Bundeswehr im Auslandseinsatz:Populäre Piratenjagd

Kraftstrotzend statt mühselig: Warum die Bundeswehr beim Piraten-Einsatz am Horn von Afrika alles darf, in Afghanistan aber nur wenig.

Stefan Kornelius

Seitdem die Bundeswehr zum Einsatz ins Ausland geschickt wird, tut sich die Politik schwer mit den richtigen Worten. Krieg darf nicht Krieg genannt werden, weil das völker- bis haftungsrechtliche Konsequenzen hätte, die am Ende die Zustimmung von Bevölkerung und Parlament erschwert.

Bundeswehr im Auslandseinsatz: Einsatz ist nicht gleich Einsatz: Schiffe vor Piraten zu schützen ist weniger gefährlich als die Bundeswehr-Mission in Afghanistan.

Einsatz ist nicht gleich Einsatz: Schiffe vor Piraten zu schützen ist weniger gefährlich als die Bundeswehr-Mission in Afghanistan.

(Foto: Foto: dpa)

Die Aufgabe der Soldaten wird von Parlamentsausschüssen und den Juristen in den Ministerien durchgespielt, um für alle möglichen politischen und rechtlichen Szenarien gerüstet zu sein - und vor allem, um die Verantwortlichen abzusichern.

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, der Bundestag entscheidet über die Einsätze, was eine vernünftige Regelung ist, denn warum sollen die Vertreter der Staatsbürger nicht dafür geradestehen, wenn die uniformtragenden Staatsbürger für eben diesen Staat ihr Leben riskieren.

Außerdem wäre es schwer erträglich, Soldaten ohne die Unterstützung der Öffentlichkeit in einen Einsatz zu schicken. Also will die Öffentlichkeit informiert und umworben sein - mit einem vernünftig formulierten Mandat.

Hier aber liegt - seitdem die Bundeswehr so häufig ins Ausland geschickt wird - das Problem. Die Politik erliegt bei der Formulierung oft einem Gefälligkeits-Reflex. Das Mandat orientiert sich dann weniger an den Bedürfnissen der Soldaten, als an den Sorgen der Politiker.

Obwohl das Mandat auch das Leben der Soldaten schützen soll, wird es nicht unbedingt der Realität am Einsatzort gerecht. Vielmehr soll es den Politikern das Leben erleichtern, die sich vor ihren Wählern rechtfertigen müssen.

So kommt es zu absurden Widersprüchen: Die Piraten-Mission vor der Küste Somalias erfreut sich eines Mandats, das - wie es in der Fachsprache heißt - breit gefasst ist. Die Besatzung der deutschen Fregatte darf also retten, schützen, bergen und schießen. Sie darf im Zweifel ein Piratenboot versenken und die Seebanditen verfolgen. Wenn das nicht reicht, kann sie sich zur Befreiung eines bereits gekaperten Schiffes entschließen.

Der Piraten-Einsatz ist populär in der Bevölkerung und er ist relativ ungefährlich. Er ist zwar militärisch reichlich sinnlos, weil sich eine große Meeresfläche nicht kontrollieren lässt, und weil die Mission am eigentlichen Problem - der Gesetzes- und Staatenlosigkeit an Land - nichts ändert. Aber der Einsatz ist leicht vermittelbar. Gut und Böse, Stark und Schwach sind eindeutig zu benennen.

Die Soldaten in Afghanistan haben es nicht so leicht. Sie riskieren tatsächlich viel mehr - und arbeiten auf einer politisch höheren Gefährdungsstufe. Die Afghanistan-Mission erfährt keine ungeteilte Zustimmung in der deutschen Öffentlichkeit. Gibt es Tote, ist der Auftrag immer wieder gefährdet. Das Thema Afghanistan ist wahlkampftauglich - das muss die Soldaten vorsichtig machen.

Die Vorsicht ist dokumentiert in ihrer Taschenkarte, die auf neun Seiten erläutert, wie ein Angreifer auf Paschtu oder Dari anzurufen ist, und dass auf eine flüchtende Person nicht geschossen werden darf, "die erkennbar von ihrem Angriff abgelassen" habe. Noch musste kein Gericht darüber entscheiden, was "erkennbar abgelassen" bedeutet.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Ein Mandat ist kein Erlaubnisschein für Willkür oder zügellose Gewalt. Aber ein Mandat schützt auch. Ein Taliban-Kämpfer merkt, ob sich Soldaten sicher fühlen und wann eine Provokation beantwortet wird. Ein robustes Mandat dient der Abschreckung.

Vergleicht man die Mandate, dann ist der Widerspruch offensichtlich: Die Piratenjagd ist kraftstrotzend. Der Afghanistan-Einsatz - das politisch und militärisch viel wichtigere Unterfangen - steckt voller Zweifel und Halbherzigkeiten. Die Mandate zeigen also, wie willkürlich die Einsatzregeln gefasst werden, den Zeigefinger immer fest im politischen Wind. Nötig wäre weniger militärisches Mikromanagement der Politik, dafür aber deren Standfestigkeit.

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