Bundeswehr:In der Gefahrenzone

Mali, Afghanistan, der Norden Iraks: deutsche Soldaten sind in zahlreichen Krisengebieten engagiert - getreu der Devise des Bundespräsidenten, dass das Land international mehr Verantwortung übernehmen müsse. Doch mit welchem Leitbild? Das muss geklärt werden.

Von Christoph Hickmann

Von den Auslandseinsätzen der Bundeswehr hörte man zuletzt vergleichsweise wenig. Das war in gewisser Hinsicht äußerst erfreulich, schließlich sank das Interesse vor allem deshalb, weil seit geraumer Zeit keine Gefallenen zu beklagen sind. In den vergangenen Tagen aber rückten die Einsätze in Afghanistan, Mali und gegen den sogenannten Islamischen Staat aus unterschiedlichen Gründen wieder in den Blickpunkt. Ohne dass deutsche Soldaten gestorben wären.

In Afghanistan drangen die Taliban wie schon im vergangenen Jahr in Kundus ein, wo einst die Bundeswehr für die Sicherheit verantwortlich war. In Mali stattete die Kanzlerin den deutschen Soldaten einen Besuch ab. Und am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett, den Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr nicht nur zu verlängern, sondern auszuweiten. Gemeinsam haben alle drei Einsätze, dass man berechtigterweise nach ihrem Sinn fragen kann.

Beispiel Afghanistan: Was soll es eigentlich bringen, dort weiterhin deutsche Soldaten zu halten, die zwar kaum noch das Lager verlassen, immerhin aber den afghanischen Sicherheitskräften beratend zur Seite stehen - und dabei immer wieder von vorn anfangen müssen? Manches, etwa die Instandhaltung des militärischen Geräts, funktioniert auch nach Jahren nicht so, wie es sollte. Die Hoffnung, dass all dies trotzdem irgendwie nachhaltig sein könnte, wird zusehends kleiner. Schließlich ist es gerade mal drei Jahre her, dass die Bundeswehr sich aus Kundus zurückgezogen hat. Doch schon im vergangenen Jahr konnten die Aufständischen dort Angst und Schrecken verbreiteten. In den vergangenen Tagen taten sie es wieder.

Mali, Afghanistan, Irak - was ist das Ziel der Auslandseinsätze?

Und Mali? Auch dort stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit. Mit viel Aufwand bilden die Deutschen malische Soldaten aus - doch den gefährlichen Norden des Landes wird bis auf Weiteres eine Militärmission der Vereinten Nationen stabilisieren müssen. An der ist mittlerweile auch die Bundeswehr beteiligt, sie liefert Aufklärungsergebnisse. Zuletzt aber wurden offenbar Klagen laut, dass andere beteiligte Nationen mit diesen Ergebnissen nicht so recht etwas anzufangen wüssten. Aus den Informationen folgt demnach nichts oder jedenfalls zu wenig an militärischem Handeln. Sollte sich daran nichts ändern, wäre auch hier die Frage, wofür genau man hier Soldaten in die Gefahrenzone schickt.

Bleibt der Einsatz gegen den IS. Ja, hier leistet die Bundeswehr vielfältige Unterstützungsdienste, schützt zu Wasser einen französischen Flugzeugträger, klärt mit Tornado-Jets auf und betankt Flugzeuge in der Luft. Trotzdem bleibt die Frage, ob den größten Effekt im deutschen Kampf gegen den IS nicht jene Form der Unterstützung hatte und hat, für die man die Truppe selbst kaum braucht: die Lieferung von Waffen und Munition an die Peschmerga.

Heißt das nun, dass diese Einsätze sinnlos sind? Nein, so einfach ist das nicht, doch sie alle haben mehr oder weniger schwere Konstruktionsfehler. Vor allem aber: Knapp drei Jahre, nachdem Bundespräsident, Außenminister und Verteidigungsministerin mehr deutsche Verantwortung in der Welt gefordert haben, fehlt noch immer eine Linie, wie diese Verantwortung aussehen könnte. Zumindest was deren militärische Dimension angeht.

Das liegt auch daran, dass die Zahl der Herausforderungen mittlerweile noch gestiegen ist, weil die Bundeswehr sich neben den Auslandseinsätzen nun auch wieder um die Verteidigung des Nato-Bündnisgebiets kümmern muss. Das zwingt dazu, künftig klare Prioritäten zu setzen - und sich von Einsätzen zu verabschieden, deren Ertrag infrage steht. Das Leitbild für eine solche Priorisierung hätte das im Sommer vorgelegte neue Bundeswehr-Weißbuch liefern müssen. Dafür aber ist es inhaltlich deutlich zu dürftig geraten.

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