Bundeswehr in Afghanistan:Der Bundespräsident lässt das Ministerln nicht

Bundespräsident Steinmeier in Afghanistan

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sitzt im Bundeswehr-Feldlager Camp Marmal in Masar-i-Scharif mit Soldatinnen und Soldaten zusammen.

(Foto: dpa)

Beim Truppenbesuch in Afghanistan zeigt sich: Wo Steinmeier auch hinkommt - Steinmeier war als Minister schon da. Das hat Vorteile und Tücken.

Kommentar von Nico Fried

Vor den deutschen Soldaten in Masar-i-Scharif hat der Bundespräsident einen scheinbar unbedeutenden Satz gesagt: Er sei schon so oft in Afghanistan gewesen, dass er aufgehört habe zu zählen. Tatsächlich war Steinmeier an diesem Teil deutscher Politik von Anfang an beteiligt: Der Kanzleramtschef hat den Einsatz der Bundeswehr mit auf den Weg gebracht. Der Außenminister hat ihn mit verantwortet, der Fraktionschef im Bundestag hat ihn stets verteidigt und als Abgeordneter immer wieder legitimiert.

Steinmeiers Besuch in Afghanistan unterstreicht eine Besonderheit dieser Präsidentschaft: Keiner seiner Vorgänger war so lange in politischer Verantwortung. Es gibt aus den letzten 20 Jahren deutscher Politik kein Dossier, das er nicht kennt. Das Hase-und-Igel-Prinzip bekommt hier eine neue Variante: Wo Steinmeier auch hinkommt - Steinmeier war schon da.

Langjährige Kontakte erleichtern ihm den Zugang zu Gesprächspartnern

Das hat Vorteile - und Tücken. Dieser Bundespräsident weiß oft, wovon er redet, weil er in seiner eigenen Kontinuität steht. In Afghanistan fand Steinmeier angemessene Worte für die Soldaten. Aber er beließ es nicht bei Würdigungen: Steinmeier tänzelte mit der Forderung nach Einbindung der Taliban trotz der brutalen Anschläge in jüngster Zeit auf jener Grenze, die zwischen seinem neuen und seinem alten Amt gezogen wird. Anders gesagt: Der Präsident lässt das Ministerln nicht.

Die Begegnung mit seinem politischen Leben hat für Steinmeier angenehme Seiten, wenn ihm langjährige Kontakte bei schwierigen Gesprächspartnern den Zugang erleichtern. Man spart die Zeit des Kennenlernens. Die Begegnung hat auch bizarre Seiten, wenn der Bundespräsident zum Beispiel wegen seines Verhaltens als Chef des Kanzleramts im Übergang von Kohl zu Schröder als Redner vom Trauerakt für den Altkanzler ferngehalten wird.

Die Kehrseite der Vertrautheit: Konfrontation mit der Vergangenheit

Der Besuch in Afghanistan hat nun noch eine Facette dieser Konfrontation mit der Vergangenheit gezeigt: den Blick auf die eigene Unzulänglichkeit. In seiner Rede in Masar-i-Scharif hat Steinmeier, bezogen auf das Ziel des Einsatzes, dessen Dauer sowie die politische Lage in respektabler Offenheit Fehleinschätzungen derer eingeräumt, die den Einsatz initiiert haben - also auch seiner selbst. Aber war deshalb der ganze Einsatz ein Fehler, und wie viel Sinn liegt darin, ihn stets weiter zu verlängern?

Qua Amt wäre niemand so berufen wie der Bundespräsident, eine Debatte in Gang zu bringen, was Politik und Gesellschaft aus den Jahren des Afghanistan-Einsatzes lernen wollen; welche Verpflichtung man gegenüber den gefallenen Soldaten hat; was das für die Zukunft der Bundeswehr, aber auch für die Verantwortung eines Parlaments bedeutet, das sich für seine Armee nur sehr sporadisch interessiert. Der Person Steinmeier würde eine solche Debatte einerseits die Courage abverlangen, den Anstoß zu geben, andererseits die Kraft, sich in der Diskussion zurückzuhalten. Denn mit seinem neuen Amt wäre jede Einmischung, die stets im Verdacht stünde, nur der eigenen Rechtfertigung zu dienen, schwer vereinbar.

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