Bundeswehr in Afghanistan:Die afghanische Falle

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Während sich die Politik in Deutschland absurde Debatten leistet, wird in Afghanistan gestorben. Man reagiert zäh und viel zu ängstlich auf neue Gefahren für die Soldaten - das kostet Leben.

Stefan Kornelius

Während sich das innenpolitische Personal in Deutschland absurde Debatten über Kriegsterminologien und Waffentypen leistet, wird in Afghanistan gestorben. Vier deutsche Soldaten ließen nun ihr Leben, viele wurden schwer verletzt. Der April 2010 ist der schlimmste Einsatzmonat, seitdem die Bundeswehr 2002 erstmals den Fuß nach Afghanistan setzte. Im ersten Einsatzjahr starben ebenfalls sieben deutsche Soldaten, als ihr Hubschrauber nahe Kabul abstürzte. Niemals zuvor aber wurden so viele Soldaten im Gefecht oder durch Anschläge getötet wie in diesen Tagen.

Bevor nun wieder schrille Abzugsdebatten geführt und Details der Ausrüstung der Prüfung durch die Nation unterworfen werden, sollten das Land und seine politische Führung kurz innehalten.

Denn um dem verständlichen Wunsch nach einem schnellstmöglichen Abzug aus Afghanistan nachzukommen, muss das größte, den Einsatz überschattende Übel beseitigt werden: Die Soldaten und ihre Kommandeure müssen von dem politische Druck befreit werden, der den Einsatz seit der ersten Minute belastet. Denn die Angst vor dem politischen Fehlverhalten, vor der Gefährdung eines Ministers oder einer Koalition hat inzwischen zur Gefährdung der Soldaten geführt.

Wären die Kommandeure frei gewesen, die Truppe und ihre Ausrüstung den tatsächlichen Bedürfnissen für Afghanistan anzupassen, dann hätte die Bundeswehr viel früher abschreckend wirken und womöglich eine Eskalation der Kämpfe im Einsatzgebiet verhindern können. So aber kämpft eine nachholende Truppe, deren Zuschnitt, deren Rotationsprinzip, deren Ausrüstung und deren Einsatzregeln den Bedürfnissen des politischen Betriebs in Berlin, nicht aber der militärischen Situation in Kundus oder Baghlan angepasst sind. Zwar wurde diese Zwangsjacke in den vergangenen Monaten kontinuierlich gelockert, aber immer nur unter Druck und in kleinen Dosen. Noch immer reagieren Parlament und Ministerium mit gefährlicher Zeitverzögerung, die am Ende Leben kostet.

All das bedeutet nicht, dass keine Opfer zu beklagen wären, stünden nun 8000 Soldaten in zahlreichen Kampfeinheiten mit besseren Panzerfahrzeugen, Hubschraubern, Aufklärungsdrohnen und Haubitzen in Nordafghanistan. Aber vielleicht hätte die dramatische Stärkung der Taliban unterbunden werden können. Die Bundeswehr bleibt in der Defensive, solange nicht der Feind in Afghanistan, sondern die öffentliche Meinung die größte Gefahr für die Koalition welcher Couleur auch immer darstellt.

Wenn nun immer mehr pensionierte (und intern wohl auch aktive) Generale die Deckung verlassen und nach mehr militärischer Handlungsfreiheit verlangen, dann sollte die Politik auf sie hören. Entweder man vertraut der Bundeswehr, dass sie ein Fiasko abwenden kann, oder aber der politische Mut ist zu gering. Dann aber gibt es keinen Grund, auch nur einen Moment länger in Afghanistan zu bleiben.

© SZ vom 16.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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