht aus 42 Soldaten - schwer vorstellbar, dass da viel Platz für Menschen sein soll, die aus Seenot gerettet werden müssen.

Dazu aber könnte es von Ende Juni an kommen. Dann soll die Datteln in der EU-Anti-Schleuser-Operation Sophia die Fregatte Karlsruhe ablösen. Die ist 130 Meter lang und hat, auch wenn es dann eng wird, über die Besatzung hinaus notfalls Platz für ein paar Hundert Menschen.

Die Deutsche Marine, so kann man es positiv ausdrücken, ist derzeit gefragt wie nie. Zu den seit Jahren bestehenden Verpflichtungen sind durch die Flüchtlingskrise neue hinzugekommen - neben der Operation Sophia ist das die Nato-Mission in der Ägäis, deren Einheiten zwischen dem türkischen Festland und den griechischen Inseln patrouillieren. Und zwischendurch hatte die Marine noch eine Fregatte zum Schutz des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle abgestellt, von dem aus Einsätze gegen den sogenannten Islamischen Staat geflogen wurden.

Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet

Flüchtlinge werden im Mittelmeer von zwei Speedbooten von ihrem Holzboot abgeholt und anschließend zur Fregatte Schleswig-Holstein gebracht. Im Hintergrund ein Schiff der britischen Royal Navy.

(Foto: Gioia Forster/dpa)

Engpässe in der Ägäis

Man kann es also auch so ausdrücken: Die deutsche Marine ist derzeit am Limit. Dass nun ein vergleichsweise kleines Boot wie die Datteln an Stelle einer Fregatte in die Operation Sophia muss, ist ein weiterer Beleg dafür, wie eng die Lage mittlerweile ist - zum Beispiel, was Fregatten angeht.

Derzeit ist der Einsatzgruppenversorger Bonn in der Ägäis eingesetzt, im Sommer soll er zurück in den Heimathafen. Ersetzen soll ihn auf Bitten der Deutschen ein niederländisches Schiff, von dem aus, wie bisher von der Bonn, die gesamte Operation geführt werden kann. Allerdings können die Niederländer die Bonn nicht nahtlos ablösen, die Zwischenzeit muss eine deutsche Fregatte überbrücken. Daher steht für Sophia keine Fregatte mehr zur Verfügung, die Datteln muss ran.

Immer neue Einsätze, dramatische Material- und Personallage

Das Verteidigungsministerium will darin aber keinen Nachteil sehen. Erstens seien die Deutschen bei der Operation Sophia nicht allein, es gebe EU-Partner und die Frontex-Grenzschützer, insgesamt seien etwa 20 Boote und Schiffe unterwegs. Zweitens sei noch ein zweites deutsches Schiff dabei, ein deutlich größeres Versorgungsschiff, womit man das Soll bereits zu 100 Prozent übererfülle.

Beide Einheiten ergänzten sich zudem gut - falls die kleinere Datteln Flüchtlinge aufnehmen sollte, könne sie die auf das größere Schiff bringen. Und schließlich sei bereits Anfang des Jahres ein Minenjagdboot im Sophia-Einsatz gewesen. Platz für 60 bis 80 zusätzliche Menschen sei darauf allemal.

Die Opposition ist da kritischer. "Wenn die falsche europäische Mission im Mittelmeer irgendeinen Zweck hatte, dann doch den, Menschen aus Seenot zu retten. Jetzt die dafür besser geeigneten Schiffe zum symbolischen Nato-Einsatz vor der Türkei zu verlagern, ist verantwortungslos und setzt im schlimmsten Fall Menschenleben aufs Spiel", sagt die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger.

Sie spricht von einer "dramatischen Material- und Personallage" bei der Marine. Ihr Fraktionskollege Tobias Lindner sagt: "Ministerin Ursula von der Leyen macht schon fast im Wochenrhythmus neue Zusagen für Einsätze." Das sei "schön und gut", doch "auszubaden hat das die Marine, die mindestens am Anschlag ist".

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